MySQL emanzipiert sich von Oracle

21.04.2006
Der schwedische Datenbankanbieter MySQL sucht nach Alternativen zur Storage-Engine von Innobase. Diese hat sich Oracle im Oktober 2005 einverleibt.

Von Wolfgang Leierseder

Vom Linux-Boom profitiert Open-Source-Adept MySQL. Gerade hat der schwedische Datenbankanbieter Partnerabkommen mit IBM und EMC abgeschlossen: Er ist der Eclipse-Foundation beigetreten, die SAP-Lizenzierung für die MySQ-Datenbanken soll in diesem Jahr kommen, und die Schweden, die gerade mal 40 Millionen Dollar im vorigen Jahr umsetzten, denken öffentlich über eine Microsoft-Kooperation nach.

Dennoch wurde MySQL bis ins Mark erschüttert, als Oracle im Oktober 2005 mit Innobase den wichtigsten OEM-Lieferer der Storage-Engine, die in den Datenbanken der Schweden läuft, aufkaufte. Hektische Verhandlungen über die weitere Lizenzierung durch Oracle erfolgten: Sie wurden zum Abschluss gebracht: Ein mehrjähriger Vertrag garantiert MySQL, die Storage-Engine "InnoDB" einsetzen zu können. Aber diese Entwicklung stellt MySQL nicht zufrieden. Die Abhängigkeit von dem übermächtigen US-Konkurrenten erscheint fatal. Außerdem müssen bei jedem Lizenzgeschäft Gebühren für die Verwendung der Datenbank Berkeley DB an Oracle abgeführt werden.

Deshalb suchen die Schweden nach Engine-Alternativen. Und sind offensichtlich schon weiter, als sie bisher publik machten. So erklärte MySQL-Vize-Präsident Zack Urlocker auf der MySQL-User-Konferenz in Santa Clara, Kalifornien, es werde eine neu entwickelte, transaktionale Storage-Engine vorgestellt.

Diese Aufgabe wird Jim Starkey übernehmen, der seit Februar 2006 bei MySQL als Senior Software Architect arbeitet. Starkey gehörte das Unternehmen Netfrastructure, das MySQL damals übernommen hatte. Der Entwickler ist seit 20 Jahren im Datenbankgeschäft tätig; unter anderem stammt von ihm die Datenbank Interbase, die unter dem Namen Firebird als Open-Source-Software erhältlich ist. Des Weiteren war er an der Entwicklung von Datenbanktechniken wie Blobs, Event-Alerters und Multi-Version-Concurrency-Kontrolle beteiligt. Starkey begann bei DEC in den 80er-Jahren; dort entwarf er die Datenbank Datatrieve.

Unabhängig davon kündigte der finnische Softwerker Solid Information Technology (www.solid tech.com) an, seine bis dato proprietäre Technik "Online Transaction Processing" (OLTP) unter die GPL stellen zu wollen. MySQL könnte diese Technik für seine Unternehmensdatenbank einsetzen.

Laut dem finnischen Unternehmen wird ab 24. April ein Prototyp der "Solid DB Storage Engine for MySQL" zum Download bereitstehen. Dem Plan zufolge folgt im Juli 2006 der Quelltext, und im vierten Quartal 2006 soll das fertige Produkt ausgeliefert werden. Die "Solid DB" enthält unter anderem eine Multi-Version-Concurrency-Kontrolle, volle Transaktionsunterstützung und Online-Backup-Funktionen. Dem Unternehmen zufolge läuft die Storage-Engine weltweit rund drei Millionen Mal in Produkten von Herstellern wie Alcatel, Cisco, HP oder NEC. Beispielsweise wird sie in TK-Netzen, medizinischen Geräten oder Kassensystemen eingesetzt.

Es läuft also wieder bei den Schweden. Dass sie dennoch als möglicher Übernahmekandidat im derzeit schnell kreisenden Linux-Übernahmekarussell gehandelt werden, wissen sie. So lässt CEO Marten Mickos bewusst offen, was er von dem Gerücht hält, Red Hat könnte sich die Schweden einverleiben. "Fragen Sie Red Hat", antwortete er der IDG-Korrespondentin China Martens kurz vor der MySQL-Anwenderkonferenz. "Unsere Geschäfte laufen prächtig."

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