"Neue" HP: Das Produkt-Schlachtfest lässt auf sich warten

24.05.2002

Als eine wahre Übernahmeschlacht wurde der Zusammenschluss der beiden IT-Giganten HP und Compaq im Vorfeld des Mergers bezeichnet. Nicht ohne Grund. Der Kampf um die begehrten Aktionärsstimmen wurde mit harten Bandagen ausgefochten. Fusionsfreundin Carly Fiorina auf der einen und Kontrahent Walter Hewlett auf der anderen Seite, schlugen sich in aller Öffentlichkeit ihre Argumente um die Ohren. Die Auseinandersetzung wurde dermaßen vehement und emotional geführt, dass für das Gros der Marktbeobachter das Resultat der Fusion schon vor der eigentlichen Entscheidung feststand: Am Ende wird es nur Verlierer geben, zuviel Porzellan wurde bereits vor der anstehenden Elefantenhochzeit zerschlagen. Den hinterlassenen Scherbenhaufen anschließend wieder zu kitten, hielten viele für ein schier unmögliches Unterfangen.

Nun ist die Vermählung vollzogen, für viele Branchenkenner war somit klar, dass der erste Ehekrach nicht lange auf sich warten lassen wird. Denn nun galt es, den gemeinsamen Hausstand auf den Prüfstand zu stellen. Welche Produktlinien halten Einzug unter dem gemeinsamen Dach; was bleibt auf der Strecke? Mit großer Bedächtigkeit sind die beiden Unternehmen an dieses Spannungsfeld herangegangen, das von vielen erwartete Produkt-Schlachtfest ist ausgeblieben. Die jetzt veröffentlichte und auf drei Jahre angelegte Roadmap des neuen IT-Riesen zeigt vor allem eines: Bei der neuen HP bleibt vieles beim Alten.

Klar war, dass HPs Goldesel, der Imaging- und Printing-Bereich, weiterhin Bestand haben wird. Auch die Consumer-PCs beider Unternehmen werden weiterhin in den Regalen der Wiederverkäufer stehen. Hier lässt man es absichtlich zu einer Wettbewerbssituation kommen. Bei den Servern bleibt der erwartete Kahlschlag nahezu aus, obwohl die Produkte kaum noch voneinander zu unterscheiden sind. Trotzdem sind alle Leistungsklassen beider Hersteller weiterhin vertreten. Allerdings wird der künftige "master brand" hier HP heißen. Im margenträchtigen Storage-Bereich ist ebenfalls kein Kurswechsel festzustellen, und wenn, dann nur im homöopathischen Dosisbereich, wie eine ausführliche Analyse auf Seite 10 zeigt. Kurzum: Der künftige Fahrplan ist frei von großen Überraschungen. Die Prämisse lautete offensichtlich: "Kein einziges Produkt wird eingestellt werden, solange nicht ein Nachfolger mit vergleichbaren oder überlegenen Eigenschaften zu Verfügung steht."

Für die HP- und Compaq-Partner bedeutet dies zunächst soviel: Als echter Leitfaden taugt die Roadmap kaum. Bestenfalls als eine Art zugestandener Investitionsschutz für die kommenden Monate dürfte der Produktfahrplan von Händlern wie Endkunden verstanden werden. Fest steht damit aber: Die Vertriebspartner müssen nun eifrig die Schulbank drücken, damit sie ein fundiertes Wissen über beide Produktwelten vorweisen können. Denn die auf Planungssicherheit bedachten IT-Einkäufer in den Unternehmen werden ihnen diese Kompetenz abverlangen.

Und eines ist ebenfalls klar: Fiorina hat es mit Herausgabe dieses konzeptpapierartigen Schriebs noch immer nicht geschafft, den Markt davon zu überzeugen, warum der Zusammenschluss logisch erscheint und worin ihre versprochenen Kosteneinsparungen in Höhe von 2,5 Milliarden Dollar angesichts des gewaltigen und teilweise nach wie vor redundanten Produkt- und Serviceangebots begründet liegen. Die Tatsache, nun gemeinsam günstiger Büroklammern einkaufen zu können, rechtfertigt noch keine Fusion. Insofern kann es sich allenfalls um eine Version 1.0 der Roadmap handeln.

Christian Meyer

cmeyer@computerpartner.de

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