Nach dem Bruch mit IBM:Westernacher kämpft weiter

19.10.2000
Die Westernacher AG sieht sich von ihrem Geschäftspartner IBM finanziell geschädigt und beantragt das Insolvenzverfahren. Grund für diese drastische Maßnahme: Kündigung eines Millionenkredits durch die IBM-Bank.

Nach über 30-jähriger Tätigkeit als Anbieter von Software-Lösungen für Indus-trie, Handel, Bau und den öffentlichen Dienstleistungssektor und nach 25 Jahren als IBM-Partner steht die Westernacher AG vor dem Aus. Dafür sorgte die IBM-Kreditbank: Sie kündigte dem langjährigen Partner einen Kredit in Millionenhöhe.

Diesen Kredit nahm die Westernacher AG Ende 1999 in Anspruch, um den Bereich Finance Solutions von der IBM-Tochter CGI Informatik GmbH zu erwerben. Als Motiv für diese Akquisition galt die Business-Software von CGI, "I-Linie CS". Leider erwies sich dieses Produkt für Rechnungswesen, Finanzbuchhaltung und Kostenrechnung schon bald nach dem Kauf als unbrauchbar, der tatsächliche Fertigstellungsgrad der Software wich laut Westernacher erheblich von dem versprochenen ab.

Unreife Software

"Das kam für uns völlig unerwartet", so der Firmengründer Arnd Westernacher gegenüber <B>ComputerPartner</B>. "Immerhin hat die CGI das Produkt bereits 15 Mal verkauft und auch schon zum Teil installiert, so dass wir vorhatten, es sofort zu vermarkten."

So hat also Westernacher neben den 38 Mitarbeitern der CGI-Sparte auch deren Kunden übernommen. Doch im ersten Quartal 2000 häuften sich auf einmal die Klagen bei den Abnehmern von I-Linie/ CS. "Die zum Teil auftretenden massiven Probleme mussten wir dann ausmerzen", so der Firmenchef weiter, "in dem damaligen Zustand konnten wir das Produkt nicht mehr vertreiben."

So sah sich Westernacher gezwungen, erstmals erhebliche Vorleis-tungen in der Weiterentwicklung der Software zu erbringen: "Das hat uns nochmal vier Millionen Mark gekostet!" Dies hatte zur Folge, dass sich der Zeitpunkt der Markteinführung der Business-Lösung erheblich verzögerte. "Und gerade jetzt, wenn das Produkt endlich Marktreife erlangt hat, kündigt uns IBM den Kredit", klagt Westernacher sein Leid. Außerdem seien all seine Kunden von Big Blue aufgefordert worden, künftige Zahlungen ausschließlich an IBM zu leisten.

IBM wollte hierzu keine Stellung abgeben, nur soviel: "Wir haben eine andere Sicht der Dinge. Das Ganze ist aber zu politisch, um es zu kommentieren."

Rechtliche Schritte gegen IBM eingeleitet

Die Bitternis in Westernachers Worten ist jedenfalls unüberhörbar: "Kunden, die die "runderneuerte" Version unserer Software erhalten haben, waren damit rundum zufrieden." Doch es half nichts, am vergangenen Freitag musste der Vorstand einen Insolvenzantrag stellen. In diesen Tagen bekommen nun die Karlsruher einen Insolvenzverwalter zugeteilt.

Aber Westernacher gibt sich noch nicht geschlagen: "Gegenüber IBM haben wir nun rechtliche Schritte in Form eines Mahnbescheids eingeleitet. Wir werden dafür kämpfen, dass es weiter geht. Es geht doch schließlich auch um unsere Kunden! Wir hoffen, dass der Konkursverwalter eine einvernehmlich Lösung findet", gibt sich der Vorstand gegenüber ComputerPartner zuversichtlich.

Er glaubt, dass die wesentlichen Bestandteile seiner Firma überlebensfähig sind: "Es könnte zum Beispiel eine Auffanggesellschaft ins Leben gerufen werden, um den Fortbestand der Firma zu sichern. Immerhin haben wir noch genügend Substanz an Kunden und Produkten. Schließlich geht es auch um unsere 150 Mitarbeiter", gibt Westernacher zu bedenken.

Potentiellen Investoren macht er jedenfalls seine Firma schmackhaft: "Es wird auf jeden Fall billiger, als wenn man uns vorher hätte kaufen wollen." So bleibt zu hoffen, dass sich ein Investor findet oder der Insolvenzverwalter genügend Substanz in dem Unternehmen entdeckt, damit es einen Überbrückungskredit erhält. (rw)

www.westernacher.de

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Westernacher und IBM

Das Ende kam nach der Silberhochzeit

25 Jahre lang war die Wersternacher AG der IBM ein treuer Partner. Sie betreute Projekte im AS/400-Umfeld und entwickelte darin Software für die Bereiche Finanz- und Anlagenbuchhaltung, Gehaltsabrechnung und Kostenkontrolle für den Mittelstand. Vor allem Unternehmen aus der Industrie, dem Handel, Bauwesen, dem Dienstleistungssektor und der öffentlichen Verwaltung gehören zu Kunden des Karlsruher Software-Hauses.

Westernacher trat dabei als IBM-Advanced-Business-Partner und Lotus-Premier-Partner in Erscheinung. In den Segmenten Groupware und Dokumenten-Management verdiente sich das Software-Haus als Systemintegrator seine Sporen. 1999 setzte die Firma 42 Millionen Mark um und beschäftigt derzeit 150 Mitarbeiter. (rw)

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