Sehr geehrter Herr Müller,
als Journalist liebe ich diese Geschichten: Da kommt jemand daher, den niemand kennt, und kauft einen Riesenladen. Das erinnert mich immer an die "gute alte Zeit" der New Economy, als man glaubte, dass nicht die Großen die Kleinen, sondern die Schnellen die Langsamen fressen. Ist doch so: Jetzt "retten" Sie als 150-Mann-Betrieb mal eben die große Siemens-Tochter Sinitec, die mit 1.100 Mitarbeitern fast zehn Mal so groß ist wie Ihr Unternehmen.
In solchen Fällen stellt man Fragen. Wie zum Beispiel diese: Müller, Müller, den Namen habe ich doch schon mal irgendwo gehört? Und dann schaut man auf Ihrer Homepage nach und erfährt dort, dass "Erfolgsgeschichen eins gemeinsam haben: Große Persönlichkeiten". Damit sind dann Sie gemeint. Man liest, dass die vielen Unternehmen, die Sie als Chef angeführt haben, "früher oder später an einen großen Konzern verkauft" wurden. Um welche Firmen und Konzerne es sich handelt, bleibt leider im Dunkeln.
Da man so wenig Konkretes erfährt, habe ich im Markt recherchiert. Ergebnis: Man kennt Sie nicht. Dann habe ich doch noch jemanden gefunden. Der war aber gar nicht so gut auf Sie zu sprechen, und das lag nicht daran, dass er gerade schlechte Laune hatte. Jedenfalls sagte er, dass Sie die 14 Millionen Euro Umsatz, von denen auf Ihrer Homepage für 2004 die Rede ist, "nie im Leben" erreicht hätten.
Wissen Sie, für mich ist diese Geschichte von a&o und Sinitec so ein bisschen ein Déjà-vu-Erlebnis. Ich weiß nicht, ob Sie den Namen Michael Märtens schon mal gehört haben. Der hatte eine Firma mit 25 Mitarbeitern und übernahm im Jahr 2002 den notleidenden PC-Filialisten Comtech mit 65 Filialen und 325 Mitarbeitern. Ergebnis: Ein paar Monate später war Comtech Geschichte. Klarer Fall von Größenwahn.
Ich hoffe ja sehr, dass die Sinitec-Mitarbeiter mehr Glück haben. Nicht dass es so läuft: Zuerst sagt man "ah", und später dann "oh", a&o eben. Aber das ist ja nicht anzunehmen. Zumindest nicht, wenn man den schönen Sätzen in Ihrer Pressemitteilung Glauben schenken will. Da heißt es unter anderem: "Die Sinitec-Gesellschaften werden von Müllers unternehmerischen Visionen profitieren." Das klingt viel versprechend! Doch nicht nur das: Die Übernahme von Sinitec durch a&o ist nach Ihrer Meinung auch ein Segen für die ganze Branche; denn, so lesen wir bei Ihnen, die Übernahme von Sinitec durch a&o ist "ein Riesenschritt in Richtung einer verbesserten Servicekultur in der Informationstechnologie". Wow!!!
Ich bin wirklich gespannt, wie sich die Übernahme der Sinitec durch a&o weiter entwickeln wird. Bitte halten Sie mich unbedingt auf dem Laufenden. Wie gesagt: Ich liebe diese Geschichten.
Mit freundlichen Grüßen
Damian Sicking
PS: Was passiert eigentlich mit den 600 Sinitec-Arbeitsplätzen, die im November vergangenen Jahres gestrichen werden sollten?