Neue Köpfe, neues Haus, neue Konzepte: Ex-J&W drückt Ingram seinen Stempel auf

26.09.1997
MÜNCHEN: Merge, Umzug und neues Management: Bei Ingram Micro ist seit der Übernahme von J&W der Bär los. Um schnellstmöglich Ruhe einkehren zu lassen, will die Geschäftsleitung bis Ende des Jahres Umstrukturierungen, weitere personelle Veränderungen und die Zusammenlegung der Datenbestände inklusive Warenwirtschaftssystem über die Bühne gebracht haben.Von oben sieht immer alles ganz einfach aus: Ex-J&W-Geschäftsführer Sven Janssen, seit Ende Juli Geschäftsführer der Ingram Micro in Deutschland, vermutete kurz nach der Übernahme seines Unternehmens durch den weltweit umsatzstärksten Distributor, daß sich im Management des Unternehmens kaum etwas ändern würde. So beteuerte er beispielsweise damals im Gespräch mit ComputerPartner: "Allessandro de Bochdanovits sitzt fest im Sattel. Er ist und bleibt die zentrale Anlaufstelle für den Einkauf". Daß Bochdanovits (Mitglied der Geschäftsleitung) zum damaligen Zeitpunkt eigentlich Marketing Manager bei Ingram Micro war, tat er ab mit der Bemerkung, er habe eben bislang beide Funktionen ausgefüllt, seine genaue, zukünftige Positionierung werde sich finden.

MÜNCHEN: Merge, Umzug und neues Management: Bei Ingram Micro ist seit der Übernahme von J&W der Bär los. Um schnellstmöglich Ruhe einkehren zu lassen, will die Geschäftsleitung bis Ende des Jahres Umstrukturierungen, weitere personelle Veränderungen und die Zusammenlegung der Datenbestände inklusive Warenwirtschaftssystem über die Bühne gebracht haben.Von oben sieht immer alles ganz einfach aus: Ex-J&W-Geschäftsführer Sven Janssen, seit Ende Juli Geschäftsführer der Ingram Micro in Deutschland, vermutete kurz nach der Übernahme seines Unternehmens durch den weltweit umsatzstärksten Distributor, daß sich im Management des Unternehmens kaum etwas ändern würde. So beteuerte er beispielsweise damals im Gespräch mit ComputerPartner: "Allessandro de Bochdanovits sitzt fest im Sattel. Er ist und bleibt die zentrale Anlaufstelle für den Einkauf". Daß Bochdanovits (Mitglied der Geschäftsleitung) zum damaligen Zeitpunkt eigentlich Marketing Manager bei Ingram Micro war, tat er ab mit der Bemerkung, er habe eben bislang beide Funktionen ausgefüllt, seine genaue, zukünftige Positionierung werde sich finden.

Das komplette Management wurde ausgetauscht

Und da über den Wolken einem alten Schlager zufolge auch alle Ängste und Sorgen verschwinden, sah Janssen nicht die Unsicherheiten in der Ingram-Belegschaft nach dem Machtwechsel. Dazu gäbe es doch gar keinen Grund, versicherte er: "Personelle Veränderungen im Managementbereich sind nicht zu erwarten" (siehe Interview in Ausgabe 12/97, Seite 12). Anke Kugies, seit kurzem Marketing Manager bei Ingram (vormals bei J&W), sitzt in ihrer "neuen" Position der Basisbelegschaft im Unternehmen offenbar näher als ihr Chef: "Als ich hier angefangen habe, fand ich ein ziemlich verunsichertes Klima vor. Das ist doch klar: Das komplette Management wurde doch ausgetauscht."

Denn in einem Handstreich besetzte Janssen gleich mehrere leitende Positionen neu. Kugies Vorgänger im Amt, Allessandro de Bochdanovits, ist weg. Die Personalleiterin ist nicht mehr da (bislang ohne Nachfolge). Ingram-Vertriebsleiter Arno Hoppe wurde kurzerhand durch Robert Lederwascher ersetzt. Und dem Vernehmen nach fühlen sich weitere Manager "wie auf dem Schleudersitz".

Kugies zeigt sich im Gespräch mit ComputerPartner davon nicht überrascht: Die ursprüngliche Ingram-Belegschaft hatte in letzter Zeit auch viel wegzustecken: Nicht nur, daß der von ihrem Unternehmen gekaufte, umsatzschwächere Kandidat plötzlich den Kurs vorgab, und in dieser "verkehrten Welt" (so ein Ingram-Mitarbeiter) altvertraute Köpfe rollten - auch ein Umzug mit Sack und Pack nach in das neue 3.000-qm-Ingram-Gebäude in Haar stand ins Haus.

"Viele von den Mitarbeitern hier arbeiten jetzt mit dem dritten oder vierten Manager und werden in die dritte oder vierte Richtung gestellt", fühlt Kugies nach. "Es ist jetzt an uns, dem Management, die Unsicherheiten auszuräumen." Doch trotz allem Verständnis hält sie eine neue Ausrichtung bei Ingram auch für dringend erforderlich. "Wir haben ganz offen und ehrlich gesagt, daß sich bei Ingram etwas verändern muß, um unsere hochgesteckten Ziele zu erfüllen. Etwas stimmt ja nicht - und das werden wir verändern."

Um im kommenden Jahr erfolgreich durchstarten zu können, müssen laut Kugies bis spätestens Ende Dezember noch einige Strukturen verändert werden. "Natürlich wird es weitere Umstrukturierungsmaßnahmen geben - in den nächsten Wochen wird hier noch nicht unbedingt Ruhe einkehren," ahnt sie. Wie Janssen sieht auch sie die endgültige Zusammenführung der ehemals zwei Unternehmen als vorrangiges Ziel. Das Warenwirtschaftssystem soll im Oktober vereinheitlicht werden, der Zugriff auf eine gemeinsame Datenbank will organisiert sein und damit verbunden auch der Doublettenabgleich von Lieferanten und Kunden.

In ihrer Position als Marketingleiterin läge ihr aber vor allem daran, neue Händler-Programme aufzubauen und den Kontakt zu ihren Kunden zu verbessern. "Wir haben das bei J&W ganz gut hinbekommen - und das möchte ich hier auch. Aber es gibt da noch eine Menge aufzuholen", so Kugies. Die neue Situation nach dem Kauf durch Ingram kommt ihr dabei sehr entgegen: "Wir können dem Fachhandel wirklich etwas bieten: Auch nach dem Abgleich möglicher Doubletten bleiben rund 170 Lieferanten mit rund 15.000 Produkten", zählt sie auf. Ähnlich wie vormals bei J&W (rund 2.000 Produkte) würden die Lieferanten natürlich regelmäßig nach ihrer Effizienz durchforstet.

Die Aufgabe ihrer Abteilung sieht Kugies vor allem darin, solcherlei Stärken auch nach außen hin bekannt zu machen. Auch und vor allem im Fachhandel. Insgesamt seien die Reaktionen der Fachhändler beider Lager - sowohl von J&W als auch von Ingram - "durchwegs positiv". In diesem Umfeld könne sie auf ihre Erfahrung bei J&W zurückgreifen, denn im Vergleich zu Ingram sei der "Aufmerksamkeitswert von J&W im deutschen Fachhandelskanal besser" gewesen.

Ein großer Konzern muß nicht starr sein

Auch am Verhältnis zu den Lieferanten muß noch gearbeitet werden. Kugies: " Das war hier nicht so gegeben, wie wir das von J&W gewohnt waren", erinnert sie sich. "Aber auch das kriegen wir hin. Es laufen jetzt schon Gespräche mit Lieferanten für die Ebene 1998. Wir haben uns viel vorgenommen - aber wir haben die Power, das durchzuziehen!" Dabei rechnet sie auf die volle Unterstützung aus den USA und der Europa-Zentrale: Trotz anfänglicher Skepsis habe sie bislang nur gute Erfahrung mit den Konzernvorderen gemacht. Ingram lege großen Wert auf den europäischen - und vor allem auf den deutschen - Markt und unterstütze die Umstrukturierung mit zwei wichtigen Faktoren: Zeit und Geld.

"Wir versuchen einfach, die guten Sachen, die es bei J&W gab, mit den guten Sachen von Ingram Micro zu verbinden", fazitiert Kugies. "Wir wollen J&W's Flexibilität in den Ingram-Konzern bringen - und ich bin mir sicher, daß das klappt", hofft sie. "So ein Konzern ist gar nicht so starr, wie viele glauben." (du)

Anke Kugies, vormals Marketingleiterin bei J&W, löste Allessandro de Bochdanovits im gleichen Amt bei Ingram Micro ab.

Zur Startseite