Nationale und internationale Börsenplätze

25.03.1999

MÜNCHEN: Die Wahl des Marktsegments gehört für Firmen mit zu den wichtigsten Entscheidungen bei einem Börsengang. Konrad Bösl* und Rainer Mauer* stellen nationale und internationale Börsenplattformen vor.Unternehmen, die den Schritt aufs Börsenparkett planen, können zwischen dem Amtlichen Handel, dem Geregelten Mark und dem Freiverkehr wählen. Eine Besonderheit stellt der sogenannte Neue Markt in Frankfurt dar, bei dem die Einführung der Aktie in den Geregelten Markt mit Handel im Neuen Markt, einem spezifischen Freiverkehr, erfolgt.

Im Gegensatz zum Neuen Markt repräsentieren der Amtliche Handel und der Geregelte Markt die traditionellen Marktsegmente. Beide werden von der staatlichen Börsenaufsichtsbehörde des jeweiligen Bundeslandes überwacht. Die Aktien werden hier von der Zulassungsstelle der Börse nach den gesetzlichen Anforderungen zum Börsenhandel zugelassen.

Unternehmen, die Aktien im Amtlichen Handel verkaufen wollen, müssen mindestens drei Jahre bestehen, ihre Jahresabschlüsse offenlegen, sämtliche Aktien der gleichen Gattung zum Handel zulassen und mindestens 25 Prozent des Gesamtnennbetrags der Aktien über die Börse plazieren. Der Kurswert muß mindestens 2,5 Millionen Mark betragen.

Geregelter Markt und Freiverkehr

Der 1987 neu eingeführte Geregelte Markt adressiert kleinere und mittlere Unternehmen. Die Zulassungsvorschriften sind hier weiter gefaßt als beim Amtlichen Handel. Ein Mindestalter der Unternehmen ist nicht vorgeschrieben. Das Emissionsvolumen für die Neuemission liegt lediglich bei einem Nominalwert von 500.000 Mark, das heißt, es genügt die Emission von 100.000 Aktien zum - rechnerischen - Nennwert von fünf Mark.

Der Freiverkehr stellt einen privatrechtlich organisierten Markt dar, an dem die jeweilige Börse Aktien durch Freimakler handeln läßt, sofern ein ordnungsgemäßer Handel gewährleistet ist. Die Zulassungsvoraussetzungen zum Freiverkehr werden von den einzelnen Börsen festgelegt, sind jedoch in der Regel deutlich niedriger als bei anderen Marktsegmenten.

Um ihre Attraktivität zu steigern, versuchen einzelne Regionalbörsen, durch spezifische Anforderungen die Wertigkeit des Freiverkehrs zu erhöhen. So hat zum Beispiel die Hamburger Wertpapierbörse den "Start-up-Market", die Bremer Wertpapierbörse den "Mittelstandsmarkt" und die Bayerische Wertpapierbörse den "Prädikatsmarkt" eingerichtet.

Kennzeichnend für diese Sonderformen sind erhöhte Anlegerschutz- und Publizitätsvorschriften. Damit soll insbesondere jungen und kleinen Unternehmen die Kapitalbeschaffung über die Börse erleichtert werden.

Shooting-Star: Der Frankfurter Neue Markt

Für Furore sowohl bei Unternehmen als auch bei den Anlegern hat der vor rund zwei Jahren, am 10. März 1997, als privatrechtliches Handelssegment der Deutschen Börse AG an der Frankfurter Wertpapierbörse gegründete Neue Markt gesorgt. Dieser Marktplatz will jungen, innovativen, in Wachstumsmärkten agierenden Unternehmen die Möglichkeit bieten, ihre schnelle Entwicklung durch ausreichend Eigenkapital abzusichern.

Da die hohe Wachstumsdynamik von Unternehmen in neuartigen Märkten in der Regel mit einem höheren Geschäftsrisiko einhergeht, stellen die Anleger hohe Anforderungen an die Unternehmenstransparenz und die Handelsliquidität. Deshalb hat die Deutsche Börse AG für die Zulassung und den Handel im Neuen Markt besondere Organisations- und Regulierungsmaßnahmen erlassen. Darüber hinaus muß der Börsenkandidat das Zulassungsverfahren des Geregelten Marktes durchlaufen.

Unternehmen, die eine Notierung am Neuen Markt anstreben, müssen sich etwa drei Monate vor der Erstemission vor dem Zulassungsausschuß der Deutschen Börse AG präsentieren. Im Rahmen dieser Vorstellung muß der Börsenkandidat überzeugend darlegen, daß er in einer zukunftsweisenden Branche (Telekommunikation, Neue Medien, Bio- und Gen-Technologie) operiert, oder sein Innovationpotential in einer etablierten Branche plausibel machen. Weiterhin muß der Börsenkandidat dem Zulassungsausschuß plausibel machen, daß die Unternehmensentwicklung durch eine hohe Wachstumsdynamik bei Umsatz und Ertrag geprägt ist und zur Absicherung des Wachstums ein hoher Kapitalbedarf besteht.

Die Anforderungen hinsichtlich des Emissionsvolumens und des Streubesitzes sollen einen ausreichend großen Free Float und damit einen liquiden Handel der Aktie sicherstellen. Eine Lock-up-Periode von sechs Monaten für Altaktionäre dient in erster Linie dem Anlegerschutz, damit es nicht durch einen zu schnellen Zustrom einer größeren Anzahl von Aktien zu einer ungünstigen Kursentwicklung kommt. Diese Regelung gilt jedoch nicht für die Exit-Strategie institutioneller Anleger wie beispielsweise Venture-Capital-Gesellschaften.

Um zu gewährleisten, daß die Börseneinführung der Wachstums-finanzierung dient, sehen die Zulassungsregelungen zum Neuen Markt vor, daß mindestens 50 Prozent des Emissionsvolumens aus einer Kapitalerhöhung stammen.

Betreuer am Neuen Markt

Ein wesentlicher Unterschied gegenüber den traditionellen Marktsegmenten ist das Betreuermodell. Die wichtigste Aufgabe des Betreuers ist seine Market-Maker-Funktion, um die Liquidität und Fungibilität der Aktien im Neuen Markt jederzeit sicherzustellen. Außerdem sind Betreuer dazu verpflichtet, auf Anfrage Kauf- und Verkaufskurse für mindestens 500 Stück Aktien anzugeben, für die sie selbst auf eigene Rechnung eintreten.

Der Spread (=Differenz) zwischen Geld- und Briefkurs ist auf höchstens vier Prozent begrenzt. In der Handelspraxis liegt der Spread im Durchschnitt zwischen 1,5 und 2 Prozent. Zu den weiteren Aufgaben der Betreuer gehört die regelmäßige Erstellung von Research-Berichten, die Unterstützung des Unternehmens bei der Präsentation vor Investoren sowie die Beratung bei Fragen der Ad-hoc-Publizität.

Jeder Emittent am Neuen Markt muß über mindestens zwei Betreuer verfügen - einer davon ist in der Regel die konsortialführende Bank. In der Praxis haben die im Neuen Markt notierten Unternehmen durchschnittlich drei Betreuer.

Transparente Rechnungslegung

Eine weitere Besonderheit des Neuen Marktes ist die verpflichtende Erstellung von Jahresabschlüssen nach internationalem Rechnungslegungsstandard (IAS oder US-GAAP). Diese sind spätestens vier Monate nach Ende des Geschäftsjahres zu veröffentlichen, und zwar in deutscher und englischer Sprache. Die Drei-Monats-Berichte müssen so aufgebaut sein, daß Anleger die Unternehmensentwicklung im abgelaufenen Quartal beurteilen können. Wichtige Inhalte sind:

- Lagebericht mit Angaben zu Umsätzen, Kosten, Auftragslage, Investitionen, Mitarbeiterzahl, Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten sowie Akquisitionen,

- Gewinn- und Verlust- sowie Kapitalflußrechnung sowie

- personelle Änderungen bei Vorstand und Aufsichtsrat.

Die Deutsche Börse AG, als Träger des Neuen Marktes, versteht sich als Service Provider, der um eine aktive Vermarktung dieses Handelssegments bemüht ist. Aus diesem Grund muß die Börse Unternehmens- und Marktpräsentationen vornehmen, die Unternehmen in ihren Publikationen präsentieren, eine hohe Medienpräsenz sicherstellen und für Unternehmensdaten einen elektronischen Übermittlungsdienst anbieten.

Die Entscheidung, ob eine Börsenplazierung am Neuen Markt erfolgen soll, hängt neben den bereits genannten Punkten auch von der Wachstumsdynamik des jeweiligen Unternehmens ab. Dies ist wichtig, denn die negativen Auswirkungen können für das Image und die Publizität eines Unternehmen verheerend sein, wenn es als Underperformer im Neuen Markt gilt.

US-Listings haben ihren Preis

Ein Listing in den USA wird vielfach von deutschen Unternehmen als reizvoll angesehen. Es ist allerdings zu bedenken, daß die Einführungskosten in den USA aufgrund der vielfältig zu prüfenden Haftungsrisiken nahezu doppelt so hoch liegen wie in Deutschland.

Zudem ist mit erhebliche Folgekosten zu rechnen, da in den USA weitaus schärfere Publizitätspflichten bestehen. In der Praxis werden außerdem Aktien deutscher Unternehmen in den USA kaum gehandelt. Vielmehr findet ein reger Aktienhandel später im deutschen Freiverkehr statt.

Eine wesentlich einfachere und vor allem kostengünstigere Möglichkeit der Aktienplazierung in den USA stellt die Privatplazierung nach Rule 144 A des Securities Act von 1933 dar. Rule 144 A steht allen deutschen Unternehmen offen, die einverstanden sind, auf Anfrage den Aktienerwerbern angemessene aktuelle Informationen über sich selbst zu liefern oder bei der Amerikanischen Wertpapieraufsichtsbehörde (SEC) alle Informationen hinterlegt haben, die sie auch in Deutschland veröffentlichen beziehungsweise bei einer deutschen Börse einreichen mußten (Rule 12G3-2 (B)).

Eine Privatplazierung in den USA hilft, die internationale Aktionärsbasis gezielt zu verbreitern. Außerdem läßt sich so eine spätere öffentliche Plazierung in den USA vorbereiten und der Bekanntheitsgrad der Aktie in den USA bei potentiellen Investoren steigern.

Dr. Konrad Bösl, Berater bei Dr. Wieselhuber & Partner:

"Newcomer am Neuen Markt können mit durchschnittlichen Wachstumsraten von knapp 70 Prozent beim Gewinn vor Steuern rechnen.Ë

*Dr. Rainer Mauer und Dr. Konrad Bösl sind Emissionsberater

bei der Unternehmensberatung Dr. Wieselhuber & Partner GmbH in München.

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