Nicht ohne meine Jukebox: Creative sagt Cebit 2001 ab

14.09.2000
Die Bombe platzte letzte Woche: Creative Labs hat sich gegen eine Teilnahme an der Cebit 2001 ausgesprochen. Ausschlaggebend für die Absage sind die immer restriktiveren Auflagen der Messegesellschaft in Hannover.

Jetzt hat die Cebit-Leitung den Bogen endgültig überspannt: Sie verweigerte den Ausstellern für 2001 die Möglichkeit, MP3- oder Digital-Audio-Player auszustellen. Creative platzte der Kragen und will nicht auf Schlüsselprodukte wie MP3- oder Digital-Audio-Player verzichten. Murat Ünol, Marketing-Manager Central Europe bei Creative, über die Hintergründe: "Die starre Haltung der Cebit-Leitung ist Ausdruck dafür, dass die Verschmelzung der Bereiche Computer, Multimedia und Unterhaltungselektronik schlichtweg ignoriert oder bewusst aus dem Messekonzept herausgehalten wird."

Creative empfindet sich jedoch als einer der Vorreiter bei der Entwicklung von Produkten, die aus der Konvergenz dieser Marktsegmente resultieren. Das Unternehmen bezeichnet deshalb seinen künftigen Marktplatz mit Personal Digital Entertainment (PDE). "Die Auflagen der Cebit-Messeleitung erlauben es uns nicht, alle Facetten unserer PDE-Produktfamilie rund um die DAP-Jukebox zu präsentieren", erklärt der Marketing-Manager. "Aus diesem Grund verzichten wir lieber komplett auf eine Teilnahme und freuen uns gleichzeitig auf die IFA 2001 in Berlin." Zudem wird das Unternehmen sich auch an regionalen Messen und Events wie der You, Heiva oder der Popkomm beteiligen (Weitere Meinungen zu den Restriktionen siehe Kasten unten).

Chronik der Schikanen

Bereits in den letzten Jahren wurden Multimedia- und/oder Entertainment-Aussteller durch weitreichende Auflagen der Messege- sellschaft bei ihren Auftritten auf der Cebit unverhältnismäßig gemaßregelt, sei es durch die Einschränkung der zur Ausstellung "freigegebenen" Produkte oder durch verschärfte Lautstärkeauflagen. Besonders die Aussteller in den Hallen 8 und 9 waren der Messeleitung schon lange ein Dorn in Auge und Ohr. Zu den absoluten Tabuprodukten gehören seit längerem Game-Devices wie Joysticks, Gamepads und Lenkräder. Wie die Messeleitung mit ihren "Wünschen" an die Aussteller herantrat, zeugt nicht immer von Fairness. So erhielt Logitech 1999 an einem Sonntag den "Blauen Brief", in dem das Unternehmen aufgefordert wurde, seine Gaming-Devices zu entfernen. Bei Nichterfüllung der Auflagen drohte die Messe mit Schließung des Standes. Logitech kam mit einem blauen Auge aus der Misere. Kurzerhand verbannte der Hersteller das Spiele-Zubehör ins Standinnere, und nach Außen hin waren nur die Desktop-Devices zu sehen. Doch nicht alle Anbieter verfügen über ein vielseitiges Portfolio. Deshalb fehlen seit einigen Jahren reinrassige Gaming-Devices-Anbieter auf der Cebit.

Ebenfalls "rausgeekelt" wurden letztes Jahr viele Distributoren. Die Messeleitung wollte sie in die ungeliebte Halle 10 verbannen, die jedoch für die großen Stände der Broadliner viel zu niedrig ist. Die Messe-Verantwortlichen blieben trotz logischer Einwände stur und viele Distis zu Hause.

Auch die Lautstärke der Shows erregt seit längerem den Missmut der Messe, teils auch der Besucher, die in Ruhe Geschäftsgespräche führen wollen. Die Lautstärke sollte durch teils schikanöse Begrenzungen auf gepflegtes Hintergrundgesäusel "runtergeregelt" werden. Das ist selten durchführbar. Deshalb hagelte es Abmahnungen, teilweise stündlich und mit Androhung des Rauswurfs. Manchem Aussteller blieb bei so viel "Beamtentum" nur die Flucht in den Galgenhumor: So fanden inoffizielle Wettbewerbe statt, bei denen die Zahl der Abmahnungen bewertet wurde.

Das letzte Wort ist noch nicht gesprochen

Es wird nicht alles so heiß gegessen wie gekocht. Sollten sich zu einem zukünftigen Zeitpunkt die Vorstellungen der Messe und Creative miteinander vereinbaren lassen, steht Creative einer Cebit-Teilnahme im Jahr 2002 oder später offen gegenüber. "Klar ist, dass die Entscheidung für 2001 gefallen ist. Sollte die Cebit auf ihrer B2B-Ausrichtung und den damit verbundenen Restriktionen auch in Zukunft beharren, werden wir weiterhin der Cebit fern bleiben. Erst wenn die Attraktivität im Multimedia-Umfeld wieder gesichert ist, kehren wir zurück", erklärt Murat Ünol abschließend.

Vielleicht gibt die Messe ja schon bald nach. Die deutliche Absage der Industrie an die Cebit-Home, die katastrophalen Expo-Ergebnisse und die zusätzlichen Hallen-Kapazitäten durch die Weltausstellung wären zumindest für jeden anderen ökonomisch Denkenden Grund genug, die Auflagen dem aktuellen Markt und Produktangebot anzupassen. Anfang dieser Woche konnte oder wollte weder Messleitung noch Presseabteilung eine Stellungnahme abgeben, da man mit Sitzungen, Meetings oder Urlaubsvorbereitungen beschäftigt war. (go)

www.cebit.de

www.cle.creative.de

Das meint die Branche dazu

Andreas Müller, Geschäftsführer Guillemot GmbH: Es ist unverständlich, dass die Messegesellschaft einerseits die Messe als B2B-Plattform ausweist, dennoch aber Endkunden den Zutritt ermöglicht. Eine Lockerung der Beschränkungen wäre wünschenswert, da in vielen Bereichen die Übergänge zwischen Consumer- und Business-Produkten fließend sind, und so eine kohärente Präsentation erst möglich wäre. Mir ist sogar zu Ohren gekommen, dass manche Menschen solch trockenen Sachen wie Netzwerk-Hubs einen gewissen Fun-Faktor entlocken können ...

Katja Schleicher, Marcom-Managerin Logitech: Die Ce-bit sollte meiner Meinung nach den Ausstellern Full-Service für die Händler ermöglichen. Das bedeutet aber, dass die Fachbesucher sich ein Bild des kompletten Portfolios, also einschließlich Consumer-Produkte, machen können sollten. Da die Cebit Home ausge-fallen ist, bleiben diese Produkte ja komplett außen vor. Noch tragischer als die aktuellen Restriktionen empfinde ich, dass die Messe es geschafft hat, viele Distributoren zu vergraulen. Ich hoffe, dass die Messeleitung sich noch umorientiert, sobald die Ergebnisse der Expo vorliegen.

Frank Schwertfeger, Geschäftsbereichsleiter PC-Peripherals Philips: Ich kom-mentiere ungern Maßnahmen anderer Hersteller. Ich bedauere aber, wenn sich die Vielfalt des Angebotes, das auf der Cebit zu sehen ist, verringert. Denn gerade die Vielfalt ist es, die entscheidend zum Erfolg der Messe beiträgt. Philips sieht die Cebit gleicher-maßen als Messe für private Anwender wie für Profis, was sich auch in unserem Standdesign zeigt. Es ist uns immer gelungen, beide Zielgruppen anzusprechen und zu informieren. Was uns im Kleinen glückt, sollte eigentlich auch für die Messe als Ganzes möglich sein.

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