Mutiert Actebis zur Servicegesellschaft von Hewlett-Packard?

23.10.2003
Damian Sicking dsicking@computerpartner.de

Der Wechsel von HP-Geschäftsführerin Bärbel Schmidt zum angeschlagenen Distributor Actebis ist weit mehr als nur eine Personalie. Dieser Wechsel hat etwas mit den - veränderten - Strategien in beiden Unternehmen zu tun.

Schmidt hat sich in der Branche den Ruf einer Ikone des indirekten Vertriebs erarbeitet, erkämpft und erstritten. Niemand anders verkörpert so sehr wie sie die Idee des indirekten Vertriebs. Das ging so lange gut, bis die amerikanische HP-Chefin Carly Fiorina im vergangenen Jahr entschied, in Zukunft alle Marktsegmente mit einem aggressiven Direktvertrieb zu bedienen. Dieser Strategiewechsel konnte Schmidt überhaupt nicht gefallen, sie hielt ihn für die deutschen Verhältnisse auch nicht für angemessen und Erfolg versprechend. Daher kämpfte sie - wie konnte es anders sein - für "ihren" Partnervertrieb. "Solange ich bei HP etwas zu sagen habe", erklärte sie im vergangenen Jahr gegenüber ComputerPartner, "behält der Partnervertrieb seine Rolle, die er hat."

Erfahrungsgemäß lässt sich eine solche Autonomie so lange halten, wie man erfolgreich ist. Weicht man aber über einen längeren Zeitraum von den Zielvorgaben ab, ist es mit der Geduld und Nachsicht einer amerikanischen Mutter sehr schnell vorbei und sie drückt ihre eigenen Vorstellungen durch. In einem solchen Fall gibt es für den Manager in Deutschland nur zwei Möglichkeiten: Entweder man kneift die Arschbacken zusammen und vollzieht den Schwenk mit oder man geht aufrecht von dannen.

HP-Vertriebspartner sowohl aus dem Consumer- als auch aus dem Systemhausbusiness beobachten bereits seit geraumer Zeit verstärkte Direktaktivitäten bei HP. Sichtbarste Manifestationen sind sicherlich die E-Commerce-Aktivitäten mit einem eigenen Shop. Die Vertriebspartner befürchten nun, dass Schmidts Ausscheiden einem Dammbruch gleichkommt. Dass mit Stephan Wippermann ein Direktvertriebler die Nachfolge von Schmidt - wenn auch kommissarisch - übernommen hat, verstärkt ihre Besorgnis. Warum nicht Jochen Erlach, fragen sie sich, der als Mann des indirekten Vertriebs auf derselben Hierarchieebene wie Wippermann steht.

Nun zu Actebis. Warum stellt ein Distributor jemanden als Geschäftsführer ein, der vorher 25 Jahre beim Hersteller gearbeitet hat? Immerhin gibt es warnende Beispiele, dass so etwas ganz schön in die Hose gehen kann. Zuletzt ist Martin Furuseth, er kam von Compaq, als Geschäftsführer von Tech Data gescheitert und musste gehen. Eine mögliche Antwort auf die Frage, warum Actebis-Holding Chef Joe Hemani keinen distributionserfahrenen Manager, sondern eine Frau mit Herstellerblut in den Adern verpflichtet hat, lautet: Actebis ist zwar heute noch ein Distributor, aber morgen oder übermorgen vielleicht schon nicht mehr. Es gibt ernst zu nehmende Menschen in der Branche, die sagen, dass Actebis einen gewaltigen Umbau vor sich hat. Der Masterplan von Hemani sieht danach vor, dass am Ende dieses Transformationsprozesses ein Unternehmen steht, das kein Distributor mehr ist, sondern ein auf HP fokussierter Dienstleister, der ein Fülle von Funktionen übernimmt, von der Logistik bis zum Helpdesk. Actebis, so das Szenario, mutiert zur Servicegesellschaft von HP. Dass dieses Modell, so es denn eintritt, mit dem bisherigen Partnermodell von HP nichts mehr gemein haben wird, liegt auf der Hand.

Übrigens: Ende vergangener Woche verschickte Actebis eine Pressemitteilung mit der Überschrift: "Gemeinsame Aktion von Actebis und HP: Gewinner ist immer der Fachhandel." Na, dann ist ja alles in Butter.

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