Neue Insolvenzordnung ab 1.1.1999

11.05.1998

ALSBACH-HÄHNLEIN: Die heute geltende Konkursordnung trat be-reits vor über 100 Jahren in Kraft, genauer am 1.10.1879. Höchste Zeit also, das Konkursrecht neu zu fassen, insbesondere aber die Regeln dieser "Spielordnung" den heutigen Bedürfnissen anzupassen. Vor allem kleine und mittelständische Firmen sollen in Zu-kunft nicht mehr leer ausgehen.

Während zu Kaisers Zeiten der klassische Konkurs wohl eher zu den Ausnahmeerscheinungen zählte, gehören Firmeninsolvenzen heute beinahe zum Alltag - und das nicht erst seit der "Schneider-Affäre". In Zeiten leerer Kassen werden aus Gläubigern schnell Schuldner, die wiederum andere Gläubiger vertrösten und so weiter. Vom Teufelskreis der Insolvenz sprechen daher die Experten, und die Zahl der Firmenpleiten - 1997 waren es über 25.000 in Deutschland - untermauert dies.

16 Jahre lang hat sich eine Kommission im Bundesjustizministerium mit Reformvorschlägen zum Insolvenzrecht auseinandergesetzt. Jetzt ist die neue Insolvenzordnung beschlossene Sache und tritt am 1. Januar 1999 in Kraft.

Die stetige Zunahme anonymer Sicherungsrechte wie Eigentumsvorbehalt und Sicherungseigentum hat in den letzten Jahren immer häufiger dazu geführt, daß den Kleingläubigern - also allen im Konkursfall des Geschäftspartners nicht abgesicherten Gläubigern - keine Konkursmasse mehr zur Verfügung stand. Über 75 Prozent der Konkursanträge wurden so mangels Masse abgelehnt.

Banken sind bei einer Firmenpleite größtenteils durch Grundschulden, Hypotheken und Bürgschaften abgesichert - wenn nicht sogar übersichert. Selbst der Fiskus und die Sozialversicherungsträger haben ein Konkursvorrecht.

Kleinere Geschäftspartner hatten dagegen bisher das Nachsehen, wenn ein Unternehmen ins Straucheln geriet. Sie zogen aus der Konkursmasse oft nur die Nieten. "Ein Stück mehr Gerechtigkeit" soll jetzt die neue Insolvenzordnung bringen, heißt es aus Bonn.

Position des Konkursverwalters wird gestärkt

Das neue Insolvenzrecht sieht vor, daß gerichtliche Entscheidungen auf den sogenannten Insolvenzverwalter - sprich den heutigen Konkursverwalter - übertragen werden, mit dem Ziel, das Konkursverfahren zu beschleunigen. Nach dem bislang geltenden Recht kann jede gerichtliche Entscheidung angefochten werden.

Ab dem nächsten Jahr soll die Anmeldung von Ansprüchen und Forderungslisten vom Insolvenzverwalter und nicht mehr vom Gericht entgegengenommen und aufgestellt werden. Langwierige Auseinandersetzungen zwischen Gläubigern und Verwalter gehören somit der Vergangenheit an. Das erhofft sich jedenfalls der Gesetzgeber.

Im Kern sollen die Gläubiger die Möglichkeit erhalten, autonom zu entscheiden, welche Art der Insolvenzabwicklung für sie die beste ist. Sinnvolle Firmensanierungen werden so begünstigt, Arbeitsplätze erhalten. Außerdem wird die Konkursmasse dadurch vergrößert, daß bei Versteigerungen eines Objekts die Grundpfandgläubiger vier Prozent ihres Erlöses und andere gesicherte Gläubiger zehn Prozent in die Konkursmasse abführen müssen. Sinn dieser Regelung ist, daß die bislang notwendige Abweisung von Konkursanträgen aufgrund fehlenden Vermögens zur Ausnahme wird.

Erleichterungen für private Schuldner

Die neue Insolvenzordnung regelt erstmalig auch den sogenannten Verbraucherkonkurs. Konkret heißt das: Ein privater Schuldner kann von seinen Verbindlichkeiten befreit werden. Somit steht ihm die Chance eines Neubeginns offen. Hierzu muß er dem Gericht einen eigenen Schuldenbereinigungsplan vorlegen.

Stimmen die Gläubiger diesem Plan zu, entspricht das einem gerichtlichen Prozeßvergleich. Diese Restschuldbefreiung für überschuldete Verbraucher, aber auch für überschuldete Einzelkaufleute tritt nach sieben Jahren ein. Für ältere Verfahren beträgt die Frist fünf Jahre.

Vor allem für die rund 1,7 Millionen überschuldeten Bundesbürger bringt das neue Recht bei "Wohlverhalten" einen Ausweg aus der bisher fast lebenslänglichen Verschuldung: Falls sich mit den Gläubigern kein sogenannter Schuldenbereinigungsplan vereinbaren läßt, tritt das Verbraucherinsolvenzverfahren in Kraft. Kommt ein Schuldner während der siebenjährigen "Bewährungsfrist" seinen Zahlungsverpflichtungen vollständig nach und läßt er sich von der Beratungsstelle helfen, entfallen alle weiteren Ansprüche der Gläubiger.

Resümee: Das neue Insolvenzrecht stellt sicherlich für die Mehrzahl der betroffenen Firmen eine gute Lösung dar. Doch auch die neue Rechtslage schützt nicht vor falschen unternehmerischen Entscheidungen.

Spektakuläre Fälle wie der Schneider-Konkurs werden sich auch durch das neue Recht nicht verhindern lassen - gerade dann nicht, wenn durch betrügerische Absichten das verwertbare Vermögen den Gläubigern entzogen wird. Durch die vorgesehenen Kostenbeiträge der bereits gesicherten Gläubiger und die Streichung von Gläubigerprivilegien ließe sich aber die Konkursmasse zugunsten der ungesicherten Gläubiger vergrößern.

Gerade mittelständische Lieferanten und Handwerker könnten daher in Zukunft damit rechnen, daß sie nicht mehr mit leeren Händen dastehen. Prall gefüllte Taschen darf sich aber auch der "kleine" Händler von der Insolvenzreform nicht erwarten. Allenfalls eine etwas gerechtere Verteilung der Vermögenswerte.

(Reinhard Hahn ist Rechtsanwalt in Alsbach-Hähnlein.)

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