Nicht alle Schnäppchenjäger sind gleich

01.04.2004
Die Konsumenten in Europa waren schon lange vor der "Geiz ist geil"-Kampagne sehr preisbewusst. Die GfK zeigt auf, welches enorme Kaufpotenzial selbst in Schnäppchenjägern steckt. Von ComputerPartner-Redakteurin Ulrike Goressen

Handel und Industrie fürchten seit geraumer Zeit das Schreckgespenst des auf Schnäppchen fixierten Konsumenten. Dieses Phänomen gilt in Deutschland aktuell noch genauso wie in den Jahren davor. Anders die anderen europäischen Länder: Dort achten Verbraucher heute weniger auf den Preis als früher. Nur die Italiener sind heute preisorientierter als je zuvor.

Einer Studie der GfK zufolge, bei der über 7.000 repräsentativ ausgewählte Personen in sechs europäischen Ländern befragt wurden, sind so genannte Schnäppchenjäger eine klar abgrenzbare, zugleich aber auch heterogene Zielgruppe, die - richtig angesprochen - ein enormes wirtschaftliches Potenzial beinhaltet.

Weder in Deutschland noch in den fünf weiteren untersuchten Ländern Frankreich, Großbritannien, Italien, Polen und Spanien ist die Schnäppchenjagd ein neues Phänomen. Allerdings scheint deutschen und polnischen Verbrauchern der Preis mit Abstand wichtiger zu sein als ihren europäischen Nachbarn.

So achteten in Deutschland bereits zu Zeiten wirtschaftlichen Wachstums Mitte der neunziger Jahre mehr als die Hälfte der Verbraucher beim Einkauf von Konsumgütern auf den Preis. Mit der Entzauberung des New-Economy-Hypes und der einsetzenden wirtschaftlichen Schwächephase stieg die Zahl der Preissensiblen in der Bundesrepublik weiter an: 1999 waren es 55 Prozent, und zwei Jahre später erreichte sie mit 56 Prozent ihren Höhepunkt, der auch 2003 anhielt.

Im Verhältnis dazu gibt es in Polen mit einem Anteil von 62 Prozent zwar noch mehr "preisbewusste" Konsumenten als in Deutschland, allerdings ist dieser Anteil seit dem Jahr 2001 bereits um vier Prozentpunkte zurückgegangen.

Die Konsumenten in den vier anderen europäischen Ländern sind bei weitem nicht so preissensibel wie in Deutschland und Polen. Dafür bildet Italien eine bemerkenswerte Ausnahme im Hinblick auf die Änderung der Einstellung zur Preisorientierung: Es ist das einzige Land, in dem der Anteil der Preissensiblen von 2001 auf 2003 um sechs Prozentpunkte auf insgesamt 44 Prozent gestiegen ist. Allerdings ist der Anteil der preisbe-wussten Konsumenten im Vergleich zu den europäischen Nachbarn in Italien insgesamt nach wie vor niedrig. Für die Briten, Franzosen und Spanier hingegen verliert der Preis offensichtlich zunehmend an Bedeutung.

Eine Facette dieser Preisorientierung sind Sparzwänge aufgrund finanziell problematischer Einkommensverhältnisse. Im Vordergrund des viel zitierten Werbeslogans "Geiz ist geil" steht aber nicht die ökonomisch erzwungene Preissensibilität: Es geht um hochpreisige Produkte, nicht um alltägliche Konsumgüter. Auch in Zeiten, in denen das Sparen überall thematisiert wird, besteht durchaus das Bedürfnis, sich durch exquisite Dinge zu verwöhnen.

Schnäppchenjäger als neue Zielgruppe

Wie sehen nun diese besonderen "Schnäppchenjäger" aus, die nicht aus einer wirtschaftlichen Zwangslage heraus nach Sonderangeboten suchen, sondern vielmehr nach günstigen und somit legitimen Gelegenheiten zu lustvollem Konsum? Der Studie zufolge bilden drei attraktive, aber eben unterschiedlich anzusprechende Zielgruppen das Fundament dieser neuen Verbraucherbewegung, zu der 32 Prozent der Europäer zu zählen sind. Die GfK spricht in diesem Zusammenhang von Hedonisten. Laut Definition sind das Menschen, deren höchstes Ziel das Streben nach Lustgewinn jeglicher Art ist.

Die ersten beiden Gruppen sind die so genannten "Träumer" und die "Abenteurer". Hierbei handelt es sich um eher junge, modebe-wusste und risikofreudige Singles mit stark materialistischer Wertestruktur, die sich durch den Konsum passender Marken profilieren wollen, und sich durch diese Werbebotschaft in ihrem Handeln absolut legitimiert fühlen. Am ehesten findet man sie in Italien mit 28 Prozent der Verbraucher, in Polen mit 23 Prozent und in England mit 22 Prozent, während ihr Anteil in Deutschland bei nur 18 Prozent liegt. Als dritte Gruppe im Bund der Konsumhedonisten fungieren die "Weltoffenen". Diese stark weiblich geprägte Gruppe in den besten Jahren, der in Deutschland zwölf Prozent der Bevölkerung angehören, pflegt einen gehobenen Lifestyle und ist hochwertigen Innovationen gegenüber sehr aufgeschlossen. Abgesehen von England und Spanien mit einem Anteil von zwölf Prozent ist sie in anderen Ländern deutlich schwächer vertreten: in Italien mit zehn Prozent und in Polen mit vier Prozent.

Exakt abgegrenzte Zielgruppen, für die Konsum mehr bedeutet als nur Preisvergleiche anzustellen, bestehen laut GfK-Studie also in allen europäischen Ländern. Die für Konsumgüterindustrie wie klassischen Handel gleichermaßen riskante Spirale steter Preissenkungen in Gang zu setzen ist für diese Gruppe kontraproduktiv.

Meinung der Redakteurin

Was sagt uns die Studie? Einmal den Preis senken ist gut, permanente Preiskämpfe lähmen hingegen den Jagdinstinkt der Käufer. Letztendlich sind Faktoren wie Design, Qualität und Innovation viel kaufentscheidender. Und sie schonen auch das finanzielle Polster der Hersteller und Händler.

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