Media-Markt-Gründer Walter Gunz

"Natürlich tut so manches weh"

19.02.2014
Walter Gunz ist einer der Gründer des Media Markt – und verließ das Unternehmen Ende 1999. Ein Gespräch über das Loslassen, charakterliche Schwächen und den Rat einer Pferdeflüsterin.

Walter Gunz hat Media Markt im Jahr 1979 zusammen mit Leopold Stiefel und Erich sowie Helga Kellerhals gegründet, sich aber bereits Ende 1999 von seinen Unternehmensanteilen getrennt. Er taucht in der Liste der 500 reichsten Deutschen auf, die jährlich vom Manager Magazin veröffentlicht wird. Über seine Zeit beim Media Markt hat er 2013 das Buch "Ich war doch nicht blöd" geschrieben.

Walter Gunz: "Die freien Entscheidungen von Anderen muss man akzeptieren. Ich mische mich nicht ein."
Walter Gunz: "Die freien Entscheidungen von Anderen muss man akzeptieren. Ich mische mich nicht ein."
Foto: Franky May - picture alliance

Sie sprechen über Media Markt immer noch von "meinem” Unternehmen.
Walter Gunz: Eine Mutter spricht auch stets von "meinem” Kind – es ist nun einmal Teil ihres Lebens. Wieso sollte es ihr nicht möglich sein, es loszulassen?

Haben Sie wirklich losgelassen?
Gunz: Das ist die Kunst im Leben: Anteil zu nehmen, ohne anzuhaften. Ich beherrsche sie zugegeben auch nicht vollends, aber ich bemühe mich darum.

Sie sagten wörtlich: Die Entwicklung von Media Markt sei schwer zu ertragen.
Gunz: Natürlich tut so manches weh – genauso wie einer Mutter, deren Kind zum Alkoholiker wird. Aber es gilt, die freien Entscheidungen von Anderen zu akzeptieren. Ich mische mich nicht ein.

Sie haben im Jahr 1988 die Anteile an Media Markt mehrheitlich an Kaufhof verkauft. Wie denken Sie heute darüber?
Gunz: Wissen Sie, ich habe diese Entscheidung an den damaligen Vorständen festgemacht. Das Problem war, dass diese Vorstände bereits 2 Jahre später nicht mehr im Unternehmen waren.

Es ist keineswegs ungewöhnlich, dass die Vorstände einer Kapitalgesellschaft wechseln.
Gunz: Schon richtig, aber auch keiner ihrer Nachfolger hielt sich lange im Amt. Ich kann Ihnen spontan gar nicht sagen, wie viele Vorstände ich bis zu meinem Ausstieg aus dem Unternehmen erlebt hatte. Das Betriebsergebnis wurde zunehmend wichtiger als die Menschen - leider!

Bereuen Sie mittlerweile den Verkauf?
Gunz: Ich bereue es nicht, nein. Ich habe damals vielmehr den kardinalen Fehler begangen, nicht darüber nachzudenken, wie sich die Situation in 10 oder 15 Jahren darstellen könnte.

"Ich war doch nicht blöd." von Walter Gunz (seltmann+söhne, Berlin, Lüdenscheid, 2013; 272 Seiten, 19,90 Euro, ISBN: 978-3-942831-90-1)
"Ich war doch nicht blöd." von Walter Gunz (seltmann+söhne, Berlin, Lüdenscheid, 2013; 272 Seiten, 19,90 Euro, ISBN: 978-3-942831-90-1)
Foto: seltmann+söhne

Seit Ihrem Ausstieg sind über zehn Jahre vergangen. Wieso haben Sie Ihr Buch erst jetzt geschrieben?
Gunz: Es ist ja nicht so, dass man unbedingt ein Buch schreiben muss, nur weil man erfolgreich ein Unternehmen mitgegründet hat. Ich beschäftigte eine Pferdeflüsterin in Marrakesch, die mich letztlich davon überzeugte, es aus Dankbarkeit zu schreiben. Ich bin mir durchaus bewusst, dass es Menschen gibt, die an mich geglaubt und mir vertraut haben – und dadurch maßgeblich zu meinem Leben beigetragen haben. Ein Buch eignet sich in der Tat dazu, etwas davon weiterzugeben, was man selbst empfangen hat. Ich hatte aber zugegeben Zweifel daran, dass es mir gelingen würde, ein solches Buch zu schreiben.

Haben Sie es alleine geschrieben?
Gunz: Ich habe es besagter Dame diktiert, sie hat es aufgeschrieben. Gemeinsam mit einer Lektorin habe ich danach dann die ganzen grammatikalischen Ungereimheiten beseitigt. Im Verlag wurde es dann noch einmal überarbeitet.

Sind Sie mit dem Ergebnis zufrieden?
Gunz: Ich bin zumindest froh, dass ich es geschrieben habe. Mir selbst ist so manches dabei bewusst geworden. Manchmal braucht es eben etwas Zeit, bis sich einem die Dinge erschließen.

Hatten Sie Probleme, sich an Erlebnisse zu erinnern?
Gunz: Nein, überhaupt nicht. Das Buch zwang mich aber dazu, meine Erlebnisse sinnvoll zu strukturieren. Das hat mir einiges an Disziplin abverlangt.

Sie rühmen sich damit, nicht ganz ernst gemeint, dass Ihnen einen "perfektes Plagiat" gelungen sei.
Gunz: Die Hälfte des Buches stammt tatsächlich gar nicht von mir. Es gibt so viele tolle Gedanken, die man sich einfach nur wieder in das Bewusstsein rufen, aber gewiss nicht neu erfinden muss.

Möchten Sie sich mit dem Buch nicht auch ins rechte Licht rücken?
Gunz: Also ich habe ja viele charakterliche Schwächen und Fehler. Meine Ungeduld bespielsweise hat sich bis heute nicht verloren. Aber ein Egoman bin ich nun wirklich nicht. Der autobiografische Anteil des Buch ist auch dementsprechend gering – es ist ein Sachbuch.

Offen gestanden: Es fällt schwer, das Buch einer bestimmten Kategorie zuzuordnen.
Gunz: Ich habe auch schon beobachtet, dass es mal es unter Wirtschaft eingeordnet wird, mal unter Biografie und hin und wieder unter Philosophie. Ich habe deswegen so viele verschiedene Themen in das Buch aufgenommen, weil sie mir eben alle wichtig sind. In gewisser Weise ist das schlicht meiner Unerfahrenheit geschuldet: Ich hätte es gar nicht anders schreiben können.

Gehen Sie immer noch zum Einkaufen in den Media Markt?
Gunz: Ja, sicher.

Was haben Sie denn zuletzt gekauft?
Gunz: Einen Flatscreen von Samsung. Ich schaue mir gerne Natursendungen an, die darauf wirklich schön aussehen.

Werden Sie noch erkannt, wenn Sie durch die Filialen laufen?
Gunz: In den Filialen in München schon noch, ja. Von diesen abgesehen: eher weniger.

Hätten Sie Probleme damit, in Vergessenheit zu geraten?
Gunz: Nein, definitiv nicht. Ich glaube daran, dass das Bewusstsein ewigen Charakter hat. Ich war übrigens neulich zu Gast in einer Talkshow. Dort wurde mir eine ganz ähnliche Frage gestellt: Was soll denn auf meinem Grabstein stehen?

Und was haben Sie geantwortet?
Gunz: Dass es letztlich egal ist, was auf dem Grabstein steht, da eh nur meine Hülle vergraben wurde. Mein Bewusstsein ist dann jedenfalls woanders.

Ihre Auffassung ist zweifelsohne philosophisch geprägt.
Gunz: Ja, aber deswegen verstehe ich auch Menschen nicht, die sich zum Ende ihres Leben in irgendeiner Form verewigen wollen - durch eine Stiftung, durch großzügige Spenden oder eben auch in Form einer Autobiografie. Wie wollen Sie denn etwas verewigen, was schon ewig ist?

Das Gespräch führte Sven Ohnstedt von unserer Schwesterpublikation CFOworld im Rahmen einer Veranstaltung des Beirats der Wirtschaft e.V. in München.

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