Netzkultur: Wer nicht kauft, wird geschluckt oder verschwindet

03.07.1997
MÜNCHEN: Kritisch beäugt von Marktführer Cisco verschmelzen Netzwerker 3Com und Modemhersteller US Robotics zum zweitgrößten Anbieter von Netzwerkkomponenten. Absicht des Megadeals im Wert von zirka sieben Milliarden Dollar ist, im Netzwerkmarkt nicht nur "einer der sieben Zwerge" neben Cisco zu bleiben. Denn während 3COM im LAN-Markt stark ist, ist US Robotics im ISP-Markt (Internet Service Provider) vertreten.Immer noch herrscht zwischen den knapp 90 Mitarbeitern der deutschen 3Com-Filiale in München und den 50 Mitarbeitern der US-Robotics-Filiale in Unterföhring bei München "absolute Funkstille", war aus Mitarbeiterkreisen zu hören. Das, obwohl der Milliardenmerge der beiden amerikanischen Unternehmen für 3Com-Präsident Eric Benhamou und US-Robotics-Präsident Casey Conwell beschlossene Sache zu sein scheint. Begründet wird dies mit der amerikanischen FIC-Bestimmung. Diese untersagt dann Gespräche zwischen Unternehmensmitarbeitern, wenn deren - aktiengehandelten - Unternehmen gerade dabei sind, zu fusionieren. Denn, so der Verdacht, die Mitarbeiter könnten firmenintern erworbenes Wissen für Aktienspekulationen nutzen.

MÜNCHEN: Kritisch beäugt von Marktführer Cisco verschmelzen Netzwerker 3Com und Modemhersteller US Robotics zum zweitgrößten Anbieter von Netzwerkkomponenten. Absicht des Megadeals im Wert von zirka sieben Milliarden Dollar ist, im Netzwerkmarkt nicht nur "einer der sieben Zwerge" neben Cisco zu bleiben. Denn während 3COM im LAN-Markt stark ist, ist US Robotics im ISP-Markt (Internet Service Provider) vertreten.Immer noch herrscht zwischen den knapp 90 Mitarbeitern der deutschen 3Com-Filiale in München und den 50 Mitarbeitern der US-Robotics-Filiale in Unterföhring bei München "absolute Funkstille", war aus Mitarbeiterkreisen zu hören. Das, obwohl der Milliardenmerge der beiden amerikanischen Unternehmen für 3Com-Präsident Eric Benhamou und US-Robotics-Präsident Casey Conwell beschlossene Sache zu sein scheint. Begründet wird dies mit der amerikanischen FIC-Bestimmung. Diese untersagt dann Gespräche zwischen Unternehmensmitarbeitern, wenn deren - aktiengehandelten - Unternehmen gerade dabei sind, zu fusionieren. Denn, so der Verdacht, die Mitarbeiter könnten firmenintern erworbenes Wissen für Aktienspekulationen nutzen.

Nun liegen die deutschen 3Com- und US-Robotics-Zentralen nicht in den USA. Doch offensichtlich reicht der Arm der US-Behörden dorthin, wo amerikanische Firmen vertreten sind. Für 3Com- und US-Robotics-Mitarbeiter, die sich an die Vorschrift halten, heißt das, daß sie sich in das Internet einwählen müssen. Dort finden sie Webseiten mit ausführlichen Erklärungen ihrer CEOs, aber auch firmenunabhängige Kommentare und Einschätzungen zu der bis August vollzogenen Fusion. Mit ihr will der neue Netzwerkriese nämlich den Internetmarkt erobern.

Bis es soweit ist, muß allerdings noch "konkrete Umsetzung dessen" (Zitat Mitarbeiter), was bisher nur auf den Strategiepapieren der beiden Netzwerker abgehandelt wird, in die Wege geleitet werden.

Risiken des Merges

Die konkrete Umsetzung ist auch einer der zentralen Punkte, für den sich Marktbeobachter und Brancheninsider in diesem Fall interessieren. Denn im boomenden Netzwerkmarkt sind zwar gigantische Firmenaufkäufe an der Tagesordnung, doch nach Auskunft eines Brancheninsiders "zeigt die Erfahrung, daß weniger als 50 Prozent der Firmenkäufe das erwünschte Resultat ergeben". Der Grund dafür: Bei Großfusionen, wie sie beispielsweise Wellfleet und Synoptics 1994, 3Com und Chipcom 1995 oder Cisco und Stratacom 1996 vollzogen, sind Produktüberschneidungen an der Tagesordnung. Außerdem wandern oft ganze Technikerabteilungen ab, um etwa in kleinen Startup-Companies Neues zu beginnen. "Eine Fusion dieses Umfangs heißt: Die Firmen sind im nächsten halben Jahr mit sich selbst beschäftigt", blickt etwa Cisco-Manager Harald Zapp auf die eigene Vergangenheit zurück.

Dem allerdings widerspricht 3Com-Geschäftsführer Albert Müller: "Wir haben Erfahrungen mit Akquisitionen", erklärt er gegenüber ComputerPartner. Außerdem sieht er kaum Probleme bei der Produktüberlappung. Lediglich im High-end-Bereich stellt er Überschneidungen fest. "Das macht vielleicht zwei Prozent des Produktportfolios aus", ist sich Müller sicher.

Daß sich so wenig Produkte wie möglich überschneiden, ist laut Marktforscher Metagroup der zweite ausschlaggebende Faktor für eine erfolgreiche Fusion. Dieser macht beispielsweise Netzwerker Bay Network, hervorgegangen aus der Wellfleet- Synoptics-Fusion, nach Ansicht von Branchenkennern bis heute zu schaffen. Allerdings, so die Metagroup, ist auch 3Com "noch immer mit den Folgen der Aufkäufe von Hub-Hersteller Chipcom oder WAN-Anbieter Nicecom beschäftigt". Zudem hat auch US Robotics in letzter Zeit zwei Remote Access-Unternehmen gekauft. Trotzdem will 3Com-Präsident Benhamou Probleme bei der Fusion bereits jetzt komplett ausschließen. Im Gegenteil: Das Unternehmen wirbt schon bei seinen angestammten LAN-Händlern mit der Ankündigung, daß der Merge "signifikante Wachstumsschübe" bringt, so Ralph Godfrey, Vizepräsident Sales bei 3Com.

3Com- und US-Robotics: Fakten und Hoffnungen

An Unternehmensfakten ist derzeit festzustellen: Der vornehmlich im LAN-Geschäft tätige Netzwerkanbieter 3Com weist für das Geschäftsjahr 1995/96 einen Umsatz von 2,3 Milliarden Dollar aus. Er wurde vor allem mit LAN-Ausrüstung erwirtschaftet. Hier ist das Unternehmen eigenen Angaben zufolge der weltweit größte Anbieter von Netzadapter-Karten. Mit diesen werden Desktops an LANs angeschlossen vernetzt.

US Robotics setzte 1996 ebenfalls 2,3 Milliarden Dollar um. Zwar ist das Unternehmen vor allem als Modem-Hersteller bekannt, doch das ist nur die eine Sparte, worauf es 3Com abgesehen hat. Die andere, für die Internet-Absichten wichtigere Sparte beinhaltet Remote Access Server. Mit diesen werden nicht nur Außenstellen über das Internet mit Firmennetzen verbunden, sondern ermöglichen auch sogenannten ISPs, Zugänge zum Internet anzubieten.

Der Internet-Service-Provider-Markt

Gerade dieser Markt mit seinem märchenhaften Zuwachsraten von bis zu 500 Prozent ist es, den beide angehen wollen. "Im ISP-Markt sind beziehungsweise waren wir schwach", gibt Albert Müller, Geschäftsführer der deutschen 3Com-Filiale, zu. In diesem Markt dominiert Cisco mit Routern. Diese sorgen dafür, daß Datenpakete den richtigen und protokollunabhängigen Weg in den Netzen nehmen. 80 Prozent des Internet-Equipmemts reklamiert das Unternehmen nach eigenen Angaben für sich.

Legen 3Com und US Robotics nun ihre Abteilungen zusammen, entsteht rechnerisch ein Netzwerkriese mit insgesamt fünf Milliarden Dollar Umsatz und zirka 12.000 Mitarbeitern weltweit. Größer ist allein Cisco, der im Geschäftsjahr 1995/96 einen Umsatz von 4,1 Milliarden Dollar verbuchte.

"Gelingt 3Com die Integration von US Robotics, entsteht neben Cisco ein ,One stop shop' für LAN- und WAN-Equipment", analysiert Skip MacAskill von Marktforscher Gartner Group. Allerdings fehle 3Com jede Erfahrung mit WANs, schränkt ein Analyst der Metagroup ein.

Internetboom und Akquisitionen

Der Grund für die zweitgrößte Fusion in der IT-Branche nach dem verlustreichen sieben- Milliarden-Dollar-Kauf von NCR durch AT&T im Jahr 1990 ist schnell benannt: Im Netzwerkmarkt geht es um viel Geld. So nehmen Analysten von Marktforscher IDC unwidersprochen an, daß allein der kommerzielle Internetmarkt weltweit von zirka 400 Millionen Dollar im Jahr 1995 auf zirka 100 Milliarden Dollar im Jahr 2000 anwachsen wird.

Daß Internet und Intranets zum meistgenutzten Medium geschäftlicher Kommunikation avancieren werden, erscheint sonnenklar. So gaben in einer Studie der Schwesterzeitung "Computerwoche" zwei Drittel der befragten deutschen Unternehmen an, Intranets und Internet zu nutzen beziehungsweise in absehbarere Zeit nutzen zu wollen.

Investitionen in Netzwerke

Für all die Internert- und Intranetpläne braucht man Ausrüstung, also Hard- und Software für die Netze, die Weiterleitung von Daten, die Verbindung heterogener Netze, die Anbindung von LANs an das Internet, die interne Verknüpfung von Firmennetzen über das Internet und die weltweite Vermittlung von Daten.

Entsprechend investiert jedes Unternehmen in Netze. Und das auf Jahre hinaus mit hohen Kosten. Denn ohne Kundenanbindung via Internet und interne schnelle Verfügbarkeit der Unternehmensdaten glaubt kein Unternehmen, im Wettbewerb überstehen zu können.

Die Investitionsfreude in Netzwerke aber enthält für Unternehmen auch ein Risiko: Da die meisten Netzwerk-Produkte noch immer nicht miteinander arbeiten und deshalb etwa ein Cisco-Router nicht mit dem eines Konkurrenten, etwa 3Coms, zusammenarbeitet, kommt es bei der Investition darauf an, die richtigen Produkte zu wählen. Und hier herrscht das Motto: Je größer das Netzwerk-Unternehmen, bei dem gekauft wird, desto wahrscheinlicher ist es, sich bei dem richtigen Unternehmen seine Netzwerk-Ausrüstung beschafft zu haben. Insofern können nach Branchenmeinung nur große Netzwerkanbieter überleben. Die übrigen werden in eine Nische gedrängt - oder aber gekauft.

Genau das will Cisco nun tun: Zu den mehr als zwölf Käufen der letzten beiden Jahre kündigte Cisco-Präsident John Chambers für dieses Jahr zwischen "acht und zwölf Akqusitionen" an. Das Spiel geht also weiter. (wl)

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