Newbridge fokussiert, restrukturiert, entläßt - und schielt nach Käufer

25.11.1999
MÜNCHEN: Mit Massenentlassungen, der Fokussierung auf IP-ATM-Switche, DSL und Funktechniken versucht der kanadische Netzwerker Newbridge, seine Probleme in den Griff zu bekommen. Alternativ denkt das Unternehmen über einen Verkauf nach.

Ungewiß ist das Schicksal des kanadischen Netzwerkers Newbridge Networks. Seit Jahren wird der marketingscheue Spezialist für ATM- und WAN-Switches als Übernahmekandidat gehandelt. Jetzt, nach dem enttäuschenden zweiten Quartal (31. Oktober) des laufenden Geschäftsjahres, hat der neue CEO Pearse Flynn eine Beratungsfirma beauftragt, "alle strategischen Möglichkeiten zu prüfen". Mit anderen Worten: Gerüchte, wonach Telekommunikationsfirmen wie Ericsson, Alcatel oder Tellabs, aber auch Fujitsu und der langjährige Newbridge-Partner Siemens um die Übernahme feilschen, könnten sich schnell bewahrheiten. Die begehrlichen Blicke der Kaufinteressenten richten sich vor allem auf die ATM-IP- und multimediafähigen WAN-Switche. Letztere tun weltweit bei zirka 300 Telekommunikationsanbietern und Service-Providern ihre Dienste.

Die Quartalszahlen des zweiten Quartals veranlaßten Vorstandsvorsitzenden Terence Matthews wie schon im Vorfeld zur Aussage "enttäuschend". Bei einem Umsatz von 329,5 Millionen Dollar (gegenüber 313 Millionen Dollar im Vorjahrsquartal) verbuchte das Unternehmen zwar einen Nettoerlös von 206,8 Millionen Dollar (36,3 Millionen im Vorjahr), doch die vorgewarnten, Kummer gewohnten Aktionäre des Netzwerkers bekommen lediglich acht US-Cent pro Aktie ausgeschüttet. Im Oktober hatte Newbridge die siebte Gewinnwarnung innerhalb von elf Quartalen ausgesprochen.

IP-FOKUS, 720 ENTLASSUNGEN UND OUTSOURCING

Das mäßige Ergebnis hat drastische Folgen für rund 720 der weltweit rund 6.000 Mitarbeiter: Sie werden noch vor Weihnachten entlassen. Es trifft vor allem Verwaltungs- und Verkaufsmitarbeiter. Hier sehen die Kanadier das größte Sparpotential. Wie Europasprecher Chris Haddock gegenüber <B>ComputerPartner</B> erklärt, seien die europäischen Mitarbeiter nur geringfügig betroffen. Denn "hier sind die Restrukturierungen schon weitgehend abgeschlossen". Das Europageschäft der Kanadier konnte um 40 Prozent gegenüber dem Vorjahr zulegen, während das US-Geschäft stagnierte.

Des weiteren will sich das Unternehmen auf die Bereiche IP- und ATM-Switche, Kupfer-DSL und drahtlose Netze konzentrieren. Der von deutschen Partnern geäußerten Hoffnung, auch das Segment Router zu bedienen und dadurch - wie Cisco, Lucent oder Nortel - eine durchgehende Produktpalette anbieten zu können, erteilt Newbridge eine glatte Absage. "Router sterben aus", erklärt Unternehmenssprecher Haddock die offizielle Meinung der Kanadier. Statt dessen konzentriere sich die Company, die sich "in den letzten Jahren eher verzettelt" (Haddock) habe, auf vielversprechende Märkte - wie zum Beispiel Funknetze. "Im Schnitt gewinnen wir jedes zweite Projekt, für das wir uns bewerben", berichtet der Unternehmenssprecher. Als weitere mögliche Trumpfkarte nannte er den Markt für weltweite IP-Netze. Um in diesem mitzuspielen, hat Newbridge gerade sein 240 Millionen-Dollar-Gebot für den kalifornischen Satelliten- und Funkexperten Stanford Telecom erneuert. Dessen Expertise in der grundlegenden Technik für Mobilfunksysteme, dem Zeit-Multiplex-Verfahren TDMA (Time Division Multiple Access) würde Newbridge die Tür zum Mobilfunk öffnen.

Ein dritter Bestandteil der Restrukturierung wird die schnellstmögliche Auslagerung der Fertigung und der Kunden-Support-Abteilung sein. Von Analysten wird die IBM-Global-Services-Abteilung in Spiel gebracht; das wollte Newbridge jedoch nicht bestätigen.

"UNSER MARKETING WAR VERDAMMT LAUSIG"

Schließlich will der techniklastige Netzwerker einen skalierbaren Multiprotokoll-Switch mit einem Durchsatz von 50 Gbit/s bis zu maximal fünf Tbit/s noch in diesem Quartal auf den Markt bringen. Ob die Kanadier damit zum gegenwärtigen Zeitpunkt auf das richtige Pferd setzen, bezweifeln Analysten. Sie machen geltend, daß das eigentliche Problem des Netzwerkers das Marketing sei. "Newbridge kann technisch gesehen noch so gute Produkte auf den Markt bringen. Erst wenn die Kunden sich sicher sind, daß das Produkt über den fünfjährigen Abschreibungszeitraum unterstützt wird, kaufen sie es", argumentiert etwa Analyst Paul Sagawa von dem New Yorker IT-Berater Sanford Berstein.

Daß Newbridge ein Marketingproblem hat, weiß die Company selbst. "Unser Marketing war fünf Jahre lang verdammt lausig", polterte unlängst Newbridge-Eigner Matthews vor sich hin. Weshalb sollten die Kanadier selbständig bleiben, die eigentliche Aufgabe für CEO Flynn heißt: Kunden überzeugen. Seinem Vorgänger Alan Lutz, verantwortlich für das US-Geschäft, war das nicht gelungen: Er mußte vor drei Wochen seinen Hut nehmen. (wl)

Zur Startseite