Nach wie vor hoher Bedarf an guten Vertriebsleuten im IT-Handel

28.06.1996
MÜNCHEN: Einen deutlich gestiegenen Bedarf an Top-Managern und Fachspezialisten meldet der IT-Handel in den ersten fünf Monaten dieses Jahres im Vergleich zum Vorjahreszeitraum. Gute Chancen vor allem für Vertriebsspezialisten und Service-Techniker. Dagegen ist die Zahl der Stellenangebote für Software-Entwickler und IT-Berater spürbar zurückgegangen. Stefan Rohr* analysiert im folgenden Beitrag die aktuellen DIFAS-Zahlen.Daß die IT-Branche noch ein junges Mädchen ist, wird niemand anzweifeln. Daß aber auch die Heranwachsenden Nachwuchs zeugen können, wird dem einen oder anderen bereits aufgefallen sein. In der IT-Welt heißt eines dieser Sprößlinge "IT-Handel" und ist, zumindestens vom Branchenalter her gesehen, reifemäßig dem Vorschulalter zuzuordnen.

MÜNCHEN: Einen deutlich gestiegenen Bedarf an Top-Managern und Fachspezialisten meldet der IT-Handel in den ersten fünf Monaten dieses Jahres im Vergleich zum Vorjahreszeitraum. Gute Chancen vor allem für Vertriebsspezialisten und Service-Techniker. Dagegen ist die Zahl der Stellenangebote für Software-Entwickler und IT-Berater spürbar zurückgegangen. Stefan Rohr* analysiert im folgenden Beitrag die aktuellen DIFAS-Zahlen.Daß die IT-Branche noch ein junges Mädchen ist, wird niemand anzweifeln. Daß aber auch die Heranwachsenden Nachwuchs zeugen können, wird dem einen oder anderen bereits aufgefallen sein. In der IT-Welt heißt eines dieser Sprößlinge "IT-Handel" und ist, zumindestens vom Branchenalter her gesehen, reifemäßig dem Vorschulalter zuzuordnen.

Während sich noch vor wenigen Jahren die IT-Handelswelt aus einigen wenigen - dafür umso größeren - Unternehmen zusammensetzte, finden wir heute weit mehr als 10.000 Unternehmen in Deutschland, die den Ton im IT-Handelsgewerbe mitbestimmen. Darunter mischen sich Kleingewerbetreibende mit der ganzen Bandbreite von Mittelständlern und den wenigen Riesen dieser Branche.Doch Kinder und Jugendliche haben so ihre Eigenarten, und die Großen unserer Branche fragen sich interessiert: wie entwickeln sie sich, wie organisieren sie sich, wo stecken die Wachstumspotentiale und die personalbedingten Wachstumskonsequenzen?

Weniger Manager - mehr Fachspezialisten

Das Deutsche Institut für Arbeitsmarktanalysen in Hamburg (DIFAS) hat hierzu Erstaunliches feststellen können. Noch 1995 mußten in den ersten fünf Monaten des Jahres 59 Prozent aller in der IT-Handelsbranche ausgeschriebenen Stellen dem Fachkräftebereich zugeordnet werden. In der untersten Managementebene wurden etwas mehr als 23 Prozent aller offenen Stellen besetzt, im Middlemanagement 17,5 Prozent und auf den Top-Chefsesseln 0,3 Prozent (Rest: nicht zuzuordnen). Dieses stellte unverkennbar einen starken Sog auf die unteren bis mittleren Managementfunktionen im IT-Handelsbereich dar.

Für den gleichen Zeitraum im Jahre 1996 hat sich das Bild allerdings deutlich gewandelt: während mehr als Dreiviertel aller Jobs nun im Fachspezialistenbereich besetzt wurden, es sich hier also um eine außergewöhnlich starke Erhöhung zum Vorjahr handelt, ist der Run auf die unteren und mittleren Managementpositionen enorm abgeflaut (siehe Grafik). Dagegen konnten die Top-Funktionen mit zwei Prozent mehr als eine prozentuale Versechsfachung zum Vorjahreszeitraum kontieren.

Das Vorjahr war also von einem hohen Management-Bedarf geprägt, insbesondere in den Fachführungsebenen und den Leitungsfunktionen unterhalb der Geschäftsführungen. Ein klares Signal dafür, daß die ersten Aufbauphasen in der zweifelsohne jungen IT-Handelsbranche abgeschlossen sind.

Die Unternehmen des IT-Handels sind somit offensichtlich auf dem wirtschaftlich richtigen Weg, denn Aufbau und Markterfolg haben nun einmal die Konsequenz, daß nach relativ kurzer Zeit des Erfolges zunächst mehr Wert auf Management und Hierarchien gelegt werden muß. Zeigt solch ein Prozeß den gewünschten Erfolg, so bedeutet das schlichtweg die Schaffung weiterer Arbeitsplätze - und zwar im Bereich der untersten Fachebenen, die im Wachstum eines erfolgreichen Unternehmens nachrücken.

Die Tatsache, daß in den obersten Chefetagen mehr Polsterstühle gekauft werden müssen, indiziert, daß ein beachtliches Wachstum in diesem Branchenbereich stattfindet. In der totalen Zahl hat sich der Bedarf an Top-Führungsfunktionen sogar um den Faktor 17 gegenüber dem gleichen Vorjahreszeitraum gesteigert. Wo sonst die Führungsetagen eher ausgedünnt werden, hat die IT-Handelsbranche hier noch attraktive Pöstchen in mannigfaltiger Anzahl zu vergeben.

Berliner IT-Handel prescht mächtig nach vorn

Wer sich diese Erkenntnisse für die eigene berufliche Fortentwicklung und Neuorientierung zu Herzen nehmen möchte, sollte auch auf die regionalen Beobachtungen innerhalb der DIFAS-Auswertungen achten. In Bayern ist mit 24 Prozent aller im IT-Handel ausgeschriebenen Stellen immer noch der vielfältigste Bedarf vorhanden. Allerdings zeigen die Königlich-Weiß-Blauen einen recht spürbaren regionalen Abschwung seit 1995 (30 Prozent) von etwa sechs Prozent und müssen sich daher mit der goldenen Zitrone im Ländervergleich hinsichtlich der höchsten Rückgänge begnügen.

Berlin dagegen war noch im Vorjahreszeitraum Januar bis Mai mit drei Prozent ein Mauerblümchen bezüglich der offenen Stellen im IT-Handel. DIFAS weist jedoch für den gleichen Zeitraum 1996 einen stolzen Anteil von 14,8 Prozent aller im IT-Handel ausgeschriebenen Stellen aus. Die totale Steigerung nach offenen Stellen zeigt darüber hinaus eine Verfünffachung der offenen IT-Handelsstellen auf und sorgt für die Spitzenstellung Berlins im Ländervergleich hinsichtlich der höchsten Zuwächse. Deutliche Zuwächse sind auch in Hessen zu registrieren.

Ausgedehntes Hochdruckgebiet über dem IT-Handel

Wenig erfreulich dagegen die Entwicklung im Osten Deutschlands. Außer Sachsen (1,9 Prozent) und Mecklenburg-Vorpommern, das mit 0,3 Prozent des Stellenmarktanteiles im IT-Handel ein Wachstum aufweisen kann, liegen alle anderen Ost-Länder bei einer Minustendenz, die sogar bis 0 Prozent oder knapp davor dem Betrachter die Augen öffnet. Besonders traurig, da bis auf die genannten Ost-Vertreter dieses einen totalen Abschwung bedeutet, denn noch im gleichen Vorjahreszeitraum wiesen auch noch Thüringen, Sachsen-Anhalt und Brandenburg deutlich bessere Zahlen auf.

Im Fachspezialistenbereich sind nach den DIFAS-Auswertungen die Vertriebsmitarbeiter mit fast 54 Prozent Stellenmarktanteil in den ersten fünf Monaten des Jahres 1996 die gesuchteste Mitarbeitergruppe. Gegenüber 1995 konnte sie sogar eine kleine Steigerung (51,8 Prozent) verzeichnen. Service-Techniker und Benutzerdienste folgen zwar mit weitem Abstand und belegen "nur" knappe 15 Prozent des im IT-Handel ausgeschriebenen Stellenmarktpotentials, aber auch hier kann erfreulicherweise eine Steigerung von einigen Prozentpunkten gegenüber dem gleichen Vorjahreszeitraum (11,0 Prozent) festgestellt werden. Der Rest verteilt sich auf andere Funktionen (siehe Grafik). Ein weiteres deutliches Zeichen auch von dieser Stelle her für den Fortschritt der Branche. Der Handel lebt vom Verkauf. Verkauft der Vertrieb entsprechend gut, so sind es die guten "Service-Geister" und Benutzerdienste, die das Kundenpotential zu betreuen haben und in der stellenmarktbezogenen Nachfrage Steigerungen erleben. Die gezeigten Zuwächse sind somit direkt als Wachstumsbarometer anzusehen. Und dieses zeigt ein ausgedehntes Hochdruckgebiet über dem IT-Handel an.

Bleibt zu hoffen, daß sich diese Schönwetterfront lange hält und nicht durch die rezessiven Tendenzen der aktuellen Gesamtwirtschaft und gewerkschaftlicher Arbeitsmarktpolitik in Regen- oder gar Gewitterwolken wandeln. Einen Schirm sollte man jedoch - oder gerade deswegen - schon vorsichtshalber einmal in Griffnähe halten.

*Stefan Rohr ist geschäftsführender Gesellschafter der r&p management consulting Hamburg/Düsseldorf/Frankfurt/Karlsruhe

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