Netzwerkintegration von CDS im Wandel

29.04.1999

MÜNCHEN: Kaum haben sich CD-Rom-Server halbwegs in der Branche etabliert, machen sie schon wieder von sich reden. Mit immer leistungsfähigeren Funktionen soll den Jukeboxen Angst eingejagt werden. Das Zauberwort heißt dabei "Festplatten-Caching", das schnellere Zugriffszeiten verspricht.Wer besitzt gerade die CD mit den Grafiken? Wo ist bloß die Scheibe mit den Preislisten hingekommen? Und wieso liegt die CD mit den Jahresberichten nicht an ihrem angestammten Platz? So oder so ähnlich klingt es in vielen Büros, in denen sich mehrere Mitarbeiter ein und dieselben CDs teilen. Aber es geht auch anders. In den verschiedensten Varianten und in zahlreichen Unternehmen und Institutionen kommen mittlerweile CD-Rom-Server zum Einsatz. Mit diesen Systemen können mehrere Benutzer gleichzeitig auf die gleichen CDs zugreifen.

"Es hat lange gedauert, bis dieses Konzept in die Köpfe der Leute hineinging", gesteht Wolfgang Bauer, Product-Marketing-Manager der Transtec AG. Als "Nice-to-have-Produkt" bezeichnet er die CD-Netzwerk-Geräte heutzutage. Claudia Höck, zuständig für PR und Marketing bei der Incom GmbH, pflichtet bei: "Die ganze Technologie ist jetzt nützlich, etabliert, für jeden anwendbar und auch preiswert geworden." Und Michael Rupp, Produktmanager bei Hewlett-Packard, fügt hinzu: "CD-Rom-Server sind kein Nischenmarkt mehr."

Die Entwicklung vom exotischen zum gängigen Produkt innerhalb der letzten Jahre bringt jedoch auch Nachteile mit sich. Durch die größere Infodichte sei der Markt jetzt schwieriger geworden, meint Marketier Bauer vom Systemhersteller Transtec. Für Höck sind Preiskämpfe derzeit nicht angebracht, da etliche Produk-te immer noch erklärungs-bedürftig seien.

Fest steht: Der Markt für CD-Rom-Server macht zur Zeit einen Wandel durch. In der Vergangenheit waren CD-Rom-Laufwerke meistens direkt, das heißt ohne eine eigene Intelligenz, an den Netzwerkserver angebunden. Durch den Einsatz einer Management-Software konnten diese Türme für mehrere Benutzer gleichzeitig zugänglich gemacht werden. Obwohl solche Lösungen immer noch häufig im Einsatz sind, ist die Nachfrage nach dieser Art der Integration von CDs in Netzwerke heute stark rückläufig.

Thin Server haben das Ruder übernommen

Die Führung im Markt haben mittlerweile Produkte übernommen, die losgelöst von Servern im Netzwerk stehen. Immer häufiger spielen dabei in ihnen integrierte sogenannte "Thin Server" die tragende Rolle, also unabhängige, intelligente und auf bestimmte Aufgaben reduzierte Mini-Server. Welche Bedeutung sie künftig einnehmen werden, verdeutlichen Zahlen vom Marktforschungsinstitut Dataquest. Im letzten Jahr wurden zwei Milliarden Dollar mit den schlanken Geräten umgesetzt, bereits 52 Prozent mehr als 1997. Bis 2002 soll das Volumen auf 16 Milliarden Dollar steigen.

Während Printserver mit 963 Millionen Dollar Umsatz den Thin-Server-Markt 1998 dominierten, sollen ihre Umsätze laut Dataquest bis 2002 aber nur noch auf etwa drei Milliarden Dollar steigen. Dagegen erwarten die Auguren, daß sich die Umsätze im Bereich Network Attached Storage (NAS) von 900 Millionen (1998) auf 10,5 Milliarden Dollar (2002) erhöhen und NAS damit im Thin-Server-Markt für die nächtse Zeit die tragende Rolle übernimmt. Unter NAS werden dabei in einem Netzwerk befindliche, unabhängige Speichermedien zusammengefaßt. Den weitaus größten Brocken stellen dabei CD-/DVD-Tower, -Server oder -Jukeboxen.

Ohne Caching geht nichts mehr

Als Hersteller von Thin Servern treten Axis, Allion, Stor Logic, Hewlett-Packard und Microtest auf. Axis sieht sich dabei selbst in der Spitzenposition, denn acht der zehn größten Hersteller von CD-Rom-Türmen setzen - nach Angaben von Axis - auf Produkte des schwedischen Unternehmens. Die größte Menge an CDs kann momentan jedoch der "Disc Zerver" von Microtest verwalten: 248 Stück sind dabei oberste Grenze, was etwa 160 GB Daten entspricht. Axis ist mit seinem neuesten "Stor Point" zwar erst bei 127 angelangt, nach Aussage von Business-Development-Manager Peter Eckl werden es in der im September auf den Markt kommenden Version aber "deutlich mehr sein".

Eines aber haben alle neuerscheinenden Thin Server gemeinsam: Sie unterstützen das sogenannte Festplatten-Caching, ein Verfahren, das zur Zeit stark im Kommen ist. Zwar ist dieses Prinzip erst in wenigen installierten Exemplaren vorhanden, aber die Zahl der mit Caching-Funktion verkauften CD-Rom-Server wächst am stärksten. 1997 betrug ihr Anteil noch fünf Prozent, im Jahr 2001 werden es laut Axis bereits knapp 50 Prozent sein.

Ausgestattet mit dieser Option sind die Server in der Lage, die Inhalte der CDs beziehungsweise DVDs auf einer integrierten Festplatte zwischenzuspeichern und auf diese Weise Zugriffszeit und Datendurchsatz erheblich zu verbessern. Nach Angaben der Teac Deutschland GmbH müßte ein CD-Laufwerk eine 66fache Geschwindigkeit haben, um die gleiche Leistung wie mit einer Caching-Funktion zu erzielen.

Devid Maros, Account-Manager bei der La Cie GmbH, schränkt allerdings ein, daß Caching nur dann sinnvoll sei, wenn lediglich ein oder zwei Laufwerke und eine oder mehrere große Festplatten zur Verfügung stünden. Diese Aussage bestätigt Stephan Reuter, Vizepräsident von Stor Logic, mit einem Blick über den großen Teich: "In den USA wurden zuletzt verstärkt Systeme mit nur ein oder zwei Laufwerken, dafür aber einer großen Festplatte zum Cachen eingesetzt."

Zum Angriff blasen

Bisher lag der Nachteil von Servern im Vergleich zu Jukeboxen in der geringen Menge an CDs, DVDs oder Laufwerken. Durch Festplatten-Caching könnte sich das Bild relativieren. CD-/DVD-Systeme im Netzwerk könnten somit neue Marktsegmente attackieren. Insbesondere für den mittleren Bereich wird erwartet, daß Server zu einer starken Konkurrenz der etablierten CD-Tower mit CD-Wechslern oder gar von CD-Jukeboxen werden.

Ob die Server auch im oberen Marktsegment Land sehen werden, bleibt abzuwarten. Zu schwer wiegen noch die Vorteile, die die Jukeboxen - trotz hoher Zugriffszeit - dort besitzen: eine immens hohe Datenkapazität und Vielseitigkeit. Beispielsweise umfaßt der weltweit größte Jukebox-Verbund derzeit über 60 Geräte mit etwa 5.800 CDs, auf denen rund 3,7 TB Daten abgelegt sind. Außerdem kann der Anwender bei der Zusammenstellung einer Jukeboxen sowohl über das Verhältnis Laufwerke zu Medien entscheiden als auch darüber, ob und wie viele Datenträger während des laufenden Betriebs ausgetauscht werden können. Steht ein möglichst schneller Datenzugriff im Vordergrund, werden mehrere Laufwerke und weniger Magazine zum Einsatz kommen. Wird jedoch Wert auf ein hohes Fassungsvermögen gelegt, müssen die Laufwerke Platz machen für die Lagerung von CDs/DVDs.

Daß Jukebox-Technologie beim Aufbau von Storage-Lösungen trotz aller Konkurrenz zunehmend nachgefragt wird, zeigt nach Meinung von

Claudia Höck die jüngste Marktentwicklung. Beispielsweise konnte der Distributor während der letzten drei Jahre sein Jukebox-Geschäft um mehr als 70 Prozent ausweiten.

Darüber belegten Systemvergleiche, daß Jukebox-Lösungen sowohl in

puncto Datensicherheit als auch unter Wirtschaftlichkeitsaspekten den magnetischen Speichersystemen ab einem Speicherbedarf von etwa

70 bis 100 GB weit überlegen seien. Insgesamt habe Incom Produkte von 16 Herstellern zur Auswahl, hebt Höck hervor, und 1.400 Händler würden bei dem Disti einkaufen.

Gegenmassnahmen ergreifen

Der Markt der CD-Wechsler ist durch eine Besonderheit gekennzeichnet: Produkte der japanischen Firma Nakamichi sind dabei praktisch konkurrenzlos. Hingegen zeigt sich bei den Jukeboxen ein vielfältigeres Bild. Zu den bedeutendsten Herstellern zählen Kodak, JVC, Pioneer, NSM, Plasmon, DTS, Grundig und ASM. Marktführer ist nach Meinung vieler Beobachter dabei die NSM GmbH. Nach eigenen Angaben hat sie bisher weltweit mehr als 80.000 Jukebox-Systeme installiert.

Hier taucht indes ein großes Problem auf: Es gibt keine oder nur wenige Marktzahlen - egal, ob es Verkaufszahlen, Prognosen oder Marktanteile sind. Die wenigen vorhandenen Studien nennt Höck "abenteuerlich", da der Markt im Umbruch sei. Für HP-Manager Rupp liegen deswegen keine genauen Studien vor, weil die Abgrenzungen unklar sind. In der Tat sind sich die Hersteller oft nicht

einig, was sie als "Tower" und was als "Server" bezeichnen. Unzählige Konfigurationsmöglichkeiten der Server und Jukeboxen (unterschied-liche Anzahl der Laufwerke, mit oder ohne CD-Wechsler, mit oder ohne Caching-Option) dienen auch nicht gerade der Übersichtlichkeit des Marktes.

Ganz wohl in ihrer Haut fühlen sich die Jukebox-Hersteller angesichts der Bedrohung durch die CD-/DVD-Server jedenfalls nicht. Um gar nicht erst in einen Konkurrenzkampf zu gelangen, treten sie die Flucht nach vorne an und bringen nunmehr verstärkt DVD-Jukeboxen auf den Markt. Das Konzept ist klar: Der Kunde soll sich durch die ungleich höheren Kapazitäten dieser Geräte gar nicht erst mit CD- oder DVD-Servern einlassen.

NSM-Geschäftsführer Rudolf Kergaßner ist darüber hinaus aber auch die Unsicherheit im DVD-Bereich aufgrund der verschiedenen Standards leid und möchte dieses Problem durch das Entwickeln neuer Geräte lösen. Von Konkurrenz kann nach seiner Aussage aber keine Rede sein, denn für die neue DVD-Jukebox "Galaxy" habe NSM "fast Blindbestellungen". Einen Mittelweg wählt hingegen die DTS Computer GmbH. Mit dem "Jockey 800" bietet sie eine DVD-Jukebox mit Serverfunktionalität an, also eine Kombination aus Jukebox und einem virtuellem Speicher. "Wir springen nicht erst auf den Zug auf, wenn er schon fährt", erklärt Sales-Manger Werner Achten das Vorpreschen in diesem Bereich.

Jukeboxen vor dem aus?

Was letztendlich aus den Jukeboxen wird, darüber sind sich die Verantwortlichen bei den verschiedenen Herstellern nicht einig. Daß Jukeboxen nicht von der Bildfläche verschwinden werden, glaubt beispielsweise Luis de Gouveia, Sales-Manager bei Teac: "Wenn die Festplatten größer werden, werden auch die Jukeboxen größer." Anders sieht es Transtec-Manager Bauer: "Wenn ich irgendwann so viel cachen kann, wie ich brauche, dann ist die Jukebox am Ende." Und Maros weist darauf hin, daß Jukeboxen schon jetzt weit weniger gefragt seien als CD-Türme.

"Irgendwann werden sie überflüssig." Ein Anzeichen sei dabei das Verhalten von Sony: Ursprünglich hätte La Cie Jukeboxen von Sony angeboten, doch mittlerweile habe Sony sein Jukebox-Programm gekippt.

Für welche Art der Netzwerkintegration von CDs oder DVDs sich der Kunde in Zukunft auch entschließen mag - er muß für sich entscheiden, welche der folgenden Fragen für ihn Vorrang hat:

- Was kostet es, eine CD/DVD verfügbar zu machen?

- Was kostet das Warten auf die Informationen?

- Was kostet eine Speichereinheit? (tö)

Geht bei Jukeboxen neue Wege: Werner Achten von DTS.

Optimistisch ob seiner neuen DVD-Jukebox: Rudolf Kergaßner

von NSM.

Hat lange auf den Durchbruch der CD-Rom-Server gewartet: Wolfgang Bauer von Transtec.

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