"Nach 20 Jahren IT-Erfahrung ist mir das Speicherzeug nicht fremd"

14.03.2002
Seit Anfang des Jahres hat der Speicherriese EMC einen neuen Deutschland-Geschäftsführer, nachdem Adrian McDonald übergangsweise die Geschäfte der deutschen Niederlassung leitete. ComputerPartner- Redakteurin Christine Robl sprach mit Wolfgang Kroh über seinen Job, die Partner und Zukunftsstrategien.

Herr Kroh, wie wird man EMC-Geschäftsführer?

Kroh: Eines Tages bekommt man einen Anruf und wird gefragt: "Möchten Sie über eine interessante Position mit uns reden?" Eigentlich hatte ich keine Lust. Aber dann wurde gesagt: "Ja, aber wir glauben, dass du genau der Richtige bist für den Geschäftsführerposten bei EMC." Dann spricht man sehr intensiv mit wichtigen Leuten bei EMC und schaut, ob man zueinander passt. Letztendlich wägt man die Chancen und Risiken ab und sieht, die Risiken sind minimal, die Chancen sehr groß. Dann muss man den inneren Schweinehund überwinden, ganz locker gesagt, und dann wird man das.

Aber ist es nicht auch ein Risiko, eine Position zu verlassen, in der man zufrieden war und in einen anderen Bereich zu wechseln? Denn aus dem Speichergeschäft kommen Sie ja nicht.

Kroh: Nein, aus dem Speichergeschäft komme ich nicht. Aber ich habe 20 Jahre IT-Erfahrung und da ist mir das Speicherzeug nicht fremd. Ich habe sowohl im Hardware- als auch im Softwareumfeld und genauso im Projekt- und Servicegeschäft gearbeitet. Insofern, glaube ich, biete ich die Fähigkeiten, die EMC voraussetzt.

Wie gefällt Ihnen der Job bis jetzt?

Kroh: Bis jetzt sehr gut.

Aber Sie machen jetzt was ganz anderes als bei ihrem alten Arbeitgeber.

Kroh: Es ist nicht ganz anders. Natürlich hat jeder Job eine andere Facette. Aber ich habe immer für amerikanische Firmen gearbeitet und insofern ist mir die amerikanische Management-Philosophie sehr bekannt. Bei LHS habe ich 500 Mitarbeiter geführt, jetzt sind es 850. Allein das Geschäftvolumen ist signifikant größer. Aber ich bin nicht negativ überrascht worden, im Gegenteil: ich bin positiv überrascht von der gezielten Fokussierung bei EMC in Richtung Kundenzufriedenheit.

Sie sprachen von der amerikanischen Management-Philosopie. Wie abhängig sind sie von den Amerikanern in ihren strategischen Entscheidungen?

Kroh: Wir sind eine deutsche Tochtergesellschaft und gehören zu 100 Prozent der EMC Corporation. Selbstverständlich sind wir in die globale Strategie eingebunden. Das wollen wir aber auch. Wichtig ist, dass die gesamte Firma in die gleiche Richtung marschiert. Selbstverständlich gibt es genug Freiheiten, um auf die lokalen Marktbedürfnisse einzugehen.

Wie sieht zukünftig das Geschäft mit den Partnern aus?

Kroh: Wir haben eine ganz klare Partnerstrategie: Wir wollen das Geschäft mit den Partnern erweitern. Wie werden zwar nicht deren Anzahl erhöhen, aber wir werden insbesondere mit den Key-Partnern noch intensiver zusammenarbeiten, bei der gemeinsamen Betreuung der Kunden.

Betreut EMC bestimmte Kunden direkt, ohne Partner?

Kroh: Wir betreuen in Deutschland die Top-100 direkt. Das sind Unternehmen, die einen mindestens dreistelligen Millionenumsatz aufweisen. Aber ich glaube, dass ein reinrassiger Direktkunde, bei dem nicht in irgendeiner Form ein Partner involviert ist, gar nicht mehr existiert. Auch eine EMC-Direktlösung braucht die Partner. Oder der Partner ist bei dem Kunden in anderen Projekten aktiv.

Wer sind die wichtigsten deutschen Parnter?

Kroh: Das sind Fujitsu Siemens, Comparex und GE Compunet als globale Partner. Dell spielt eine besondere Rolle im NT-Umfeld. Aus dem Bereich Systemintegration sind das die so genannten "Big Five", zu denen zum Beispiel Cap Gemini und KPMG zählen. Dann gibt es Partner im Outsourcing-Bereich wie die EDS oder T-Systems.

Welchen Support bieten Sie Ihren Partnern?

Kroh: Den identischen Support wie den Direktkunden. Das heißt, wir unterstützen sie in der Verkaufsphase, in der Beratungsphase und mit unseren Mitarbeitern während der Projektabwicklung. Insofern ist der Partner für uns wie ein Kunde.

Aber Sie wollen keine neuen Partner dazugewinnen?

Kroh: Nicht unbedingt. Ich bin der Meinung, dass es wichtiger ist, mit wenigen Partnern sehr effizient zusammenzuarbeiten, als mit vielen Partnern nur einmal sporadisch.

Wie steht es mit der Partnerschaft zu Dell? Gibt es deswegen Konflikte mit den anderen Partnern? Die meisten sind ja nicht gerade Freunde des Direktvermarkters.

Kroh: Das weiß ich nicht, ob die begeistert sind von Dell. Natürlich ist es so, dass die sich im Wintel- und Servermarkt heiß umkämpfen. Aber die Partnerschaft mit Dell hat für uns den Vorteil, dass Dell unsere Produkte in ein Marktsegment hineinbringt, in dem wir vorher nur wenig aktiv waren.

Um welches Marktsegment handelt es sich?

Kroh: Das Marktsegment der Wintel-Server-Umgebungen, NT-basierende Server. Da wo Compaq klassischerweise verkauft.

Mit welchen Produkten adressieren Sie dieses Segment?

Kroh: Dell verkauft natürlich nach wie vor Server und PCs, aber gleichzeitig auch die Speicherlösungen Clariion von EMC als Gesamtlösung in den Projekten.

Die Computerwoche fragt in einer Überschrift: "Schafft EMC mit neuer Technik das Comeback?". Inwiefern meinen Sie, hat EMC ein Comeback nötig?

Kroh: Wenn man den Markt betrachtet, haben wir nach wie vor eine sehr gute Position. Wir sind nach wie vor Marktführer. Das Comeback bezieht sich sicherlich darauf, dass wir im Jahr 2001 eine so genannte Wachstumsdelle im Umsatz und im Profit hatten. Insofern ist ein Comeback sicherlich gerechtfertigt. Es lässt sich aber nicht darauf beziehen, dass wir eine schwächere Marktposition hätten.

Worauf führen Sie die Verluste im letzten Jahr zurück?

Kroh: Die Investitionsbereitschaft im vergangenen Jahr war nicht so hoch, wie sie 2000 prognostiziert wurde. Der gesamte Speichermarkt ist um gut 20 Prozent gefallen, und natürlich können wir uns dem nicht entziehen.

Hat die deutsche Tochter auch Verluste erwirtschaftet?

Kroh: Wir haben in Deutschland, einhergehend mit der globalen Umsatzentwicklung, unsere Umsatzziele nicht erreicht. Über Verluste der deutschen Tochter kann ich nichts sagen.

Wie sieht EMCs Strategie aus, zukünftigen Geschäftserfolg zu sichern?

Kroh: Wir haben die interne Organisation umstrukturiert. Die Amerikaner haben alle Produkte einer Linie in einer Business-Unit zusammengefasst. Das heißt, wir haben jetzt jeweils eine verantwortliche Business-Unit für die gesamte Hardware, eine für die Softwareentwicklung und eine für Services. Früher gab es für fast jedes Produkt eine eigene Entwicklungsabteilung, die haben wir zusammengefasst, um mehr Synergien zu erzielen.

Besonderes Gewicht soll zukünftig der Softwarebereich erhalten. Aber als Softwarehersteller ist EMC nicht gerade bekannt.

Kroh: Genau das ist der Punkt. Wir müssen dem Markt transparent machen, dass wir schon immer eine starke Softwarekomponente hatten. Wir wollen weg vom Image des reinen Hardwareherstellers. Wir sind eine Firma, die überzeugt ist, Lösungen zu verkaufen, und diese bestehen aus Hardware, Software und Service. Der Softwarefokus wird noch stärker werden. Das Verwalten der Information wird zukünftig viel wichtiger werden, als das Halten und Speichern.

Welchen Stellenwert wird der Service zukünftig haben?

Kroh: Der Kunde bekommt den bestmöglichen Service, das ist unsere Philosophie. Deshalb haben wir auch die höchste Zufriedenheitsrate in der Industrie.

Aber dafür auch höhere Preise...

Kroh: Das möchte ich so nicht sagen. Natürlich sind die Geräte nicht billig, aber ich glaube, dass sie für die Leistung, die sie erbringen, einen vernünftigen Preis haben.

Wie regagiert EMC auf den momentanen Preisdruck im Markt?

Kroh: Indem wir das Preis-Leistungsverhältnis optimieren. Der Kunde hat Anforderungen der unterschiedlichsten Art, was Speichersysteme betrifft. Je nach Wunsch wollen wir das richtige Produkt positionieren und der Preisdiskussion letztendlich ein bisschen entfliehen.

Wie stellt sich EMC der Herausforderung plattform-übergreifender Konzepte?

Kroh: Eigentlich möchten wir nicht nur eine singuläre EMC-Infrastruktur betrachten. Vielmehr sind wir der Meinung, dass wir eine Informations-Management-Company sind, die den Kunden in die Lage versetzt, Informationen herstellerübergreifend verwalten zu können - deshalb das Auto-IS-Konzept. Damit geben wir dem Kunden ein Werkzeug in die Hand, mit dem er nicht nur die Informationen auf den EMC-Systemen managen kann, sondern auch auf Geräten von IBM- oder Hitachi Data Systems.

Sehen Sie in der Offenheit nicht auch eine Gefahr?

Kroh: Ich glaube, die Gefahr wird uns von vielen einzureden versucht. Wenn sie sich andere Systeme der offenen Welt anschauen, zum Beispiel Unix, werden sie feststellen, dass der Markt durch die offenen Systeme erweitert und nicht verkleinert wurde. Insofern sehe ich die Gefahr weniger. Ich sehe eher die Chance, dass wir eine ganz andere Dimension des Informationsmanagements einleiten können.

Lebenslauf

Wolfgang Kroh

Seit Anfang des Jahres ist Wolfgang Kroh Geschäftsführer der EMC Deutschland GmbH. Er trat die Nachfolge von Adrian McDonald an, der die Position vorübergehend übernommen hatte. Vor seinem Einstieg bei dem Anbieter von Speichersystemen war Kroh als Senior Vice President und General Manager bei Digiquant für die EMEA-Region (Europe, Middle East, Africa) verantwortlich. Davor war der 48-jährige bei der LHS GmbH beschäftigt, wo er als Geschäftsführer begann und später zum Senior Vice President und General Manager aufstieg.

Direkt nach seinem Studium der Mathematik und Informatik an der Technischen Universität Hannover nahm er verschiedene Positionen bei Control Data und Convex Computer ein. (ce)

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