NEC strebt Eroberung des Mittelstandes an

28.01.1999

ISMANING: NEC Deutschland steht zum ersten Mal nicht mehr unter japanischer Führung. Wie der neue Mann an der Spitze dem Traditionsunternehmen wieder auf die Beine helfen will, erklärt Geschäftsführer Gerhardt Merkel im Gespräch mit ComputerPartner-Redakteurin Cornelia Hefer.

Was werden Sie als neuer NEC-Geschäftsführer denn anders machen als ihr japanischer Vorgänger?

MERKEL: Also ich glaube, daß es uns gelungen ist, die Company nach außen hin viel transparenter zu gestalten. NEC ist wieder im Markt sichtbar. Man spricht heute intensiver über das Unternehmen. "Tue Gutes und rede darüber" ist das Motto. Der japanische Führungsstil ist mit Sicherheit nicht schlecht. Nur in einer Situation, in der sich NEC heute befindet und gestern befand, ist es notwendig, daß wir Ideen nach außen bringen. Japaner tun das weniger gerne. Sie glauben, wenn sie etwas Gutes tun, dann erkennen die anderen das schon.

Und natürlich wollen wir aus den gemachten Fehlern der Vergangenheit lernen: zum Beispiel Marktführerpositionen kampflos aufzugeben: Stichwort Drucker. Im LCD-Bereich sind wir seit Beginn des Anlaufens der Flachbildschirme die Nummer eins im deutschen Markt.

Auf dem NEC-Partnertreffen vergangenes Jahr in Düsseldorf sagten Sie, daß sie 98/99 mit rund 380 Millionen Mark Umsatz abschließen wollen.

Beim Gewinn wollten Sie eine "schwarze Null" sehen. Werden Sie diese Ziele erreichen?

MERKEL: Die 380 Millionen sind weiterhin angepeilt. Aber realistisch formuliert: Ich kann sie nicht erreichen. Und zwar nicht deshalb, weil ich sie vom Umsatzpotential nicht schaffen würde, sondern weil wir hier ein wahnsinniges Auftragspolster haben - speziell für Flachbildschirme -, das wir heute nicht befriedigen können. Ich habe Aufträge in der Hand, die den Gegenwert von einem Monatsumsatz ausmachen. Wir schaffen zirka 360 Millionen Mark, was gegenüber 290 Millionen Mark im Vorjahr immerhin ein respektabler Anstieg ist. Die Verlustsituation hat sich massiv verbessert, und wir streben auch weiterhin den Break-even zum 31.3. an.

Außerdem haben wir auch zwei tolle Erfolgsmeldungen mitzuteilen: Im November und im Dezember letzten Jahres hatten wir bereits die schwarze Null. Im November sogar einen ganz kleinen Profit. Und das baut auf. Vor allem weil wir das seit Jahren nicht kannten.

Und das Gesamtjahr?

MERKEL: Ich glaube, wir können das Ganze mit Sicherheit in den Break-even-Bereich fahren. Aber nicht aufgrund von geplanten Umsatzertragssteigerungen, sondern durch ein gnadenloses Kostenmanagement.

Könnten wir heute ausliefern, was wir an Aufträgen in der Schublade haben, dann wären wir im Plus. Und das ist wiederum der Druck, den ich als Mittel gegenüber Japan ausnutzen kann: Die Company trägt sich. Wir brauchen nur genügend Munition, um in diesem Krieg auch bestehen zu können.

Wann werden sich die weltweiten Lieferengpässe entspannen?

MERKEL: Ich gehe davon aus, daß wir noch die Mitte dieses Jahres abwarten müssen, bis sich eine deutliche Entspannung zeigt. Das gibt NEC auch im Markt ganz offen zu - auch gegenüber unseren wartenden Kunden. So eine perverse Situation hatten wir hier seit Jahren schon nicht mehr. Ich hänge persönlich am Telefon und muß 1-A-Kunden absagen, die dann die Welt nicht mehr verstehen.

Unter Ihrer Regie ist bei NEC Deutschland im letzten Jahr einiges passiert. Sie haben restrukturiert, eine Trennung von Vertrieb und Marketing vorgenommen. Hat sich diese Maßnahme bewährt?

MERKEL: Ja, es hat sich bewährt. Wir fangen an, in dieser Organisation zu diskutieren, was die richtige Marktansprache ist. Als ich zu NEC kam, ohne Namensnennung der Verantwortlichen, war alles relativ selbstherrlich: Derjenige, der den Absatz und den Umsatz verantwortete, konnte gleichzeitig seine eigene Strategie entwerfen. Und war dadurch immer bestens gewappnet, wenn ich zum Beispiel kam und sagte, warum haben wir denn nicht mehr abgesetzt?

Heute ist es so, daß man sich im positiven Sinne zwischen der Strategie und der taktischen Möglichkeit immer wieder abgleicht, sie in Frage stellt und neue Wege geht. Das heißt also, daß der Vertrieb vom Marketing Dinge abverlangt, die man bislang nicht in der Lage oder willens war zu leisten.

Hat sich Ihr Zielgruppenfokus - bisher waren Sie eindeutig im Projektgeschäft zu Hause - damit auch geändert?

MERKEL: NEC orientiert sich auch weiterhin stark an der Großkundenklientel. Nur auf der anderen Seite haben wir völlig außer acht gelassen, was eigentlich der Mittelstand macht. Das ist schon sträflich. Und für diese Zielgruppe entwickeln wir jetzt Programme und wollen Aufklärungsarbeit leisten.

Eine Ihrer Marketingstrategien war ja auch die Neuaufstellung als "Total Display Company". Wo bleiben da Ihre Drucker?

MERKEL: Strategischer Bereich sind die Monitore. Ich verabschiede mich nicht vom Druckermarkt: Den Matrix-Bereich werden wir weiterhin bedienen - mit Zuverlässigkeit und Verfügbarkeit. Aber ich werde keine Gelder ausgeben, um dieses Segment zu puschen.

Als Hersteller hat NEC früh auf den LCD-Markt gesetzt. Trotzdem engagieren Sie sich jetzt auch wieder offensiv im CRT-Bereich. Warum?

MERKEL: Weil ich der Meinung bin, daß der CRT-Bereich ein verdammt wichtiger Bereich ist. Und den haben wir in der Vergangenheit klar vernachlässigt. Wenn wir heute wüßten, daß LCDs die Röhre im Jahr 2000 gänzlich ablösen würden, wäre die Strategie eine andere. Nur wir wissen alle, daß es eine vernünftige Lebensberechtigung für die Röhre gibt. Und ab hier sind wir, was den anspruchsvollen kommerziellen Bereich anbelangt, ein vernünftiger Angebotslieferant. Sicherlich nicht unbedingt für den 15-Zoll-Bereich zu Hause. Aber für den professionellen Anwender sind wir eine sehr gute Alternative. Aus diesem Grund stellen wir auch auf unserer Roadshow im Februar

eine komplett neue CRT-Produkt-Linie vor - von 15 bis 22 Zoll.

In Prozent ausgedrückt, wie werden die beiden Bereiche in der NEC-Abschlußbilanz stehen?

MERKEL: Es hält sich die Waage - 50 zu 50. Ich gebe Ihnen einen Ausblick auf das Jahr 99: In Erwartung eines gut anlaufenden CRT-Geschäfts, rechnen wir mit einem Unterschied zugunsten der LCDs, der bei 30 Prozent liegt.

Laut einiger Ihrer Vertriebskunden steht NEC für technische Innovation und Qualität. Sie monieren aber, daß Ihre Preise zu hoch seien. Wie sieht hier Ihre Strategie für das kommende Geschäftsjahr aus?

MERKEL: Der Preis ist nach meiner langjährigen Vertriebserfahrung ein emotionales und persönliches Thema. Uns ist nicht gelungen, was einer unserer Wettbewerber erreicht hat: über eine lange Periode Qualität zu einem hohen Preis anzubieten. Und die Produkte sind ja teilweise teurer als unsere.

Wir müssen den Fehler aus der Vergangenheit wieder glattbügeln: Wir versuchen also, mit besserer Qualität und teilweise günstigeren Angeboten als der Wettbewerber besser abzuschneiden. Wichtiger ist aber, daß wir den Fachhändlern, die mit uns arbeiten wollen, klarmachen, weshalb das eine oder andere Produkt diesen oder jenen Preis hat.

Der Preisverfall hat im letzten Jahr allen Anbietern zu schaffen gemacht. Jetzt gehen die Preise der Röhrenhersteller wieder etwas nach oben. Werden Sie diese Entwicklung an den Markt weitergeben?

MERKEL: Wir können das nicht. Andere schon. Aber trotz der Stärkung der Wirtschaft und der Währung in Japan wird der Trend bei den Billigmonitoren anhalten: Preise gehen in den Keller, weil es hier gnadenlos um Marktanteile geht.

Der Verdrängungswettbewerb wird auch für Markenanbieter härter. Wie wird sich NEC in Zukunft hier behaupten?

MERKEL: Lassen Sie uns unterscheiden zwischen CRT- und LCD-Geschäft. Im CRT-Markt haben wir einen Marktanteil, der zwischen drei und vier Prozent liegt. Was kann uns da noch passieren? Gar nichts. Das einzige, was uns passieren kann, ist, daß wir über unsere Mittelstandsstrategie wieder Wachstum generieren. Der Verdrängungswettbewerb macht mir da keine Sorge.

Und was das LCD-Thema anbelangt: Hier sind wir in der Planung für 99. Der Preisrutsch wird bei Flachbildschirmen nicht so fortschreiten wie in der Anfangsphase. Da halten wir uns jedenfalls zurück. Ich habe den einen oder anderen gehört, der sagt, wir erhöhen die Preise für LCDs. Ich bin kein Befürworter dieser Strategie. Aber ich glaube, es ist legitim, dem Preisdruck nicht so stark nachzugeben oder den Preis zu halten.

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