Nach GSM-Misere auf der Suche nach neuen Umsatzträgern

26.04.2001
Gewinnwarnungen, Insolvenzverfahren und fehlgeschlagene Finanzierungsrunden prägen die Stimmung in der Mobilfunkbranche. Das Gros der TK-Distributoren versucht nun, mit neuen Strategien drohende Umsatzverluste auszugleichen.

Herzog Telecom ist pleite - dabei hatte der Vorstandsvorsitzende des Unternehmens Sven Herzog noch im vergangenen Herbst mit einem Quar- talsumsatz von 8,3 Millionen Mark stolz eine 400-prozentige Umsatzsteigerung gegenüber dem Vorjahreszeitraum verkündet. Ein Einzelfall?

"Allen Unkenrufen zum Trotz erwarten wir in der Mobilfunkdistribution keinen Einbruch", so das Credo des GSM-Distributors Privatel. Eine Erweiterung des Produktportfolios steht bei dem Unternehmen demnach nicht zur Dis- kussion. Die Hamburger setzen auf Masse; sie glauben, mit einem Mehr an Händlern ihren Umsatz von mittlerweile etwa 250 Millionen Mark pro Jahr noch auszubauen.

Massengeschäft ist passé - der Weg zur Konvergenz

So mancher Wettbewerber beurteilt die Lage allerdings weitaus kritischer. Lorenz H. Becker, seit rund einem Jahr Geschäftsführer der Eno-Telecom, ist über den rund 70-prozentigen Anteil, den das GSM-Geschäft momentan an seinem Umsatz (2000: rund 350 Millionen Mark) ausmacht, überhaupt nicht glücklich. "Wir werden uns neu orientieren. So wollen wir zum Beispiel gemeinsam mit unserer Schwester Eno-Netside Lösungen für das E-Business entwickeln, die dann von Systemhäusern vermarktet werden." Er will in den nächs-ten Monaten einen kleinen, aber feinen Kreis von TK- und vor al-lem IT-Systemhäusern für dieses Projekt akquirieren. Mobile Commerce, E-Commerce, Konvergenz, so lauten die Schlagworte, welche die Zukunft der Nordhorner langfristig sichern sollen.

Ähnlich klingt es auch in Hartmannsdorf. Komsa-Chef Gunnar Grosse formuliert die Ziele für sein Unternehmen kurz und bündig mit "Wireless, Data, Internet". Der Schwede hat schon vor Jahren die Weichen dafür gestellt und sein Unternehmen in verschiedene Bereiche unterteilt. Einige Beispiele: Komsa Solutions GmbH entwickelt Lösungen für das E-Business, das Kompetenz-Center Data-Voice küm- mert sich um die klassischen Konvergenzthemen wie Voice over IP, und die Komsa Data GmbH hat sich Database-Systeme zum Schwerpunkt auserkoren. Noch generiert Grosse den Löwenanteil seines Umsatzes (2000: 600 Millionen Mark) aus dem Distributionsgeschäft; er ist sich allerdings sicher, dass sich diese rund 90 Prozent in den kommenden Jahren nicht halten lassen werden.

Neu ist auch die strategische Ausrichtung bei Platzhirsch NT plus: Klaus Elias, der im vergangenen Herbst Reinhold Stratz als Vorstandsvorsitzender der Gruppe ablöste, arbeitet kräftig an der Restrukturierung. Sein Motto: "Vom Distributor zum Dienstleister". So sollen künftig der kaufmännische Bereich und der technische Service der drei Töchter NT-Plus, Phonet und ABC zentral gesteuert und damit effizienter werden. Der Nebeneffekt: Diese Dienstleistungen wie beispielsweise Logistik, Reparatur oder Support möchte Elias künftig auch Dritten zur Verfügung stellen und damit zusätzliche Umsätze generieren. Anders als sein Wettbewerber Komsa wird Elias allerdings "nicht selbst entwickeln oder produzieren". Letztlich kein Wunder, hat die Gruppe doch bislang damit nur schlechte Erfahrungen gemacht. Die Phonet-Tochter SSC, einst als hochwertiges Sys-temhaus aufgestellt, hatte beinahe ausschließlich für die Mutter gearbeitet - und das zu "bemerkenswerten Kosten und durchschnittlichen Ergebnissen", so Elias. Zum Jahreswechsel wurde das Unternehmen schließlich "liquidiert".

Als künftiges Fokusgeschäft bezeichnete der ehemalige Fujitsu-Siemens-Manager im Gespräch mit ComputerPartner zudem Internet-Lösungen, die er aus den Bereichen Access und Content bündeln wird. Der Vertrieb soll wie gewohnt über den Fachhandel laufen. Aber auch hier betont Elias: "Wir werden das Rad nicht neu erfinden und selbst entwickeln, sondern diesen Bereich über Kooperationen, Mergers und auch Akquisitionen aufbauen." Mögliche Partner sieht er indes nicht in deutschen Gefilden, sondern im Ausland. Den GSM-Markt beurteilt der NT-Plus-CEO wie seine Kollegen mittlerweile recht kritisch. Er sei froh, dass dieser Umsatzanteil in seinem Unternehmen bei "weit unter 50 Prozent" liege.

Weiterhin auf Masse setzt Dangaard Telecom. Das Unternehmen mit Hauptsitz in Dänemark und insgesamt 14 europäischen Niederlassungen hatte nach der Übernahme von Free-Com das hehre Ziel verkündet, die Nummer eins in der GSM-Distribution zu werden. Dangaard generiert rund 50 Prozent seines Umsatzes über den Fachhandel, die andere Hälfte kommt von den Flächenmärkten wie beispielsweise der Metro-Gruppe, die im Übrigen zum Gesellschafterstamm der Dangaard-Holding gehört. Unter dem Motto "Value Contributor" ist auch Dangaard längst nicht mehr der reine Boxenschieber, sondern übernimmt für seine Kunden Fulfilment, Logistikdienstleistungen, Bundling/Ver- packung und E-Business-Lösungen. Über die Tochtergesellschaft Teleservice regelt Dangaard für Hersteller und auch für den Einzelhandel zudem den lukrativen After-Sales-Service, die Reparatur von Mobiltelefonen. Die Entwicklung des deutschen Mobilfunkmarktes bereitet Michaeél Koehn Milland, COO der Dangaard Holding, keine schlaflosen Nächte: "Wir kennen den Prepaid-Boom, der hauptsächlich für die Misere in Deutschland verantwortlich ist, auch aus anderen Ländern. In Schweden beispielsweise werden mittlerweile keine Prepaid-Handys mehr subventioniert - und es funktioniert wieder." Er ist zuversichtlich, dass sich auch der deutsche Markt mit neuen Technologien wie GPRS und UMTS wieder beruhigen wird. Mit einem Holdingumsatz von umgerechnet 1,44 Milliarden Mark ist die Dangaard-Telecom-Gruppe auch in der finanziellen Position, um Marktschwankungen auszugleichen.

www.komsa.de; www.privatel.de

www.ntplus.de; www.dangaard.de

www.eno-telecom.de

ComputerPartner-Meinung:

Die Sünden der Vergangenheit holen nun auch den deutschen Mobilfunkmarkt ein: Setzte die Branche bislang auf die Masse der Kunden - und das um jeden (Prepaid)-Preis -, sollen die Nutzer jetzt auch Umsätze bringen. Man muss kein Betriebswirt sein, um diesen Ansatz nachzuvollziehen. Dazu schwebt das Damoklesschwert der Marktsättigung drohend über der Branche. Frost & Sullivan setzt diese Schwelle im Bereich der Sprachkommunikation für das Jahr 2004 an. Die Folge: Netzbetreiber müssen sparen. Sie wollen die Handy-Subventionen runterschrauben sowie die Provisionen für Distributoren und auch den Handel kürzen. Das Gros der Distis hat schon reagiert und setzt auf neue Geschäftsfelder, vor allem im Dienstleistungsbereich. (wr)

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