In unzähligen Werbespots werden zufriedene Verbraucher präsentiert, die Produkte mit Wohlgefühl konsumieren und mit Inbrunst zum Kauf empfehlen. Allerdings ist dieser 'mediale' Konsument oft nichts anderes als ein Idealtyp, hinter dem der reale Konsument - zum Leidwesen vieler Unternehmen - weit zurückbleibt. Wer mehr Kunden und damit größere Marktanteile gewinnen will, muss mehr tun: Aggressive Preisstrategien, ein verändertes Produkt-Portfolio, neue Marketingkampagnen oder die Übernahme von Unternehmen reichen nach Analysen von Manfred Wirl, Direktor der Bonner Forschungsgruppe Dienstleistungsökonomie, nicht aus. "Bei all diesen strategischen Überlegungen wird oft eines übersehen, nämlich dass einer der größten Wachstumstreiber diejenigen Kunden sind, die ein Unternehmen ihren Freunden oder Kollegen weiterempfehlen. Schon aus klassischen Untersuchungen zum Thema 'Meinungsführer' weiß man, dass Kaufentscheidungen nicht in erster Linie von der Werbung beeinflusst werden, sondern von Personen aus dem persönlichen Umfeld", erklärt Wirl gegenüber pressetext.
Fred Reichheld, der sich als Managementberater und als "Hohepriester" der Kundenloyalität in den USA einen Namen gemacht hat, hat diesen Grundgedanken in den Mittelpunkt seines Ansatzes zu mehr und nachhaltigem Wachstum gestellt. Darin wird das Ideal vom begeisterten, loyalen Kunden, der Unternehmen weiterempfiehlt, nicht als bloßes Verkaufsargument aufgefasst, sondern als Ziel, das sich für jedes Unternehmen lohnt. Denn Unternehmen mit loyaleren Kunden wachsen weitaus stärker als ihre Wettbewerber. Der Wert eines loyalen, weiterempfehlenden Kunden wird noch deutlicher, wenn man die Kosten für die Kundenakquisition in Betracht zieht: "Es kostest fünfmal mehr, einen neuen Kunden zu gewinnen als einen Kunden zu binden", rechnet Fred Reichheld vor.
Wer hofft, dass Fred Reichhelds Wachstumsansatz eine Ausweitung von Marktforschungsaktivitäten nach sich zieht oder der Untersuchung der Kundenzufriedenheit zusätzliche Impulse verleiht, wird enttäuscht. Scharf ist seine Kritik an den "traditionellen Zufriedenheitsmessungen", die zum Teil sicherlich berechtigt ist. Denn nicht nur in den USA, sondern mittlerweile auch hierzulande haben negative Entwicklungen dem Ruf der Markt- und Meinungsforschung geschadet. "Seriöse und kompetente Meinungs- und Marktforscher beklagen, dass viele Umfragen nichts anderes als verkappte Werbe- und Verkaufskampagnen sind. Darüber hinaus haben ein harter Wettbewerb und Preisdumping dazu geführt, dass viele Institute nur noch Standard-Tools anbieten, die den spezifischen Anforderungen zur Untersuchung der Kundenzufriedenheit oft nicht entsprechen. Auch scheint man heutzutage der Erforschung von geeigneten Umfragemethoden nicht mehr die gleiche Aufmerksamkeit zu schenken wie früher. Wie lässt sich sonst erklären, dass Prinzipien, die die Meinungsforscherin Elisabeth Noelle-Neumann vor fast fünfzig Jahren formuliert hat, entweder nicht mehr angewendet oder schlichtweg missachtet werden. Viele Umfragen sind mit Fragen überfrachtet und drangsalieren den Interviewten mit monotonem Abfragen, was nicht selten Missmut hervorruft. Der Befragte, der im Mittelpunkt jedes Interviews stehen sollte, wird auf einen Datenlieferanten reduziert, oft mit nicht einschätzbaren Auswirkungen auf die Validität - die Gültigkeit der Ergebnisse", kritisiert Wirl, der als Wissenschaftler am Institut für Demoskopie Allensbach tätig war.
Fred Reichheld stellt den Befragten wieder in den Mittelpunkt der Umfrage, in dem er ihn als wertvollen Kunden behandelt. Entscheidend ist dabei die Bedeutung des Kunden als Promotor, die er direkt über die so genannte "ultimative" Frage ermittelt. Die Frage lautet: "Wie wahrscheinlich ist es, dass Sie die Firma XY einem Freund oder Kollegen weiterempfehlen?". Diese Frage ist das Kernstück des von Reichheld entwickelten Net Promoter Scoring (NPS), die auf einer Skala von Null -"überhaupt nicht wahrscheinlich" - bis Zehn - "sehr wahrscheinlich" - zu beantworten ist. Je nach Positionierung der Antworten auf der Skala werden die Kunden drei Segmenten zugeordnet: den Promotoren, den Passiv-Zufriedenen und den Kritikern. Aus der Differenz des Prozentsatzes der Promotoren und der Kritiker wird schließlich als Kennzahl der Net Promotor Score errechnet.
Die Vorzüge sind offensichtlich: Net Promotor Scoring ermöglicht, schnell und ohne großen Aufwand einen Index der Kundenloyalität zu ermitteln, der sich an Daten zum tatsächlichen Kundenverhalten leicht überprüfen lässt. Net Promotor Scoring hat in kurzer Zeit deutlich an Popularität gewonnen und wird mittlerweile in vielen Unternehmen eingesetzt. Zum Kreis der Anwender zählen solche weltweit bekannten Namen wie General Electric, American Express oder Dell.
Dennoch ist -"wenn es um die Methode geht" - nach Fred Reichhelds eigener Aussage "Bescheidenheit angebracht". Er räumt ein, dass eine strenge Messung der Kundenbeziehungen noch in der Entwicklung steckt: "Die von Fred Reichheld empfohlene 10er Skalierung zur Ermittlung der Weiterempfehlungsrate sowie die daraus abgeleitete Kundensegmentierung ist nicht auf alle Branchen übertragbar. Denn grundsätzlich fällt die Begeisterung für Produkte oder Dienstleistungen, von denen der Kunden einen besonderen emotionalen oder materiellen Nutzen hat, höher aus als für solche, die zwar als notwendig, aber weder als emotional noch als materiell bereichernd wahrgenommen werden", so die Erkenntnisse von Wirl. Net Promotor Scoring sei ein ideales Instrument für das Kundenmanagement und eröffnet zusätzliche strategische Optionen, die vor allem in Verbindung mit neuen innovativen Technologien wirkungsvoll umgesetzt werden können. "Davon können besonders Call Center profitieren. Sie sind die Visitenkarte vieler Unternehmen, auch wenn sie von den Unternehmen oft nicht als solche wahrgenommen werden. Ihre Serviceleistung hat einer Kundenumfrage zufolge, die die Alcatel-Tochter Genesys in diesem Jahr mit 4.200 Befragten weltweit durchgeführt hat, entscheidenden Einfluss auf die Bindung an ein Unternehmen", weiß Wirl. (pte/mf)