Nach dem Comet-Verkauf an Baan wittern die Wettbewerber ihre Chance

11.07.1997
MüNCHEN: Vor einigen Wochen verkaufte Siemens Nixdorf ihre Software-Abteilung Comet an den holländischen Softwareanbieter Baan Company N.V. Für Wettbewerber wie etwa Integral-Geschäftsführer Hakan Berglund ist das eine gute Gelegenheit, die Unsicherheit der Comet-Anwender in bezug auf die Zukunft des Produkts für sich zu nutzen.Das Anwendungspaket Comet war einst ein Synonym für den Erfolg des damals mittelständischen deutschen Computerhersteller Nixdorf. Mit der Übernahme aller Comet-Aktivitäten durch den holländischen Softwareanbieter Baan Company N.V. wird jetzt das vorerst letzte Kapitel des einstmals innovativen mittelständischen Fertigungssystems aufgeschlagen. Für die Anwender stellt sich nun die Frage, mit welchem Zug die Reise weitergeht oder ob sie mit der Nixdorf-Hinterlassenschaft gar aufs Abstellgleis fahren.

MüNCHEN: Vor einigen Wochen verkaufte Siemens Nixdorf ihre Software-Abteilung Comet an den holländischen Softwareanbieter Baan Company N.V. Für Wettbewerber wie etwa Integral-Geschäftsführer Hakan Berglund ist das eine gute Gelegenheit, die Unsicherheit der Comet-Anwender in bezug auf die Zukunft des Produkts für sich zu nutzen.Das Anwendungspaket Comet war einst ein Synonym für den Erfolg des damals mittelständischen deutschen Computerhersteller Nixdorf. Mit der Übernahme aller Comet-Aktivitäten durch den holländischen Softwareanbieter Baan Company N.V. wird jetzt das vorerst letzte Kapitel des einstmals innovativen mittelständischen Fertigungssystems aufgeschlagen. Für die Anwender stellt sich nun die Frage, mit welchem Zug die Reise weitergeht oder ob sie mit der Nixdorf-Hinterlassenschaft gar aufs Abstellgleis fahren.

Hakan Berglund, Geschäftsführer des mittelständischen Softwareanbieters Integral Software und Service GmbH in Neu-Isenburg, war in den achtziger Jahren bei Nixdorf in die Entwicklung von Comet involviert. Er sieht in dem jetzigen Dilemma eine günstige Gelegenheit, zwei Fliegen mit einer Klappe zu schlagen: "Bekannt ist, daß in vielen Unternehmen mit älterer Software das Jahr 2000 mit einem Datenfiasko beginnen wird. Unbekannt ist, wer davon betroffen sein wird. Immerhin bietet die noch von SNI entwickelte Comet-Version 3.2 Jahr-2000-Funktionalität. Tatsächlich jedoch hilft sie nur wenigen Anwendern aus der Patsche, denn die umfangreichen Modifikationen zum Standard werden dadurch nicht notwendig abgedeckt", erklärt der Integral-Geschäftsführer.

Oft sind es jedoch gerade die zahlreichen branchenspezifischen Zusatzprogramme, die den Wert der Comet-Programme für die Anwender ausmachen. An ihren Problemen mit dem Jahrtausendwechsel ändert sich zunächst noch nichts durch den Eigentümerwechsel.

Wohl aber verspricht Baan, nun die ALX-Comet-Kunden auf eine Technologie-Plattform zu migrieren, die die Anforderungen von Jahr-2000 und Euro voll erfüllt. Man sei mit SNI übereingekommen, die derzeitige Version aufrechtzuerhalten und auch den Release-Fahrplan einzuhalten, was die Anforderungen von Euro und Jahr-2000 beinhalte.

Deutlich herauszuhören ist vor allem aus der Formulierung, die ALX-Comet-Kunden seien bei Baan in besten Händen, wenn sie nach einer neuen Klasse von ERP-Lösungen verlangten, daß in den Comet-Kunden vor allem ein Potential zum Umstieg auf das Baan-eigene Software-Produkt gesehen wird.

Tatsächlich ist der kostengünstigste Fahrschein ins nächste Jahrtausend für viele Anwender möglicherweise der rechtzeitige Ersatz der alten Bummelzug-Software durch eine zeitgemäße integrierte Komplettlösung. Mit der Orientierung der Comet-Kundschaft auf Baan-Software scheinen die alten und neuen Eigentümer zu zeigen, daß der Zug von Comet bereits abgefahren ist. Das Kundenpotential ist nun auf den Gleisen des Verschiebebahnhofes der internationalen Software-Industrie unterwegs, um die sich die führenden Anbieter streiten.

Wiederum Mittelstand

Karl-Heinz Voß, Präsident Zentraleuropa von Baan, sieht sich dabei im Vorteil: "Durch die Übernahme der ALX-Comet-Aktivitäten wird die Baan Company ihre führende Rolle in dem besonders großen und interessanten Markt des Mittelstandes in Europa weiter ausbauen." Dabei ist nicht mehr vom Produkt Comet die Rede, sondern von "Aktivitäten".

Damit jedoch stellt sich für viele Anwender des Comet-Systems die grundsätzliche Frage nach dem Zug in die Zukunft. Und welche Bahngesellschaft das Ticket verkaufen soll, denn der Markt wartet durchaus mit alternativen Anschlußzügen auf. Vor allem mittelständischen Fertigern und Zulieferern empfiehlt Integral-Chef Berglund, die Frage nach einer neuen geeigneten Software für ihr Unternehmen völlig unabhängig von markttaktischen Erwägungen der Software-Industrie zu stellen: "Baan ist nicht das einzige Unternehmen am Markt, das über Erfahrung in der Comet-Migration verfügt. Unsere modular strukturierte und voll integrierte Client-Server-Lösung bietet eine zielgruppengerechte PPS-Funktionalität. MFG/PRO läuft auf gängiger Hardware und Betriebssystemen -___unter anderem auch auf der von SNI."

Der Zug zur Umstellung ist noch nicht abgefahren, aber Projekte müssen jetzt auf die Bahn gebracht werden, wenn sie vor dem Jahr 2000 abgeschlossen sein sollen. Eingedenk des knappen Zeitfensters gewinnt die Realisierung einer kurzen Implementationszeit an Bedeutung. Hier sollten Erfahrungswerte anderer Anwender zu Rate gezogen werden, da sich unterschiedliche Software-Lösungen hier besonders stark unterscheiden.

Berglund verweist gerne auf die Rosenberg Ventilatoren Rhein-Ruhr. Der Comet-Anwender mochte den Beteuerungen seitens SNI zur zukünftigen Jahr-2000- und Euro-Fähigkeit nicht mehr recht trauen. Binnen einem Monat löste im November 1996 MFG/PRO des amerikanischen Softwareherstellers QAD die Comet-Software ab. Die kurze Umstellungszeit erklärt sich aus den vergleichsweise überschaubaren Anforderungen, da Rosenberg Rhein-Ruhr ein reines Handelshaus ist und somit nur die Distribution, nicht aber auch die

Produktion DV-technisch abbilden mußte. Die Daten aus der Comet-Datenbank konvertierte der Anwender selbst.

Komplizierter wird eine Umstellung, wenn auch die Produktion mit Qualitätssicherung sowie Kapazitätsplanung mit MRP-Lauf (Material Requirement Planning) eingebunden werden soll. Aber auch diese Anforderungen lassen sich in einem überschaubaren Zeitrahmen bewältigen, wie die DV-Umstellung bei WakoChemicals, der in Neuss ansässigen Tochter eines japanischen Chemiekonzerns, zeigt. Wako vertreibt diagnostische Reagenzien und Spezial-Chemikalien für Krankenhäuser, Laboratorien und Apotheken und konnte MFG/PRO mit wenigen standardisiert eingestellten Parametern starten. Zu der seit 1988 eingesetzten Nixdorf-Software Comet-TOP hatte Wako eine Chargenverwaltung individuell programmieren lassen. Dennoch wurde beides in weniger als sechs Monaten durch MFG/PRO ersetzt. Weil die für die Serienfertigung entwickelte Software eine ausgeprägte Branchenausrichtung vorweisen kann, entsprach auch die vorhandene Chargenverwaltung und EDI-Integration ganz den Bedürfnissen. Zur Bewältigung des Jahr-2000-Problems gesellte sich so ein technologischer Quantensprung.

Wer jetzt wegen des Jahr-2000-Problems seine funktionierende Comet-Lösung zum alten Eisen schiebt, sollte daher die Gelegenheit nutzen und gleich in die Zukunft des eigenen Unternehmens investieren. "Für Comet-Anwender gibt es eigentlich keinen Grund, die Fahrt auf den Verschiebebahnhof mitzumachen", meint Berglund. Der administrative Kern von Comet lasse sich mit ein paar neuen Schnittstellen rasch ersetzen. Die eigentliche Herausforderung stellten die zahlreichen individuellen PPS- und Branchenlösungen, die seinerzeit an das Nixdorf-Produkt gekoppelt wurden, dar.

Hier sieht sich der Integral-Geschäftsführer gut vorbereitet: "Wir haben bereits Projekterfahrung mit Comet-Ablösungen, eine erstklassige ERP-Lösung und dazu eine herausragende EDI-Integration für Supply-Chain-Management und MRP."

Mchael Frenzel

Der Autor ist Fachjournalist in Köln und war früher Geschäftsführer eines Systemhauses ebenfalls in Köln

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