Nach Verkauf an Mobilcom: Joachim Bäuerle erstmal reif für die Insel

09.09.1999

WAIBLINGEN Die Comtech-Computerhandelsgruppe ist verkauft an Telekommunikationsanbieter Mobilcom AG. Comtech-Gründer Joachim Bäurle zieht sich vorerst ins Privatleben zurück, neuer Geschäftsführer in Waiblingen wird Mobilcom-Vorstandsvorsitzender Gerhard Schmid. Bei Comtech - und dem Wettbewerb - herrscht erstmal Ratlosigkeit.Kopfschütteln und Erstaunen rief die Nachricht hervor, daß Deutschlands zweitgrößte Computerfilialkette jetzt mehrheitlich an den Telekom-Wettbewerber Mobilcom fällt (siehe auch Kasten). "Eine engere Kooperation als bisher, eine höhere Beteiligung - ja, sogar eine gleichberechtigte Fusion hätte ich mir vorstellen können", so ein Comtech-Filialist. "Aber eine komplette Übernahme? Wir waren doch diejenigen, die den Mobilcom-Leuten Platz in unseren Läden eingeräumt haben, damit sie da ihre Produkte vorstellen können. Und die sind jetzt hier der Boss ..."

Für fast alle Comtech-Filialisten kam - genau wie für den oben zitierten Mitarbeiter - die Nachricht von der Übernahme völlig überraschend. Bündig wurden sie am Donnerstag per E-Mail informiert. "Das war nicht angekündigt - und meiner Ansicht nach auch nicht absehbar", zeigten sich die meisten überrascht. Die Zusammenarbeit mit Mobilcom war bekannt - schließlich hielt der TK-Anbieter bereits seit Ende 1998 eine stille Beteiligung in Höhe von 15 Millionen am Unternehmen. Außerdem sind die Mobilcom-Produkte seither den Comtech-Filialisten durch ein Shop-in-Shop-Konzept bestens vertraut. "Das war ganz okay und lief ja auch recht gut mit den Telekommunikationsprodukten. Aber ich hätte nie gedacht, daß wir mal ein Teil von denen werden - eher umgekehrt", bestätigt denn auch ein weiterer Comtechler. Jetzt herrscht erst einmal Unsicherheit in den Filialen, denn keiner weiß genau, was wird. "Ich kann mir nicht vorstellen, daß die Mobilcom-Leute hier alles so belassen, wie es ist", formuliert ein Comtech-Mitarbeiter in Süddeutschland. "Die arbeiten bislang doch nur mit Franchise-Nehmern. Vielleicht wird ja auch das Comtech-Konzept komplett geändert - wir sind ja alle nicht selbständig ...".

Entsprechend unsicher verwiesen die meisten Befragten denn auch auf Ansprechpartner in der Waiblinger Zentrale. Nach dem Motto "nicht, daß ich hier Ärger kriege ...", blieben die meisten in Deckung.

Free PC: Jetzt kommt er sicher

Bestürzung unter den Comtech-Mitarbeitern und -Filialisten rief auch hervor, daß der Firmengründer und langjährige Geschäftsführer, Joachim Bäurle, das Unternehmen bereits verlassen hat. Seinen Job macht jetzt Mobilcom-Vorstandsvorsitzender Gerhard Schmid. "Ein Vollblutunternehmer und Profi", wie ihn der Comtech-Sprecher Stefan Schanz beschreibt. Und offenbar ein Mann mit großen Plänen. Addiert man die Comtech- und Mobilcom-Shops zusammen, steht er nun an der Spitze von fast 300 Geschäften. Doch das ist dem Norddeutschen noch nicht genug: "40 bis 50 neue Shops im Jahr werden wir eröffnen", kündigt er vor der Presse an. Denn: "Man kann auch 400 bis 500 Shops in Deutschland betreiben", zeigt er seine Muskeln wohl auch in Richtung Vobis.

Schon jetzt ist er nach eigenem Dafürhalten der Kopf der "größten Computer- und Telekommunikationshandelskette hierzulande". "Wir können unseren Kunden nun ein komplettes Paket schnüren aus Waren und Dienstleistungen rund um die Bereiche Internet, Computer und Telekommunikation." Sein Ziel: Schmid will spätestens im kommenden Jahr das in den USA erfolgreiche "Free-PC"-Konzept auch an der deutschen Klientel ausprobieren.

Wer den Profit macht, hat die Hosen an

Unternehmenskennern zufolge hatte genau bei diesem heiklen Thema das Tauziehen zwischen Bäurle und Schmid seinen Ausgangspunkt.

Bäurle, so heißt es, favorisierte seine bereits im Dezember 1998 formulierte Idee, "vielleicht einmal einen IBM Aptiva (von Comtech für Big Blue in Lizenz gefertigt, Anmerkung der Redaktion) mit lebenslang kostenlosem Internet- und ISDN-Anschluß" zu verkaufen (siehe auch ComputerPartner 34/98). Schmid, der stille Teilhaber dagegen, setzte dem Vernehmen nach alle Hebel in Bewegung, um Einfluß zu nehmen: Er wollte das amerikanische Modell, bei dem der PC verschenkt und dafür die Internet-Dienste kostenpflichtig anbeboten werden. "Im Endeffekt liefen die internen Diskussionen alle auf die Profitabilität raus - also die Frage, bei wem mehr Geld hängenbleibt", verrät ein Firmenkenner.

Und bei der Diskussion hatte Schmid wohl den längeren Atem. Auch das bessere finanzielle Standing: Er fuhr allein in den ersten sechs Monaten 1999 einen Umsatz von 900 Millionen Mark ein (Gewinn knapp 79 Millionen Mark), sein Umsatzziel für das komplette Jahr liegt bei "deutlich über zwei Milliarden". 1998 war er gar nicht so weit davon entfernt: Da fuhr seine Mobilcom einen Jahresumsatz von 1,7 Milliarden ein, der Gewinn vor Steuern betrug stolze 250,4 Millionen Mark. Bäurle fehlten da wohl mit einem Jahresumsatz von 400 Millionen (1998) - und keinem Gewinn in 1998 sowie im ersten Halbjahr 1999 - die Argumente.

Der Wettbewerb wird schon aktiv

Wettbewerber aus dem IT-Bereich, wie beispielsweise Vobis und PC-Spezialist, halten sich mit Kommentaren noch zurück. Vobis-Chef Jürgen Rakow macht sich erstmal keine Sorgen. Nach dem Motto "Hat man Comtech denn in der letzten Zeit überhaupt am Markt gespürt - und welche Expertise hat denn Mobilcom überhaupt im PC-Geschäft?", will er die nächsten zwei, drei Monate abwarten und "gucken, was passiert". Er sehe die Übernahme ganz entspannt. Allerdings nicht so locker, daß er nicht bereits seinen Anwalt damit beauftragt hat, seinen Lizenzvertrag mit Comtech zur Fertigung von IBM Aptivas nochmals genau abzuklopfen. Klar, denn wenn sich ein Weg fände, den Lizenzvertrag mit IBM direkt abzuschließen, wäre er sicher nicht abgeneigt.

Bei PC-Spezialist liegt der schmerzhafte Punkt an anderer Stelle. Hatte doch Vorstandssprecher Frank Roe-bers erst kürzlich angekündigt, er wolle demnächst mit dem Free PC auf den deutschen Markt kommen. Da es gerade in diesem Bereich seiner Erfahrung nach gilt "Wer zuerst kommt, mahlt zuerst", dürfte es im Herbst und Winter zu einem erbitterten Kopf-an-Kopf-Rennen kommen.

Nur einen interessiert das derzeit herzlich wenig: Joachim Bäurle, so heißt es, wird jetzt erstmal privatisieren, sich auf eine Insel zurückziehen und Zeit mit der Familie verbringen.

Seinen Comtech-Kollegen zufolge hat er übrigens das Angebot, weiter als Geschäftsführer im Unternehmen zu bleiben, ausgeschlagen. Die Begründung: weil ihm das Reporten an Vorgesetzte nicht im Blut liege.

Da will er doch lieber selber erneut durchstarten: "Im Internet-Bereich gibt es viele junge Unternehmer, die zwar reichlich innovative Ideen, aber zu wenig Kapital und Erfahrung haben. Hier kann ich Know-how und Erfahrungen aus den letzten 15 Jahren sinnvoll einsetzen und weitergeben." Doch als passiven Geldgeber mag man sich den 39jährigen nicht so recht vorstellen. Er plant eine eigene Internet-Company. (du)

Comtech-Gründer Joachim Bäurle verläßt sein Unternehmen nur

ungern. Aber er plant bereits eine Internet-Company.

Mobilcom-Vorstand Gerhard Schmid steht jetzt an der Spitze von fast

300 Telekommunikations- und Computershops in Deutschland.

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