"Neue Wege sind das Ziel" - Erfolgreich im Projektgeschäft

24.10.1997
MÜNCHEN: Daß vom Produktverkauf allein kein Fachhändler dauerhaft seine Existenz sichern kann, ist mittlerweile eine Binsenweisheit. Allerdings gibt es noch immer zahlreiche Unternehmen, denen die Metamorphose vom Kistenschieber zum Beratungs- und Lösungshaus sehr schwer fällt. Hier liegt für die Hersteller und Distributoren ein weites Feld, wie sie ihren Vertriebspartnern bei dieser Neuorientierung helfen können. Eine Bestandsanalyse und ein Forderungskatalog von Ulrich Kramer*.Wenn diejenigen, denen es heute schlecht geht, so weiter machen wie bisher, wird es jenen, denen es heute gut geht, bald noch viel besser gehen, weil bei jenen, denen es schlecht geht, nichts mehr gehen wird.

MÜNCHEN: Daß vom Produktverkauf allein kein Fachhändler dauerhaft seine Existenz sichern kann, ist mittlerweile eine Binsenweisheit. Allerdings gibt es noch immer zahlreiche Unternehmen, denen die Metamorphose vom Kistenschieber zum Beratungs- und Lösungshaus sehr schwer fällt. Hier liegt für die Hersteller und Distributoren ein weites Feld, wie sie ihren Vertriebspartnern bei dieser Neuorientierung helfen können. Eine Bestandsanalyse und ein Forderungskatalog von Ulrich Kramer*.Wenn diejenigen, denen es heute schlecht geht, so weiter machen wie bisher, wird es jenen, denen es heute gut geht, bald noch viel besser gehen, weil bei jenen, denen es schlecht geht, nichts mehr gehen wird.

So stellt sich anno 1997 die Lage des klassischen EDV-Handels dar. Die Situation ist geprägt von einem scharfen, ruinös geführten Wettbewerb fernab jeglicher kaufmännischen Vernunft mit immer geringeren Erträgen, die die Kosten längst nicht mehr decken.

Besserung scheint kaum in Sicht: Fortlaufende Konzentrationen und Rationalisierungsmaßnahmen der (Groß-)Unternehmen mit massiven Personalentlassungen und fehlende politische Signale tragen nicht besonders zur Belebung der Konjunktur, zur Stärkung der beängstigend schwachen Binnennachfrage und zur Verbesserung der Stimmung in diesem unserem Lande bei. Auch die inzwischen relativ hohe Marktsättigung in bestimmten Segmenten fördert nicht den massenhaften Absatz von PCs, Druckern und Software und füllt die Kassen der gebeutelten Händler. Kleine, große und mittelständische Unternehmen mit leeren Auftragsbüchern investieren wohl ebensowenig in neueste PCs, Prozessoren, Laserdrucker und schnellere CD-ROM-Laufwerke wie Lieschen Müller oder Otto Normalverbraucher, die aus Furcht vor dem drohenden Verlust des Arbeitsplatzes erst einmal die Flucht nach vorne, Pardon, an überfüllte Badestrände in Europas Süden antreten.

Die Situation hat sich in jüngster Vergangenheit dramatisch zugespitzt:

Der Kuchen, um den sich nach wie vor viel zuviele hungrige Mäuler prügeln, ist kleiner geworden.

Konnte man noch vor zwei, drei Jahren sinkende Margen durch stetig steigende Absatzzahlen kompensieren, so funktioniert diese Strategie schon lange nicht mehr. Aus den oben genannten Gründen werden die zum Ausgleich erforderlichen Absatzzahlen auf unabsehbare Zeit nicht mehr zu erreichen sein und verteilen sich heuer noch auf zu viele Marktteilnehmer.

Wir stehen vor dem Abgrund, aber morgen werden wir sicherlich einen Schritt weiter sein!

Der private Anwender - sofern er es sich in diesen schlechten Zeiten überhaupt leisten kann oder will - kauft sich seine Ausstattung im Supermarkt, beim Retailer oder bestellt sich PC und Drucker aus dem Katalog großer Versandhäuser mit Zahlungskonditionen, von denen jeder PC-Händler selbst nur träumen kann.

Hohe Abnahmemengen von Personal Computern, Softwareprodukten, Druckern und anderen Peripheriegeräten werden zukünftig wohl nur noch innerhalb größerer Projekte mit dem Ziele einer umfassenden Prozeßoptimierung innerhalb der Unternehmen erzielbar sein. Der Maxime folgend, wonach immer weniger Mitarbeiter immer schneller bessere Arbeitsergebnisse und höheren Output zu erzielen haben, werden vor allem dort Investitionen getätigt, wo der Einsatz der EDV betriebliche Abläufe hochgradig automatisiert und optimiert und somit zur Einsparung zusätzlicher Mitarbeiter beiträgt.

Diese Geschäfte werden aber in der Regel nicht durch die klassischen EDV-Händler abgewickelt, sondern durch Systemhäuser und Lösungsanbieter, die eher die Optimierung betriebswirtschaftlicher Prozesse und damit die Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit ihrer Klientel vor Augen haben als die bloße Lieferung von Hard- und Software. So kurios es klingen mag: Gerade jene Unternehmen werden einen beträchtlichen Anteil am gesamten Geschäft mit Hard- und Standardsoftware haben, deren Zielsetzung nicht auf den bloßen Absatz dieser Produkte ausgerichtet ist.

Der Handel braucht den Wandel!

Weitere Argumente, warum sich ein EDV-Händler zum Lösungsanbieter entwickeln sollte, gibt es in Hülle und Fülle:

- Produkte werden immer ähnlicher und unterscheiden sich fast ausschließlich nur noch im Preis. Eine gefährliche, gleichwohl ruinöse Entwicklung.

- Der ausschließliche Verkauf von Standardprodukten verschafft dem EDV-Händler kein Alleinstellungsmerkmal gegenüber seinem Kunden. Er wird ebenso austauschbar wie die von ihm angebotenen Produkte. Erschwerend kommt hinzu, daß der Verkauf - aus Kostengründen - zu häufig anonym übers Telefon abgewickelt wird.

- Teures Support- und Vertriebspersonal ist unzufrieden und unterfordert, da viele Güter - leider auch häufig erklärungsbedürftige Produkte - ohne Beratung und Support verkauft werden. Der hochqualifizierte Ingenieur oder Kaufmann wird zum Verkaufssachbearbeiter degradiert und muß frustriert zur Kenntnis nehmen, daß viele Produkte falsch eingesetzt werden.

- Der Druck auf die Margen wird sich nicht verringern. Finanzstarke Retailer, Supermarktketten und Kataloganbieter werden mit extrem günstigen Angeboten dem Handel weiter zusetzen und zumindest im Konsumentenbereich den Markt dominieren.

- Viele Retailer haben in der Vergangenheit mit Erfolg an der Verbesserung der Ausbildung ihres Personals und der Beratungsqualität gearbeitet. Der Wettbewerbsvorteil, den Händler aufgrund ihrer Beratungskompetenz genießen, wird zunehmend geringer werden.

- Die Kreditpolitik der Banken wird nicht nur vor dem Hintergrund der zu erwartenden Pleiten immer restriktiver. Die Banker werden dem EDV-Fachhandel mittelfristig den Geldhahn zudrehen. Neugegründete Unternehmen der DV-Branche werden nur in den seltensten Fällen auf Fremdkapital zugreifen können.

Abhilfe verspricht der Wandel vom Produkt- zum Projektlieferanten. Im Projektgeschäft kommen alle Marktteilnehmer auf ihre Kosten: Der Kunde, der eine maßgeschneiderte Lösung aus der Hand von Experten bekommt, der Anbieter, der sich wieder an ordentlichen Erträgen erfreuen kann, der Mitarbeiter, der endlich seine Qualifikation und seine Kompetenz in seine Arbeit einbringen kann.

Vorsicht Falle!

Doch ist nicht jedem Unternehmen zu empfehlen, sich sofort auf das Projektgeschäft auszurichten. Dort, wo Lösungskompetenz (noch) nicht vorhanden oder die Vertriebslogistik bisher einzig auf den massenhaften Verkauf von Produkten ausgelegt ist, kann der Umstieg auf Anhieb nicht funktionieren. Im Gegenteil: Die Strategien im Produkt- und Projektvertrieb sind derart gegensätzlich, daß ein erfolgreiches Zusammenwirken innerhalb eines Unternehmens eher fraglich erscheint und etliche Gefahren aufweist. Warum das so ist, zeigt ein Blick auf die Wesensmerkmale der beiden Vertriebsformen:

Während im Produktvertrieb in der Regel alles gelaufen ist, wenn der Kaufvertrag unterzeichnet ist, beginnt beim Projektgeschäft die Arbeit jetzt erst richtig.

Zeit ist Geld!

Nun gilt es, die in Vorbesprechungen und in Pflichtenheften festgelegten und vermittelten Inhalte umzusetzen und beim Kunden zu implementieren. Je nach Komplexität des Projektes und Umfang der Lösung kann sogar erst nach der Erteilung des Auftrages das Feinkonzept zusammen mit den betroffenen Unternehmen, Fachabteilungen und Mitarbeitern erarbeitet werden. Die Erstellung eines Lastenheftes wäre somit integraler Bestandteil des Gesamtauftrages. Es versteht sich von selbst, daß zwischen Auftragsvergabe und Projektabschluß lange Zeiträume liegen können. Oftmals kommt es vor, daß innerhalb eines Projektes die ursprünglichen Ziele aufgrund geänderter Rahmenbedingungen neu definiert werden müssen. Die Gründe können mannigfaltig sein:

- Veränderung der Unternehmensstruktur,

- Veränderung der innerbetrieblichen Abläufe,

- Veränderung der Märkte und Absatzkanäle,

- technische Innovationen.

Anders als beim Produktvertrieb bleibt das Personal des Anbieters -Vertriebsbeauftragte, Consultants und Support-Mitarbeiter - in allen Phasen der Planung und Umsetzung in das Projekt eingebunden.

Eine kundenspezifische Lösung orientiert sich in der Regel nicht an Produkten, manchmal sogar nicht an bestimmten Technologien. Die Optimierung der betriebswirtschaftlichen Abläufe, der Prozesse, der Durchlaufzeiten sowie die Verbesserung der Qualität steht im Vordergrund. Dies erbringt den Nutzen für den Anwender. Dies verschafft ihm Vorteile bei der Bewältigung seiner Aufgaben, dies hilft ihm, seine Unternehmensziele zu erreichen.

Es ist vielfach unerheblich, mit welchen Produkten das Ergebnis erzielt wird, wenn nur folgende Grundvoraussetzungen erfüllt sind:

- Produkte können uneingeschränkt die angestrebte betriebswirtschaftliche Lösung realisieren.

- Produkte basieren auf Standards beziehungsweise unterstützen Standards, um den innerbetrieblichen wie auch externen Austausch von Daten zu gewährleisten und schützen somit die Investition.

- Geplante Lösung ist erweiterbar und kompatibel mit marktgängigen Anwendungen und Programmen.

- Produkte sind einfach in der Anwendung und erfordern nur geringe Schulung.

- Produkte sind fehlertolerant und bedürfen nur geringem Support.

- Produkte bieten ein angemessenes Preis-Leistungs-Verhältnis.

- Die Folgekosten, Profis sprechen vom Cost of Ownership, sind transparent und stehen in ausgewogenem Verhältnis zum Anschaffungspreis und zur Innovation.

Noch einmal: Es steht weder das Produkt mit seinen Leistungsdaten und Funktionen, seinem Design und seinem Preis im Vordergrund, sondern die Lösung der betriebswirtschaftlichen Aufgabe des Kunden. Als Marketingstrategie ausgedrückt:

"Unser Geschäft ist es, dafür zu sorgen, daß unsere Kunden selbst bessere Geschäfte machen."

Daß eine solche Änderung der Unternehmensphilosophie und Vertriebsstrategie nicht über Nacht herbeigeführt werden kann, versteht sich von selbst. Gerade im Neukundengeschäft ist langer Atem vonnöten. Gleichwohl ist zu berücksichtigen, daß diese Umstellung nicht einfach auf Rezept zum Nulltarif zu haben ist. Im Gegenteil, es sind zahlreiche Investitionen zu tätigen, die das Budget und die Kriegskasse zunächst einmal in großem Maße belasten und sich erst zu einem späteren Zeitpunkt hoffentlich auszahlen werden.

Hierzu gehören die Neueinstellung und/oder Weiterbildung von Mitarbeitern ebenso wie die Ergänzung und Erweiterung der eigenen Hard- und Softwareausstattung zur Entwicklung, zur Durchführung von Systemtests, etc. Auch die werblichen Maßnahmen und die aufwendigeren Produktpräsentationen und Systemtest werden anfänglich ein Loch in die Kasse reißen.

Ganz oder gar nicht!

Während man als Unternehmer noch vor wenigen Jahren bloß manches richtig machen mußte, um erfolgreich zu sein, so muß man heutzutage leider fast alles richtig machen, nur um einigermaßen über die Runden zu kommen.

Daher ist eine halbherzige Hinwendung zum Projektgeschäft sehr kritisch zu beurteilen und kann einem Unternehmen das Genick brechen. Und das gleich aus mehreren Gründen:

1. Die Lösungskompetenz muß beim Anbieter bereits vor der Auftragsvergabe, nein, sogar schon zum Zeitpunkt der Akquisition vorhanden sein. Wer Lösungen für alles und jeden anbietet, wird die Glaubwürdigkeit und das Vertrauen seiner Kunden und Interessenten einbüßen.

2. Es besteht die Gefahr, daß der Kunde vom Händler wegen Nichterfüllung Schadenersatz fordern kann, wenn eine vollmundig angekündigte Lösung wegen mangelnder Kompetenz auf seiten des Anbieters nicht installiert und in Betrieb genommen wird.

3. Etwaige Nachbesserungen verärgern den Kunden und verringern den Gewinn. Daher ist es unbedingt erforderlich, hierfür entsprechende Spielräume in der Kalkulation vor der Auftragsannahme beziehungsweise bei der Angebotsabgabe zu berücksichtigen.

4. Wichtig ist auch eine Prüfung der Bonität des Kunden, damit gewährleistet ist, daß er die angestrebte Lösung auch wie vereinbart zahlen kann. Aufgrund der langen Laufzeit von Projekten ist eine Absicherung des kreditorischen Risikos unbedingt zu empfehlen.

5. Weiterhin sollte das Projekt in einzelne Phasen eingeteilt werden. Bei Erreichen der festgelegten Teilziele sollte der Kunde eine Ratenzahlung leisten, damit die oft immensen Vorleistungen des Anbieters bei Entwicklungen, aufwendigen Systemtests etc. abgefedert werden.

Von der zukünftigen Entwicklung des Marktes und der Ertragssituation des EDV-Handels werden auch Wohl und Wehe der Distributoren und letztendlich der Hersteller abhängen.

Es gibt mittlerweile ganze Heerscharen unzufriedener und frustrierter Händler, die sich lieber heute als morgen aus dem Produktgeschäft verabschieden und sich stärker im Dienstleistungsgeschäft engagieren würden, wenn, ja wenn etwas mehr Mut vorhanden wäre, sich von der Autobahn des vorhersehbaren Mißerfolges auf die Schotterpiste zukünftiger, noch unbestimmter Erfolgsaussichten zu begeben.

Aufgrund der wirtschaftlichen Situation manchen Händlers fehlt jedoch nicht mehr viel, um entweder diesen Schritt konsequent zu gehen oder für immer die Pforten zu schließen.

Was braucht der Handel wirklich ?

Gleichwohl, den Distributoren und Herstellern werden Kunden verlorengehen. Ob die Distributoren, die bereits etliche Pleiten ihrer Kunden in den vergangenen Jahren verschmerzen mußten, diesen Änderungen des Marktes gewachsen sein werden, kann bezweifelt werden. Schon heute wird oft auf aberwitzige Weise im Marketingbereich teilweise mehr Geld verdient (nicht Umsatz!) als im Handel mit Computersystemen und -peripherie.

Diesen Trend schon vor einiger Zeit erkennend haben etliche Distributoren und Hersteller so manches Programm zur Förderung der Aktivitäten - sprich: Absatz - ihrer Geschäftspartner aus der Taufe gehoben. Doch so manches Advantage Plus-, Super Business- oder Mega Selling-Programm zielte und zielt an den Bedürfnissen des EDV-Handels und der Systemhäuser vorbei und füllt nur die Hochglanzbroschüren vieler Hersteller und Grossisten, die Kundennähe und Dienstleistungskompetenz signalisieren wollen. Der Alltag sieht leider anders aus.

Der Autor, der einige Jahre sowohl als Geschäftsführer eines EDV-Systemhauses innerhalb einer Unternehmensgruppe mit dreistelligem Millionenumsatz tätig und als Marketingleiter eines Distributors selbst mit der Erstellung und Beurteilung von Partnerprogrammen beschäftigt war, kann über so manche dargebotene Dienstleistung nur noch staunen.

So preisen Hersteller und Distributoren im Chor die Versendung von Informationen und Preislisten an bestehende (Groß-)Kunden, oftmals auch Partner genannt, als besondere Leistung an. Auch die Beauskunftung von Lieferfristen innerhalb der normalen Bürozeit gehört schon zu den höchsten Weihen, die einem Kunden widerfahren können. Selbstlos, wie so manche Distributoren und Hersteller nun einmal sind, stehen sie ihren Geschäftspartnern bei Bestellungen auch bis 18.26 Uhr an Werktagen, im Jahresendgeschäft sogar bis 18.53 Uhr zur Verfügung. Falls auch dies nicht ausreichen sollte, können Bestellungen im Internet sogar rund um die Uhr eingegeben werden. Dort kann man - ein gültiges Paßwort vorausgesetzt - auch erfahren, wann die bereits für letzte Woche angekündigte Auslieferung des Gerätes X an den Kunden Y nun vorgesehen ist, jedoch nicht, warum man über die Verschiebung des Termins nicht unterrichtet wurde.

Auf der Homepage des Herstellers oder Distributors findet der geneigte Surfer dann unter der Rubrik "Marketing" noch einmal alle Unterstützungsleistungen, die das Unternehmen nur für wirklich ausgesuchte Partner mit der goldenen Clubkarte bereitstellt. Eigentlich nicht nachvollziehbar, warum so mancher Advanced Super Premium Partner, der sogar das Logo "Autorisierter Partner vom Hersteller Z" auf seinem Briefbogen führen darf, doch so manche Mark in der Kasse vermißt.

Zugegeben, manches scheint ein wenig überzogen dargestellt zu sein. Jedoch läßt sich nicht leugnen, daß viele, einfach selbstverständliche Leistungen als exorbitant fortschrittlich und professionell dargestellt werden. Hierzu gehören der regelmäßige Versand von Informationsunterlagen und Preislisten, die Benennung persönlicher Ansprechpartner, die Beauskunftung von Lieferfristen ebenso wie die unaufgeforderte Mitteilung bei Verschiebung von Lieferterminen.

Natürlich kann kein Händler auf diese Informationen verzichten, helfen sie ihm doch, sein tägliches Geschäft zu führen und seine Kunden über Produkte und deren Einsatzmöglichkeiten zu informieren. Jedoch sind sie keinesfalls ausreichend, neues und vor allem profitables Geschäft in unverbrauchten, zukunftsträchtigen Märkten anzukurbeln. Hierbei wünschen sich viele Händler ganz andere Leistungen frei nach einem Slogan der Firma Cisco Systems:

"Sagen Sie mir nicht einfach nur, Sie haben eine neue Lösung für die Netzwerk-Probleme kleinerer Unternehmen. Zeigen Sie mir, wie ich Sie verkaufe."

Die Hinwendung zum Projektgeschäft bedeutet nicht nur den Ausbau der Kenntnisse der jeweiligen Produkte, sondern auch profundes Wissen über ihre Einsatzmöglichkeiten in einer individuellen EDV-Landschaft. Neben den üblichen Kenntnissen im Bereich der Datenverarbeitung ist auch Erfahrung mit Aufbau- und Ablauforganisationen sowie mit betriebswirtschaftlichen und produktionstechnischen Prozessen eine Grundvoraussetzung zur erfolgreichen Implementierung kundenspezifischer Lösungen innerhalb eines Projektes.

Zur Erfüllung dieses hohen Anspruchs können Hersteller und Distributoren eine Menge beitragen und den Händler oder das Systemhaus auf vielfältige Weise unterstützen:

- Bereitstellung von Equipment zur Durchführung von Systemtests und Testinstallationen. Diese Leistung sollte entweder kostenfrei oder zu einem kooperativen Preis erfolgen.

- Durchführung von kostenlosen oder kostengünstigen Schulungen, um den Geschäftspartner an die Thematik heranzuführen.

- Durchführung gemeinsamer Kundenbesuche, um einerseits einem Endanwender gegenüber zu demonstrieren, daß der Partner durch den Hersteller oder Distributor unterstützt wird und sein Vertrauen genießt, andererseits aber, um selbst einen Teil der Beratung zu übernehmen.

- Hilfe bei der Konfiguration komplexer Lösungen, wie sie zum Beispiel im Bereich der Netzwerktechnologien immer häufiger zu finden sind, sowie Hilfe bei der Angebotserstellung, insbesondere im Falle von Ausschreibungen.

- Hilfestellung bei der Implementierung der Lösungen im Hause des Kunden.

- Zugriff auf Hotline des Herstellers in allen Phasen des Projektes, insbesondere auch nach der erfolgten Implementierung.

Wer soll das bezahlen ?

Zusätzliche Hilfestellung könnten die Hersteller und Grossisten ihren Geschäftspartnern in allen Fragen der Finanzierung, im Bereich Marketing und bei der Formulierung der entsprechenden Verträge bei Abschluß eines Projektauftrages gewähren.

Die Komplexität der meisten Projekte gebietet eine konzertierte Aktion aller Partner zur erfolgreichen Abwicklung des Geschäftes. Oftmals sind bei den Herstellern und Distributoren auch Ansprechpartner anderer Abteilungen und Geschäftsbereiche hinzuzuziehen. Möchte zum Beispiel ein Kunde eine Lösung für das Management seiner Client/Server-Systeme, so sind neben einer entsprechenden Softwarelösung vielfach auch Netzwerkkomponenten zu installieren oder Erweiterungen des Betriebssystems vorzunehmen. Hierzu bedarf es des gebündelten Know-hows der einzelnen Fachabteilungen oder Geschäftsbereiche.

Natürlich stellt sich die Frage nach der Finanzierung solcher Aktionen und Dienstleistungen seitens der Hersteller und Distributoren. Hier ist anzumerken, daß ein Teil des heute zur Verfügung gestellten Geldes für Werbemaßnahmen (WKZ, Werbekostenzuschuß) zur Durchführung dieser Aufgaben verwendet werden könnte und dieses Geld somit eine sinnvolle Verwendung erfährt.

Weiterhin könnte im Rahmen solcher Projekte ein anderer Bezugspreis für Hard- und Standardsoftware vereinbart werden, wobei die gewährten Rabatte unter den sonst üblichen Standards liegen, jedoch die Wettbewerbsfähigkeit des Händlers aufrechterhalten. Diese ungewöhnlich anmutende Strategie hat folgenden Hintergrund: Hersteller und/oder Distributor unterstützen den Händler beziehungsweise das Systemhaus durch die zuvor beschriebenen Leistungen vor, während und nach Abschluß des Projektes. Sie ermöglichen ihm, durch ihren finanziellen und personellen Einsatz und den Transfer von Know-how das Projekt zu akquirieren und es zu einem erfolgreichen Abschluß zu bringen. Der Ertrag des Händlers wird bei solchen Projekten immer sehr viel höher sein als im klassischen Produktgeschäft, da der Anteil der Dienstleistungen bedeutender ist.

Die oben beschriebenen Einbußen beim Bezug von Hard- und Software werden also durch den Verkauf von Dienstleistungen bis hin zu Wartungsverträgen nach erfolgter Implementierung des Systems mehr als ausgeglichen. Die Distributoren und Hersteller, die oftmals einzig vom Verkauf von Hard- und Software leben, profitieren an dem Geschäft durch höhere Verkaufspreise gegenüber dem Händler.

Im Projektgeschäft, aber nur dort, kann eine solche Regelung erfolgreich sein, da nicht der günstigste Preis für ein vom Kunden gewünschtes Produkt im Mittelpunkt steht, sondern die Realisierung einer spezifischen Lösung, die seine betriebswirtschaftlichen Aufgaben meistert. Dabei wird es anderes als beim Produktgeschäft für den Händler - und entsprechend seinen Geschäftspartnern - nicht erforderlich sein, grundsätzlich alle Produkte mit nur zwei bis drei Prozent Marge anzubieten.

Ein weiterer Aspekt im Zusammenspiel zwischen Herstellern und Distributoren sowie Händlern ist die Herabsetzung der "Aufnahmebedingungen in den Klub der Auserwählten". Gerade im Rahmen größerer Projekte kann die - auch einmalige - Kooperation des Anbieters mit verschiedenen Geschäftspartnern erforderlich werden. Die bisher geübte Praxis aufwendiger Autorisierungsverfahren für den Bezug spezieller Produkte und Dienstleistungen beim Hersteller, begleitet von teuren Schulungen für das Verkaufs- und Supportpersonal, erscheint wenig geeignet, neue Geschäfte mit neuen Händlern zu generieren. Eine flexiblere Lösung würde auch kleinere Händler in die Lage versetzen, ohne große Vorinvestitionen aktiv in das Projektgeschäft einzusteigen.

Es wäre nur ein kleiner Schritt für alle Beteiligten, jedoch ein großer Schritt für die Branche.

*Ulrich Kramer (35) ist als freier Unternehmensberater in Ratingen tätig und war zuvor viele Jahre in leitenden Positionen in der EDV-Branche beschäftigt. Beim Distributor Adiva in Bad Homburg entwickelte er Vertriebs-, Finanzierungs- und Marketingkonzepte für das Unternehmen und seine Vertriebspartner. Davor war er als Geschäftsführer des Systemhauses B&K Informationssysteme und als Niederlassungsleiter des EDV-Anbieters Bruckmüller & Kullack im Einsatz.

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