Nach Neuausrichtung: Openshop startet Einkaufsoffensive

20.09.2001
Openshop auf Einkaufstour: In den nächsten Monaten will das Unternehmen vor allem durch Akquisition wachsen. Gleichzeitig wird mit dem Aufbau eines Direktvertriebs die Neuausrichtung als Lösungsanbieter vorangetrieben. Die Rolle der Partner dürfte sich entscheidend verändern.

Bruno Rücker, CEO der Openshop Holding AG, will Geld ausgeben. Denn der Software-Lösungsanbieter hat noch was im Sparstrumpf: Rund 72 Millionen Euro an liquiden Mitteln wurden zum Stichtag 30. Juli gezählt. Die Kohle muss jetzt unters Volk: "Der Kapitalmarkt erwartet, dass wir mit dem Geld etwas anfangen. Sonst sind wir eine verdeckte Bank."

100 Millionen Mark Umsatz pro Jahr geplant

Wachstum durch Zukauf lautet das Motto des Herstellers in den kommenden Monaten. Ziel der Shoppingtour: "Wir wollen von der Börse besser wahrgenommen werden." Laut Rücker gibt es be-reits konkrete Akquisitionskandi-daten: "Wir sind mit Vertretern der Consulting- und Systemintegrati-onsbranche, der Lösungsbranche und einem Softwareanbieter im Gespräch." Die meisten Abschüsse werde man wohl im nächsten Quartal über die Bühne bringen: "Ich glaube allerdings nicht, dass unsere Einkaufstour dann schon zu Ende ist". Denn innerhalb der nächsten sechs Monate will Openshop in der Position sein, künftig einen Umsatz von 100 Millionen Mark pro Jahr vorweisen zu können. Bis dahin ist es freilich noch ein weiter Weg: Im ersten Halbjahr betrug der Umsatz des Unternehmens 2,9 Millionen Euro - der Verlust lag bei 11,2 Millionen.

Dass Firmenübernahmen von Wirtschaftsexperten in der ak-tuellen Konjunkturlage sehr mißtrauisch beäugt werden, ist Rücker nicht entgangen: "Natür-lich handeln wir antizyklisch", sagt er - und grinst: "Es gibt nichts Schöneres, als dann einkaufen zu gehen, wenn die anderen kein Geld mehr haben."

Bruno Rücker gibt sich locker. Dabei hat er ein schweres Erbe angetreten. Seit 1. März ist der 51-Jährige neuer Vorstandsvorsitz-ender der Openshop Holding AG in Ulm. Der ehemalige Vice President von CSC Europe trat damit die Nachfolge des am 25. Januar 2001 bei einem Flugzeugabsturz ums Leben gekommenen Openshop-Mitgründers Thomas Egner an. Und übernahm die Verantwortung für die Umstrukturierung des Unternehmens. Bereits auf der Cebit gab Rücker dazu eine klare Stellungnahme ab: "Openshop werde sich vom Produkt- zum Lö-sungsanbieter wandeln, man wer-de einen Direktvertrieb aufbauen, plane künftig 20 Prozent der Projekte selbst, 80 Prozent weiter-hin über Partner abzuwickeln (siehe ComputerPartner-Online, 3. April 2001).

Die neue Strategie habe sich als richtig herausgestellt, betont Rücker heute. Seit März hat Openshop zwei neue Niederlassungen in Wiesbaden und Hannover eröffnet und sein Ange-botsportfolio hin zu HighendLösungen erweitert. Als "Meilen-stein" bezeichnet Rücker dabei den Erwerb der E-Business-Tech-nologie von OAR Development. Außerdem wurde Openshop in vier Geschäftseinheiten aufgegliedert: "Logistik und E-Procurement" ist für Beschaffungsprozesse der Kunden zuständig, "Application-Management/Hosting" bietet eige-ne Rechenzentren, "E-Sales" und "E-Process" sind gegen die Wett-bewerber Intershop und Com-merce One positioniert. Parallel wurde, wie angekündigt, der dezentrale Direktvertrieb mit hochqualifizierten Beratern und Systemintegratoren aufgebaut. Die neue Organisation ging zum 1. Juli planmäßig ins operative Geschäft über.

Openshop will Kunden aller Größenklassen

Die vorangegangenen Maßnahmen haben das aktuelle Ergebnis mit mehr als drei Millionen Euro belastet. Rücker zeigt sich dennoch zuversichtlich, schon im vierten Quartal schwarze Zahlen zu schreiben - vorausgesetzt, die Händler machen mit. "Unser Commitment ist eindeutig: Ohne Partner geht es nicht." So dürfe der Aufbau des Direktvertriebs nicht als Konkurrenzveranstaltung, son-dern nur als logische Konsequenz der Neuausrichtung verstanden werden: "Anfangs hat sich Open-shop auf den Mittelstand konzen-triert. Heute betreuen wir Unter-nehmen aller Größenklassen. Alle, die sich mit unserer Software anfreunden können." Die Ein-stellung der größten Kunden ist bekannt: "Die erwarten alles aus einer Hand." Das sind die 20 Pro-zent die Openshop direkt bedienen will.

Für die Betreuung der anderen 80 Prozent sucht der Hersteller noch nach neuen Partnern. Zwar liege die derzeitige Priorität in der Suche nach neuen Vertriebs-partnern - "natürlich wollen wir auch weiterhin Umsatz über Lizenzen generieren" - doch auch Händler mit Systemintegrations- und Projektmanagementkompe-tenzen sind gefragt, erklärt Rü-cker. "Die Grundhypothese, dass es reicht, Software auf CDs zu brennen und zu verschicken, hat sich geändert." Auch Openshop habe die Ansprüche an seine Partner höher geschraubt: "Der Kunde ist mündiger geworden. Und E-Lösungen sind erklärungs-bedürftig." Einen Kanalkonflikt mit dem Direktvertrieb werde es für Openshop aber nicht geben, glaubt Rücker. Ohnehin könne es nur bei den mittelständischen Kunden zu einer Überschneidung kommen: "Da haben wir vielleicht sieben Prozent Marktanteil. Also sollten wir lieber darüber reden, wieso jemand anderer die restlichen 93 Prozent macht."

www.openshop.de

ComputerPartner-Meinung:

Openshop hat gute Chancen auf Erfolg und anderen lösungs-orientierten Unternehmen eini-ges voraus: Die Neuausrichtung war keine Verzweiflungstat, sondern eine kalkulierte Reaktion auf die Marktentwicklung. Vom börsengetriebenen Einkaufsrausch ließ man sich nicht anstecken und setzt erst jetzt auf Akquisition. Das Thema Direktvertrieb wird offen kommuniziert - und das ist den meisten Händlern sicherlich lieber als die Verschleierungstaktik an-derer Anbieter. (mf)

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