Netzwerker treffen sich zur Krisenbewältigung auf der Exponet

28.11.2002
Als "Überraschung des Jahres", die sogar ein "positives Zeichen für die IT-Branche signalisiert", will Veranstalter DC-Europa die diesjährige Netzwerkermesse "Exponet" in Köln ausgemacht haben. Doch die Branche ist noch lange nicht über den Berg. Im Gegenteil: Sie hat Angst vor dem kommenden Jahr.

800 (nicht unbedingt auch anwesende) Aussteller in acht Hallen, 75.000 Quadratmeter, die von 70.400 Besucher an drei Tagen nach brauchbaren Angeboten durchsucht wurden - wer die Netzwerkbranche treffen und mit ihr reden wollte, war auch dieses Jahr auf der "Exponet" gut aufgehoben.

Zwar fand das spätherbstliche Stelldichein der Zunft in diesem Jahr nahezu ohne ISPs und Carrier statt, doch das störte die Netzwerker, die laut Veranstalter mit den von so manchem Besucher bezweifelten Rekordzahlen bei Ausstellern, Besuchern und Fläche "ein Signal für die IT-Branche setzen" konnten, eher wenig. Seit dem UMTS-Desaster müssen sie nicht mehr das Thema "Konvergenz der Netze" in jedem dritten Satz bemühen; stattdessen wird wieder von Datenpaketen gesprochen, egal ob sie in IP- oder Funknetzen vermittelt werden.

Trotz der großen Depression im vorigen Jahr, des Investitionsstaus in diesem Jahr, der bis heute im Dreimonatsabstand erfolgenden Restrukturierungen bei Netzwerkanbietern, der Massenentlassungen und Produkteinstellungen gibt es, so versichert die Branche, viele Themen, die Käufer von Netzwerkkomponenten wirklich interessieren. WLANs und "Voice over IP" (VoIP) zum Beispiel, Management von Netze, Sicherheit und Verfügbarkeit von IP-Netzen sowieso. Schließlich schicken Unternehmen immer mehr Daten über weltweite IP-Strecken, gleich von welchem Ort aus und mit welchem Device. Und das macht das Management der Geräte, die Zugriffe auf Firmennetze, ihre Verfügbarkeit und Kontrolle immer aufwändiger.

Im Mittelpunkt stehen Vertrieb und Partner

Trotzdem: Die von vielen Herstellern am höchsten gehandelte Themen waren Vertrieb, Partner und Projektgeschäfte nach dem Motto: Wie mache ich Geschäfte - heute und in den kommenden Monaten? Man müsse derzeit eben wissen, wie man die Kunden erreicht, so die allseits geäußerte Meinung. Klar, denn die Kahlschlagpolitik in Unternehmen bei Mitarbeitern und Produkten, die unentwegt beschworene "Konzentration auf die Kernkompetenz" bei gleichzeitigem Abbau von Vertriebsmannschaften und Technikern macht die konkurrierenden Hersteller einander immer ähnlicher. In dieser Situation "muss man das Marketing, trotz strengster Kostenplanung, stärken, um beim Kunden vor anderen Herstellern aufzutauchen", empfiehlt Jörg Lösche, Managing Director bei Allied Telesyn Deutschland. Er werde den Marketingtopf deutlich aufbessern - als Konsequenz der geschilderten Lage, aber auch, weil Allied jetzt dabei sei, ins Geschäft mit Enterprise-Switches einzusteigen.

Klaus Dieter Hesse, Geschäftsführer von D-Link Deutschland, spricht sogar von "Marketingprügeln", und für Michael Schönrock, der gerade zum Geschäftsführer von 3Com Deutschland avancierte, steht jetzt schon fest, das er ab nächstem Jahr mit vergrößerter Marketingabteilung agieren wird.

Natürlich will er, wie alle anderen auch, bei denen es das Produktportfolio hergibt, mehr höhermargige Produkte verkaufen. Doch das sei, so Schönrock, ohne den Schulterschluss mit Partnern und Distributoren nicht zu erreichen. "Um nahe am Kunden zu sein, müssen wir nicht nur den Vertrieb, sondern auch unsere Partner klarer fokussieren." Dieselbe Meinung war am Cisco-Stand zu hören, am Stand von Netzwerkneuling LG Electronics Deutschland ... Wer sie nicht hörte, wollte sie einfach nicht hören.

"Wer jetzt keinen funktionierenden Vertrieb hat", befand der Geschäftsführer eines Sicherheitsspezialisten, der nicht genannt werden wollte, trocken, "sondern erst anfängt, hat kaum eine Chance. Sehen Sie sich das Meer an ähnlichen Produkten an. Gerade jetzt gehen die Kunden zu den Anbietern, die sie kennen!"

"Der Distributor wird wieder aufgewertet", freute sich Azlan-Manager Werner Kühn. Zumal wenn es um die Frage gehe, welches Produkt der Kunde kaufen soll. Beispiel: das allerorts präsente Thema Sicherheit. "Der Fachhändler sagt zum Distributor: Gib mir eine Empfehlung!", erklärte ein sichtlich erschöpfter Vertriebler des Münchener Security-Distributors Computerlinks am Ende des zweiten Tages. Für ihn zeigten die "zahlreichen, sich lohnenden Gespräche", dass Kunden, infolge ihres Datenaufkommens, aber auch des "gnadenlosen Wettbewerbs" um Marktvorteile, genau wissen wollen, mit welcher Sicherheitslösung sie sich ausrüsten sollen.

Hinter ihm leerte sich übrigens gerade das gut besuchte "IT-Security-Forum" — als Aussteller tut man auch auf der Exponet gut daran, sich nahe am Besucherstrom zu platzieren. Wer das nicht getan hatte, musste inmitten der verschwenderisch anmutenden Weitläufigkeit erkennen, dass man schlicht übersehen wurde. Zumal als kleiner und nicht unbedingt bekannter Anbieter. Denn so viel wurde auf der Exponet klar: Die derzeit hoch gehandelten und verständlicherweise von Anbietern angeschobenen Themen vermögen Kunden nicht zu begeistern.

Nicht nur, weil so gut wie jedes Thema von einer kaum überschaubaren Menge von Herstellern zum ureigensten Metier erklärt wird - ein Blick auf die Menge der WLAN- oder Switches-Angebote in Köln zeigte dies zur Genüge. Sondern weil die Mehrheit der Kunden wissen will, wo der Anbieter im nächsten Jahr steht.

"Wer auf diese Frage keine überzeugende Antwort hat, scheidet schnell aus dem Kreis der möglichen Kandidaten aus" weiß Dieter Holderle. Der Geschäftsführer von Gigabit-Switches-Spezialist Found-ry Networks Deutschland spricht gelassen aus, was vielen Netzwerkern im nächsten Jahr massive Probleme bereiten dürfte: Wie erreiche ich Kunden, wenn sie nicht mehr zu mir kommen, sondern ich zu ihnen gehen muss? "Im zweiten Jahr der IT-Krise ist die richtige Lösung dieser Frage entscheidend", sagt 3Com-Manager Schönrock. Er hat Recht.

www.exponet.de

ComputerPartner-Meinung:

Es ist ein Leichtes, sich über die Rekordzahlen der "Exponet" zu mokieren. Aber selbst wenn man sie anzweifelt, beispielsweise nach-dem man statt einen Ausstellerstand eine Pinnwand mit "Key Note Arena"-Ankündigungen antraf: Die Exponet muss auch in diesem Jahr als die wichtigste Messe der Netzwerkerzunft klassifiziert werden. Das wissen die Aussteller, weshalb sie die Messe ihren Kunden mindestens ebenso ans Herz legen wie die unvermeidliche und wenig geschätzte Cebit. Doch das Exponet-Engagement fällt in eine Zeit, die für viele Netzwerker bedeutet, dass ihre Anstrengungen nicht belohnt werden. "Ein allgemeines Investment" sei hierzulande nicht zu erkennen, so der Geschäftsführer eines großen und solide wirtschaftenden Netzwerkers. Ändert sich daran auch im nächsten Jahr nichts, ist der finanzielle Spielraum vieler Netzwerker definitiv zu Ende, eine brutale Konsolidierung die Folge. Damit rechnen in der Branche viele, weshalb in Köln die Stimmung längst nicht so gut war, wie sie angesichts der "guten Gespräche" und der "hervorragenden Leads" eigentlich hätte sein müssen. (wl)

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