Nach dem Ringetausch zwischen Softbank und Kingston: Vernunftehe mit viel Leidenschaft

20.09.1996
FOUNTAIN VALLEY/CALIFORNIEN: Rund 1,5 Milliarden Dollar blätterte der japanische IT-Mischkonzern Softbank auf den Tisch, um eine 80prozentige Mehrheit des bisher in Privatbesitz befindlichen amerikanischen Speichermodul-Herstellers Kingston Technology zu erlangen. Der selbst für eingefleischte Marktbeobachter völlig überraschende Coup des Softbank-Gründers Mayoshi Son bedeutet jedoch bei genauerem Hinsehen für beide Parteien einen Riesenschritt nach vorne.Als Mitte August der milliardenschwere Deal des mächtigsten japanischen Software-Distributors Softbank mit einem der weltgrößten Memory-Board-Produzenten Kingston Technology bekannt wurde, geriet die Fachwelt ins Staunen und spekulierte heftigst über die Hintergründe der Übernahme nach: "Warum steigt Softbank in das knallharte und mit rasiermesserscharfen Margen operierende Hardware-Geschäft ein? Warum legt Softbank 1,5 Milliarden Dollar - davon eine Milliarde in cash - für ein Unternehmen auf den Tisch, dessen letztjähriger Umsatz gerade mal der Kaufsumme entspricht? Und warum wurden die beiden Kingston-Gründer John Tu und David Sun, die sich jahrelang energisch gegen einen Aufkauf oder Börsengang wehrten, ausgerechnet bei Softbank weich? Steckte Kingston etwa doch in einer tiefen Finanzkrise? Nehmen Tu und Sun den Verkauf als Anlaß, um sich aus dem Speicher-Geschäft zu verabschieden?" Diese und ähnlich hypothetische Fragestellungen kursierten und kreisen noch immer in der Branche. "Die ganze Geschichte ist viel einfacher als die meisten glauben wollen", erklärt David Sun, der zusammen mit John Tu auch in Zukunft die Geschicke von Kingston leiten wird, gegenüber ComputerPartner. "Sie spiegelt in höchstem Maße unsere Unternehmensphilosphie wieder. Menschen sind uns wichtiger als Produkte und Profite", führt Sun aus, der Geschäftsverträge nach wie vor am liebsten ohne schriftliche Abmachungen, sondern per bloßem Handschlag abschließt. "Letztendlich ging es darum, daß wir unserer Familie eine gesicherte Zukunft bieten wollen. Denn das ist die Pflicht gegenüber unseren Mitarbeitern, Kunden und Partnern", so Sun weiter. Bekundungen wie diese mögen - zumindest bei den in westlicher Tradition verwurzelten Beobachtern - auf tiefe Verwunderung oder gar Skepsis stoßen.

FOUNTAIN VALLEY/CALIFORNIEN: Rund 1,5 Milliarden Dollar blätterte der japanische IT-Mischkonzern Softbank auf den Tisch, um eine 80prozentige Mehrheit des bisher in Privatbesitz befindlichen amerikanischen Speichermodul-Herstellers Kingston Technology zu erlangen. Der selbst für eingefleischte Marktbeobachter völlig überraschende Coup des Softbank-Gründers Mayoshi Son bedeutet jedoch bei genauerem Hinsehen für beide Parteien einen Riesenschritt nach vorne.Als Mitte August der milliardenschwere Deal des mächtigsten japanischen Software-Distributors Softbank mit einem der weltgrößten Memory-Board-Produzenten Kingston Technology bekannt wurde, geriet die Fachwelt ins Staunen und spekulierte heftigst über die Hintergründe der Übernahme nach: "Warum steigt Softbank in das knallharte und mit rasiermesserscharfen Margen operierende Hardware-Geschäft ein? Warum legt Softbank 1,5 Milliarden Dollar - davon eine Milliarde in cash - für ein Unternehmen auf den Tisch, dessen letztjähriger Umsatz gerade mal der Kaufsumme entspricht? Und warum wurden die beiden Kingston-Gründer John Tu und David Sun, die sich jahrelang energisch gegen einen Aufkauf oder Börsengang wehrten, ausgerechnet bei Softbank weich? Steckte Kingston etwa doch in einer tiefen Finanzkrise? Nehmen Tu und Sun den Verkauf als Anlaß, um sich aus dem Speicher-Geschäft zu verabschieden?" Diese und ähnlich hypothetische Fragestellungen kursierten und kreisen noch immer in der Branche. "Die ganze Geschichte ist viel einfacher als die meisten glauben wollen", erklärt David Sun, der zusammen mit John Tu auch in Zukunft die Geschicke von Kingston leiten wird, gegenüber ComputerPartner. "Sie spiegelt in höchstem Maße unsere Unternehmensphilosphie wieder. Menschen sind uns wichtiger als Produkte und Profite", führt Sun aus, der Geschäftsverträge nach wie vor am liebsten ohne schriftliche Abmachungen, sondern per bloßem Handschlag abschließt. "Letztendlich ging es darum, daß wir unserer Familie eine gesicherte Zukunft bieten wollen. Denn das ist die Pflicht gegenüber unseren Mitarbeitern, Kunden und Partnern", so Sun weiter. Bekundungen wie diese mögen - zumindest bei den in westlicher Tradition verwurzelten Beobachtern - auf tiefe Verwunderung oder gar Skepsis stoßen.

"Wir sind eine große Familie"

Doch wer jemals die Gelegenheit hatte, einen der Firmengründer kennenzulernen, Mitarbeiter des Unternehmens zu sprechen oder Geschäftspartner nach deren Zusammenarbeit mit Kingston zu befragen, wird diese Geisteshaltung besser nachvollziehen können: Die beiden Asiaten Sun und Tu reden nicht nur über ihr fernöstliches Weltverständnis, in dem der Mensch der Mittelpunkt aller Bemühungen ist, sondern sie leben es für jeden spürbar vor. Wer mit Kingston in Kontakt steht, wird durch die beiden "Väter" Tu und Sun, aber auch durch alle anderen Kingstonmitarbeiter, stets wie ein Familienmitglied behandelt. "Ich arbeite seit Jahren ohne jeglichen Vertrag mit Kingston zusammen. Ich bin noch nie enttäuscht worden, und alle Abmachungen die wir bisher trafen, sind immer eingehalten worden. Unsere Partnerschaft ist durch hohes Vertrauen und gegenseitige Achtung geprägt", schwärmt ein deutscher Geschäftspartner. Das intensive Bemühen um das Wohlergehen der "Familienmitglieder" spiegelt sich in der gesamten Unternehmenskultur und jeglichem Geschäftsgebaren wieder. Beispiel dafür ist sicherlich auch die Personalfluktuation des Unternehmens. Sie liegt bei nahezu null Prozent, betriebsseitige Kündigungen sind bisher nicht bekannt geworden.

Wohin man im Firmengebäude den Blick auch schweifen läßt, stets erblickt man Gesichter, die ein ungewohntes Maß an Zufriedenheit ausstrahlen. Gespräche mit Beschäftigten enden fast immer beim Thema Unternehmensphilosophie. Stets sind die Mitarbeiter Feuer und Flamme, sobald der Name Kingston fällt, und mit glänzenden Augen wissen sie eine Vielzahl von Anekdoten zu erzählen, die sich allesamt darum ranken, wie geradezu liebevoll und aufopfernd sich Sun und Tu um jeden kümmern, der sie umgibt. "Ich habe in den acht Jahren seit ich bei Kingston arbeite noch nie erlebt, daß John oder David einen Mitarbeiter getadelt haben. Wenn jemand Fehler macht, sagen sie immer ,wir haben dich falsch eingesetzt und müssen sehen, daß wir dich an einer anderen Stelle im Unternehmen einsetzen, damit du dein Potential und Wissen besser einsetzen kannstÈ", erzählt ein Angehöriger der Firmenzentrale.

Beeindruckend ist auch der Pro-Kopf-Umsatz der rund 500 weltweit für Kingston tätigen Mitarbeiter. Er liegt bei 2,6 Millionen Dollar pro Jahr! Zum Vergleich: Angestellte beim Ölkonzern Exxon bringen es auf etwa 1,2 Millionen Dollar, beim Prozessorriesen Intel oder Softwarekrösus Microsoft liegt er gar unter 0,5 Millionen Dollar, was in dieser Branche schon als übermäßig hoch zu bezeichnen ist.

"Bill Gates ist unser bester Mitarbeiter"

Auch die Art und Weise, wie es zu der mehrheitlichen Beteiligung von Softbank an Kingston kam, klingt wie eine Geschichte von einem anderen Stern. "Das Geschäft mit Memory-Boards ist das leichteste der Welt. Man braucht nur eine einzige Komponente und das ist der Speicherchip. Den kaufen wir in großen Mengen bei Produzenten wie Hitachi, NEC, Toshiba oder Samsung ein, packen ihn auf eine Platine und verkaufen das ganze als Speichermodul. Mehr nicht", erklärt Sun. En passant sei vermerkt, daß Tu derartige Einkäufe und Vereinbarungen normalerweise während diverser Golfmatches mit den Firmenchefs - per Handschlag versteht sich - tätigt. "Der Rest läuft eigentlich von ganz alleine, wir brauchen nicht viel zu tun. Der Bedarf an Speicher wächst kontinuierlich, alle zwei bis drei Jahre verdoppelt sich der Bedarf. Die Softwareindustrie ist unser Motor und Leute wie Bill Gates sind somit eigentlich unsere besten Mitarbeiter", so der Kingston-Chef weiter, der seit Gründung 1987 durchschnittliche Umsatzsteigerungen von über 90 Prozent pro Jahr für das Unternehmen vorweisen kann. "Doch ein Geschäft wie dieses ruft jede Menge Nachahmer auf den Plan und unsere Mittbewerber haben in den letzten Jahren vor allem im Servicebereich - unserer eigentlichen Domäne - mächtig dazugelernt. Sie sind uns immer dichter auf den Fersen. Es wurde also Zeit, daß wir etwas unternehmen", schildert Sun die gemeinsamen Überlegungen mit seinem Partner Tu. "Nachdem wir in den USA sehr stark sind, im Europageschäft immer besser werden, bleibt eigentlich nur noch der asiatische und dort insbesondere der japanische Markt übrig, den es zu erobern gibt. Aber wir wußten natürlich auch, daß das der härteste Markt der Welt ist. Selbst Unternehmen wie Compaq oder IBM kriegen dort kaum einen Fuß auf den Boden. Was wir also brauchten war ein Partner, der uns sehr schnell und mit viel Druck diesen Markt öffnen kann", so Sun weiter. Dabei faßte man den japanischen Distributionsriesen Softbank ins Auge.

Aus einem geplanten Joint-venture wurde mehr

Um ein mögliches Joint-venture mit Softbank in die Wege zu leiten, nutze Tu den obligatorischen Zwischenstopp in Japan auf dem Weg nach China, um sich mit Son zum Dinner zu verabreden. Son soll bereits nach zweistündigem Gespräch sein starkes Interesse an einer "Partnerschaft" verkündet haben, berichtet Sun. Schon in den darauffolgenden Tagen wurde Son in der Firmenzentrale vorstellig - Tu weilte noch in China. Nach einem 30minütigen Rundgang durch die Firma ermunterte Sun den Softbank-Chef, alleine durch die Gebäude zu streifen. "Ich habe ihm gesagt, daß er die Mitarbeiter fragen soll, wenn er die Firma begreifen und verstehen will. Die können das viel besser als ich", schildert Sun das erste und einzige Meeting im Hauptsitz. Son soll begeistert gewesen sein und Tu einige Tage später den Vorschlag gemacht haben, das Unternehmen zu kaufen. "John und ich wollten eigentlich nur ein Joint-venture, mehr nicht. An einen Verkauf hatten wir nie gedacht", erinnert sich der Kingston-Mitbegründer.

Doch spätestens an dieser Stelle wird klar, daß es sich bei dem Deal nicht nur um eine zufällige Liebschaft handelt, die, getragen von leidenschaftlicher gegenseitiger Sympathie in einem rauschenden Verlobungsakt enden sollte, sondern der gegenseitige Blick auf die jeweils mögliche Mitgift der letztendliche Auslöser waren, daß Tu und Sun dahinschmolzen. Die gegenseitigen wirtschaftlichen Interessen endeten statt in einer Liebesheirat dann doch eher in einer Vernunftehe. Kingston ist mit Softbank endlich in der Lage, sich den japanischen Markt zu sichern - was die beiden Gründer als rosige Zukunft und Fortbestand für die Familie sehen möchten - und Son hat eine Cash-cow mehr im Stall stehen, verheißt die Distribution von Software doch zugleich den kontinuierlichen Absatz von Speichermodulen - nunmehr sogar aus dem eigenen Haus. "Klar wußten wir nur zu genau, um wen es sich bei Son handelt und was dahintersteckt. Aus der Sicht von Kingston ist Softbank nichts anderes als ein serviceorientiertes Technologieunternehmen, das über eine sehr mächtige Marketingmaschine verfügt", so Sun. "Und von der profitieren wir natürlich in Zukunft. Denn Softbank hat es geschafft, sich neben seinem Hauptgeschäft als größter Softwaredistributor im japanischen Markt, durch Besitz des Großverlages Ziff-Davis, der US-Computermesse Comdex und der Expo sowie der Internet-Suchmaschine Yahoo eine direkte Einflußnahme auf eine Vielzahl von Meinungsmachern anzueignen. Was kann uns also besseres passieren, beispielsweise im PC-Magazine permanent vertreten zu sein oder auf der Comdex überproportional präsent zu sein?", gibt er unumwunden zu. "Und zusammen passen wir auch prima, denn auch wir sind nichts anderes als ein serviceorientiertes Technologieunternehmen", so Sun weiter gegenüber ComputerPartner.

"Son besitzt uns und wir besitzen ihn"

Daß die beiden IT-Firmen hinsichtlich ihrer Unternehmenskultur auf gleicher Wellenlänge sind, macht Sun, der sich am liebsten in Jeans und T-Shirt mitten im Gewusel der Großraumbüros am Firmensitz aufhält, an einem Beispiel fest. "Eine Partnerschaft kennzeichnet sich dadurch, daß jeder etwas mit einbringt. Zwar hält Son jetzt 80 Prozent am Unternehmen, aber gleichzeitig sind John und ich nunmehr die zweitgrößten Shareholder des Softbank-Konzerns. Wir halten etwas über fünf Prozent und Son mußte somit seine Mehrheit von 51 Prozent aufgeben, obwohl er das niemals tun wollte. Aber wenn man sich gegenseitig vertraut, spielen solche Dinge eben keine Rolle mehr", gibt sich Sun überzeugt.

Finanzielle Schwierigkeiten, in denen Kingston gesteckt haben könnte, seien jedenfalls "reine Spekulationen, die durch nichts zu halten sind", wie Sun sich ausdrückt. Man habe sich seit Bestehen der Firma noch nie auch nur einen Dollar von einer Bank geliehen, versichert er. Das sei nur deswegen möglich gewesen, da Tu und Sun jeglichen Gewinn bis auf den letzten Cent augenblicklich reinvestiert hätten. Probleme mit dem Cash-flow hätte es jedenfalls nie gegeben. Schwer vorstellbar bei diesem Umsatzwachstum.

Bisherige Zusammenarbeit mit Partnern bleibt bestehen

Was die künftige Zusammenarbeit mit den bestehenden Distributoren und Händlern angehe, soll nach Aussage von Sun jedenfalls alles beim alten bleiben. "Wir stehen zu unserem Wort, das wir unseren Partnern in der Vergangenheit gegeben haben. Auch durch den Eigentümerwechsel wird sich daran nichts ändern. Herr Son wird seine Geschäfte leiten und wir die unseren. Das war von Anfang an eine klare Sache und wird von beiden Seiten respektiert", versichert der Kingston-Chef und will auch diese Aussage an einem Beispiel belegt wissen: "Wir haben in Japan einen Exklusiv-Distributor, der unsere Speichermodule für Worksations verkauft. Der hat mich ganz aufgeregt nach der Übernahme angerufen und gefragt, was er denn jetzt machen solle. Ich habe ihm sofort am Telefon zugesichert, daß er sich um seine Existenz keine Sorgen zu machen braucht. Zwar wollte Son ihm anfänglich das alleinige Vertriebsrecht abkaufen, ihn sozusagen entschädigen, aber wir haben Son gesagt, daß das nicht gehe, weil er unser Partner ist und wir ihm versprochen haben, daß er exklusiv verkauft. Jedenfalls behält er dieses Recht, solange sein Vertrag mit uns läuft. Wir versichern unseren Partnern, daß sie, solange sie mit uns zusammenarbeiten, immer gutes Geld verdienen werden. Wir sind zwar nicht die Billigsten im Markt, aber wir garantieren eine zuverlässige und konstante Preispolitik. Unsere Marge stimmt immer. Und das hat noch jeden Händler glücklich gemacht. Also was will man mehr?"

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