Neue Perspektiven für den Computer-Fachhandel

18.02.1999

MÜNCHEN: Soundkarten, Musik- und Audiosoftware sind Produkte, die von den meisten PC-Fachhändlern nur stiefmütterlich angeboten werden. Dabei ist das Kundenpotential in diesem Segment größer denn je: Dank aktueller Technik muß man weder begnadeter Musiker noch erfahrener Tonmeister sein, um den PC auf professionelle Weise erklingen zu lassen. Und genau hier liegt die Chance für den Einzelhändler, neue Märkte zu erschließen. Thomas Alker* berichtet über die unterschiedlichen Kundenbedürfnisse und notwendigen Anforderungen an die Rechner-Hardware sowie Ladenausstattung zur erfolgreichen Vermarktung der Produkte.Viele Kunden wissen, wie einfach es ist, mit Computers Hilfe Musik zu produzieren oder ganze Schallplattensammlungen zu restaurieren. Die dazu benötigten Hard- und Software-Komponenten sind aber - vor allem jenseits der Ballungszentren - oftmals nur schwer zu beschaffen. Dabei bedeutet es für einen Händler keinen allzu großen Aufwand und Kapitaleinsatz, auch diese Klientel zu befriedigen. Die Situation erscheint fatal: Der PC-Händler traut es sich nicht zu, höherpreisige Soundkarten und Software anzubieten, der Musikfachhandel hingegen ist nur selten in der Lage, Rechner oder technischen Support anzubieten. Als entsprechend engagierter Computerhändler kann man den Rechner günstig anbieten, verdient aber vor allem an den Margen für Soundkarte, Audio-Zubehör und -Software. Da sich insbesondere Einsteiger und Hobbyisten nicht in die heiligen Hallen des traditionellen Musikfachhandels trauen, kann es sich für den PC-Einzelhandel durchaus lohnen, Soundprodukte im erhöhten Umfang anzubieten.

Kunden und Produkte

Potentielle Kunden für anspruchsvolle Soundkarten, Musik- und Audio-Software lassen sich in zwei Hauptgruppen unterteilen. Die erste Gruppe bilden angehende Musiker, Klangtüftler und alle anderen Anwender, die eigene musikalische Ideen kreativ umsetzen wollen. Technische Voraussetzung dazu ist ein leistungsfähiger Rechner, möglichst ein Pentium II ab 350 Megahertz. Außerdem wird die Anschaffung einer guten bis sehr guten Soundkarte (Preisbereich ab etwa 500 Mark) notwendig. Das Angebot an musikalischer Kreativ-Software ist umfassend und reicht von Sequenzer-Programmen über Audio-Editoren und Plug-ins bis hin zu professionellen Synthesizern auf Software-Basis. Abhängig vom Geldbeutel des Anwenders gibt es praktisch zu jeder Software Einsteiger- und Profi-Varianten, wobei Upgrades auf die große Version fast immer möglich sind.

Die zweite Gruppe bilden Musikliebhaber und Hifi-Fans, die mit Hilfe des PCs vorhandene Musik und Audiodaten bearbeiten wollen. Das kann beispielsweise die rechnergestützte Restauration und Digitalisierung von Schallplattensammlungen, aber auch das Zusammenstellen und Brennen eigener Musik-CDs sein. Die Anforderungen an den PC sind hier nicht ganz so hoch wie bei der Gruppe der Musiker. Ein halbwegs flotter Pentium- oder Pentium-II-Rechner ab 233 MHz wird den meisten Aufgaben bereits gerecht. Typisches Zubehör sind ein CD-Brenner, Audio-Editoren und Plug-ins zum Bearbeiten und Restaurieren der digitalisierten Klangdaten, eine auf Audio-CDs spezialisierte Brenn-Software und natürlich eine möglichst hochwertige Soundkarte zum Überspielen der Musik.

Hauptumsatz: Folgegeschäfte

Daß bei einer Soundkarte für 150 Mark nicht allzu viel Rohertrag hängen bleibt, liegt auf der Hand. Gleiches gilt für Einsteiger-Software. Ein außerordentlich wichtiges Argument, dennoch auf ein erweitertes Angebot an Soundkarten, Audio- und Musik-Software zu setzen, sind die zu erwartenden Folgegeschäfte. Hat der Kunde erst einmal Geschmack gefunden, steigen die Ansprüche, und es werden sehr schnell weitere Anschaffungen fällig. Das Endziel eines solchen Anwenders, die Bearbeitung von Audio- oder Musik-Materialien auf semiprofessionellem Niveau, erfordert eine Investition von mindestens 2.000 bis 3.000 Mark - zusätzlich zum Rechner versteht sich.

Es kann sich also durchaus lohnen, den Interessenten für eine einfache Soundkarte ernstzunehmen. Es ist außerdem kein Geheimnis, daß gerade Musiker versuchen, kreative oder musikalische Defizite durch häufigen Zukauf von Hard- und Software zu kompensieren. Nicht nur das Kundenverhalten, auch das bestehende Produktangebot im Musik-/Audio-Segment erleichtert das Folgegeschäft. Ein typisches Beispiel sind Plug-ins, mit denen eine Audio-Software gezielt um neue Funktionen erweitert werden kann. Auch Adapter, Midi-Keyboards, Bücher, Fachzeitschriften, Kabel und Lautsprecher sind beliebte Optionen, die oftmals gute Margen erwirtschaften und darüber hinaus kaum supportintensiv sind.

Soundkarten

War am Anfang lediglich ein kleiner Lautsprecher für die Klangerzeugung innerhalb des Computers zuständig, sind heutzutage Synthesizer, Sampler, Midi-Schnittstellen, Effektprozessoren und Digital-Audio-Anschlüsse auf den wenigen Quadratzentimetern einer Soundkarte vereint. Zwar sind diese Komponenten qualitativ nur selten mit externen Studiogeräten vergleichbar, allerdings nimmt der Trend, professionellen Ansprüchen gerecht zu werden, auch bei Soundkarten zu. Eine Standardkarte verfügt über die zwei völlig autarken Funktionsbereiche Midi und Audio. Zur Abteilung Midi zählt nicht nur der externe Midi-Anschluß, sondern auch der auf fast jeder Soundkarte integrierte Wavetable-Synthesizer.

Bei besseren Karten können einzelne Sounds dieses Synthesizers durch beliebige Wave-Dateien ersetzt und als Midi-Instrumente gespielt werden. Diese Vorgehensweise darf nicht mit der grundsätzlichen Funktion der Audio-Abteilung verwechselt werden, beliebige Wave-Dateien per Soundkarte aufzuzeichnen oder wiederzugeben. Neben der Wiedergabe von digitalisierten Audiodaten im Rahmen von Unterhaltungs- und Multimedia-Software nutzen Musiker diese Fähigkeit für Harddisk-Recording. Ein geeigneter Sequenzer ist in der Lage, parallel zu Midi-Spuren auch Audiospuren wiederzugeben. Somit steht beispielsweise einer nahtlosen Integration von Gesang oder sonstigen Audioaufnahmen in Midi-Arrangements nichts mehr im Wege.

Sequenzer-Software

Der Sequenzer ist sozusagen die Textverarbeitung des Musikers, denn innerhalb dieser Software-Gattung findet das Komponieren und Arrangieren von Musik statt. Midi- wie Audio-Aufnahmen werden gleichrangig unter einer Bedienoberfläche aufgezeichnet, bearbeitet und arrangiert. Etablierte Programme wie Steinberg "Cubase VST" oder "Logic Audio" von Emagic glänzen durch eine Vielzahl an Editor-Fenstern, in denen die eingespielten Musikinformationen bearbeitet werden. Von den meisten Sequenzern gibt es Einsteiger-Versionen, die aber über wesentlich weniger Nachbearbeitungs-Funktionen verfügen. Darüber hinaus stehen viele Programme für Windows- und Macintosh-Rechner zur Verfügung.

Mittlerweile simulieren Sequenzer komplette Studioumgebungen und sind zu regelrechten Branchenlösungen herangewachsen, mit denen praktisch jeder Produktionsschritt vollzogen werden kann. So vielseitig die Funktionalität dieser Programme ist, so hoch sind die Anforderungen an das Rechnersystem und die Hardware. Wer seinen Computer als virtuelles Studio mit Echtzeit-Effekten, Mischpult-Automation und vielen Audio-Spuren möglichst uneingeschränkt nutzen will, benötigt einen High-End-Rechner (Pentium-II ab 400 MHz), ein schlank konfiguriertes, gepflegtes Betriebssystem und eine Soundkarte der gehobenen Klasse. Die funktionellen Möglichkeiten der verschiedenen Sequenzer-Modelle ähneln sich. Eklatante Unterschiede gibt es in erster Linie in der Bedien-Philosophie und in der Konfigurierbarkeit.

CD-Recording

Bei der Auswahl der richtigen Brennsoftware gilt es für Hifi-Fans und Musiker darauf zu achten, daß das Programm Audio-CDs gemäß der sogenannten "Red-Book"-Spezifikation brennt. Voraussetzung dazu ist ein CD-Brenner, der den "Disc-at-once-Modus" (DAO) beherrscht. Auf der PC-Plattform sind die Programme Steinberg "Wavelab", SEK'D "Red Roaster" und "CD Architect" von Sonic Foundry etabliert. Alle drei Programme erlauben das Setzen der Track- und Index-Marker direkt in die Wellenform-Darstellung der Audiodaten. Das ist nicht nur die Voraussetzung für fließende Übergänge zwischen den einzelnen Musikstücken, auch Live-Mitschnitte lassen sich auf diese Weise perfekt in CD-Abschnitte unterteilen.

Hochinteressant für Hifi-Fans und Hobby-Anwender ist Steinberg

"Clean", ein sehr einfach zu bedienendes Tool, das Audio-Restauration und CD-Recording unter einer Oberfläche anbietet. Für den Macintosh gibt es die Programme Adaptec "Jam" und Bias "Peak 2.0", mit denen Audio-CDs auf professionelle Weise zusammengestellt und gebrannt werden können. In der Audio- und Musiker-Szene etablieren sind zunehmend CD-Recorder von Yamaha und Teac. Der besondere Vorteil: Diese Brenner erzeugen zu 100 Prozent Red-Book-konforme CDs und werden von praktisch jeder Audio-Software unterstützt. Darüber hinaus unterstützten beide Brenner-Familien das "Grabben", also das digitale Auslesen der Audiospuren existierender CDs. Diese Funktion ist vor allem dann wichtig, wenn von vorhandenen CDs Titel extrahiert und neu zusammengestellt werden sollen.

Ausstattumg am POS

Vor dem Verkauf jeglicher Soundprodukte steht die Präsentation ihrer klanglichen Möglichkeiten. Um Soundkarten und Audio-Software erfolgreich an den Mann zu bringen, muß man weder Musiker sein noch über ein im Laden integriertes Musikstudio verfügen. Ein paar Quadratmeter und ein oder zwei Vorführ-PCs reichen dazu vollkommen aus, denn pro Rechner lassen sich durchaus zwei oder drei Soundkarten parallel betreiben. Ausgesprochen wichtig ist die akustische Präsentation: Bei geschickter Auswahl der Wiedergabe-Einrichtung - sprich Lautsprecher - lassen sich Aha-Erlebnisse beim Kunden auch ohne große Lautstärken erzielen. Aktive Nahfeld-Lautsprecher erreichen bereits bei niedrigen Lautstärken einen sehr guten Klang. Das beeindruckt nicht nur den Einsteiger, sondern gibt auch fortgeschrittenen Interessenten eine gute Kontrolle über das Klangverhalten einer Hard- oder Software. Und zwar ohne andere Kunden zu stören.

Bei der Auswahl eines Lautsprechersystems sollte unbedingt darauf geachtet werden, daß die Boxen, die zwangsläufig in der Nähe des Bildschirms plaziert werden, magnetisch abgeschirmt sind. Bildverzerrungen oder Farbstörungen sind sonst unvermeidbar. Eine gute Alternative oder Ergänzung zu Lautsprechern sind hochwertige Kopfhörer - möglichst solche mit geschlossenen Systemen. Kopfhörer verbuchen sogar einen psychologischen Vorteil für sich: Viele Einsteiger sind verunsichert, wenn sie ein Musikprogramm oder eine Soundkarte ausprobieren und andere dabei mithören können.

Außer einer Wiedergabe-Einrichtung benötigt man im Vorführbereich ein anschlagdynamisches Midi-Keyboard, mit dem Musik-Software ausprobiert oder die Instrumentenklänge einer Soundkarte vom Kunden gespielt werden können. Ein Keyboard mit eigener Tonerzeugung oder gar ein teurer Synthesizer muß dazu jedoch nicht angeschafft werden. Last, but not least sollte ein kleines Mischpult (ab 500 Mark) vorhanden sein. Dieses mischt die Ausgangssignale der verschiedenen Soundkarten zu einem Stereosignal zusammen. Der Vorteil: Der Händler kann mehrere Soundkarten vorführen, ohne dazu umständlich Kabel umstecken zu müssen.

Daß man auch zum Vorführen von Musik- und Audio-Software oder Soundkarten kein Musiker oder Toningenieur sein muß, begründet sich in der Tatsache, daß es praktisch immer ausreicht, vorproduzierte Audio- und Midi-Dateien abzuspielen. Jeder Hersteller bietet dazu entsprechende Vorführmaterialien und Demo-Songs an. Darüber hinaus liefert auch das Internet eine Menge gelungener Demo-Songs mit denen die audiophilen Fähigkeiten des PCs auf beeindruckende Weise demonstriert werden können.

Die Plattform-Frage

Die Glaubensfrage, ob der Mac oder der Wintel-basierte PC den besseren Musikcomputer abgibt, gibt bei Musikern noch immer Anlaß zu Diskussionen. Naturgemäß verfügt die PC-Plattform über wesentlich mehr Entwickler, wodurch auch die Auswahl an Musik- und Audio-Software unter Windows größer ist. Dennoch: Für praktisch jede Software-Gattung gibt es auf beiden Plattformen mindestens eine professionelle Lösung. Einige Programme, etwa Steinberg "Rebirth", werden sogar als Cross-Plattform-Produkt verkauft. Das bedeutet: Im Karton befindet sich sowohl eine Windows- als auch eine Mac-Version - ideale Lagerhaltungs-Bedingungen für Händler, die beide Kundengruppen bedienen wollen.

Kann man als PC-Anwender in Sachen Soundkarten aus dem vollen schöpfen, stehen dem Mac-User vergleichsweise wenig Alternativen zur internen Audio-Hardware zur Verfügung. Darüber hinaus muß man bei einigen plattformübergreifenden PCI-Audiokarten feststellen, daß die Entwicklung von Mac-Anpassungen offensichtlich keine hohe Priorität bei den Herstellern genießt. Pflegeleichter und damit weniger supportintensiv als ein PC ist der Mac hingegen schon: Die Nachrüstung von Steckkarten war bei Apple-Rechnern schon immer eine streßfreie Angelegenheit, und auch das Betriebssystem läßt sich wesentlich einfacher administrieren.

Einfacher, als es aussieht: Zum Verkauf von digitaler Soundhard- und -software muß man kein Musiker oder Tontechniker sein.

Keine Spur von altem Plunder: Soundprodukte sind auf dem

neuesten Stand der Technik.

Für Einsteiger: Magix bietet seinen Wave-Arranger "Music Studio" V2000" für rund 100 Mark an.

Hat bei den Sequenzern die Nase vorn: "Cubase VST" von Steinberg.

Speziell im Einsteigerbereich setzt "Soundblaster Live" von Creative Labs Maßstäbe in puncto Audioqualität.

* Thomas Alker ist freier Journalist und Consultant in Bad Kreuznach.

Zur Startseite