Nokia auf dem Weg zum Handypapier Nummer eins

21.10.1999

MÜNCHEN: Für High-Tech-Aktien ist eine plausible Unternehmensgeschichte besonders wichtig. Zugrunde liegt die Erkenntnis, daß die Verpackung mindestens so wichtig wie der Inhalt ist. Eine gute Story überzeugt professionelle wie private Investoren und läßt die Kurse klettern.Angefangen damit haben amerikanische Investmentbanker. Bereits in den achtziger Jahren spezialisierten sich Wertpapieranalysten darauf, das Potential junger Venture-Capital-Gesellschaften einem größeren Investorenkreis näherzubringen. Die schwierigen technologischen Details waren dabei in eine glaubwürdige Story zu verpacken. Die Geschichte funktioniert. Tatsächlich besteht ein vielfach belegter Zusammenhang zwischen dem Bekanntheitsgrad eines Unternehmens mit seiner Story und der Börsenkursentwicklung. Die trockene Bilanz allein genügt nicht, auch wenn sie noch so gut ist.

Mittlerweile wurde das amerikanische System mit Erfolg auch in Deutschland kopiert. Dutzende junger IT-Firmen trommelten in eigener Sache vor ihrer Börseneinführung am Neuen Markt. So wurden die Drehmomentschlüssel der Firma Saltus Technology storymäßig zum "Der richtige Dreh für Ihre Aktien". Die vielen anderen explosiven Kurssteigerungen am Neuen Markt sind größtenteils ebenfalls gelungenem Marketing zu verdanken.

Für Stories der modernen Strickart gibt es zahlreiche Beispiele. Moto-rola beispielsweise mutierte nach dem Verkauf der verlustanfälligen Sparte Chip-Komponenten dank seines gut laufenden Mobilfunktelefongeschäfts zur gewinnbringenden "Handyaktie". Der Kurs stieg binnen zehn Monaten von 45 auf 95 Dollar und hat damit eine ähnlich steile Performance wie die Nokia-Aktie, der die Analysten von den Handypapieren die allerbeste Story zuschreiben. In Deutschland besonders bekannt ist die Geschichte der Telekom-Aktie. Unter der Regie von Marketingprofi und Vorstandschef Ron Sommer wurden dem Publikum unentwegt die Vorzüge des Unternehmens präsentiert. So kam die alte, kundenfeindliche "Haßfirma der Nation" von ihrem Negativimage weg. Die Aktienemissionen wurden trotz anfänglicher Schwierigkeiten ein Erfolg.

Zur Zeit schickt sich Siemens an, eine neue Unternehmensstory zu präsentieren. Motto: Weg vom Image des wenig dynamischen Elektroriesen. Große Firmenteile wie das Chip-Geschäft kommen als eigenständige Gesellschaften an die Börse. Die Analysten erwarten "einen flexibleren Konzern". So kletterte der Siemens-Kurs in den ersten neun Monaten 1999 von 55 auf über 80 Euro. Das entspricht 45 Prozent Gewinn. Früher hatte ein solcher Anstieg Jahre in Anspruch genommen.

Sehr gut kommt an, wenn dem Investor immer wieder einmal - natürlich positive - "Überraschungseffekte" präsentiert werden, wie zum Beispiel eine besonders schlaue Internet-Anwendung. Dann sprengen die Aktienkurse jeden Rahmen. Wenn das sensationelle Produkt aber zur Dutzendware wird oder technologisch veraltet, dann verblaßt die Story, und die Aktienkurse sinken. So geschehen beim Pionier Netscape. Die Firma ging 1996 zu 14 Dollar pro Aktie an die Börse. Vier Monate später stand die Notierung bei 87, weitere zwei Monate später bei 34 Dollar. Microsoft verdarb mit seiner in das Windows-Paket eingebundenen Alternativanwendung die Preise. Inzwischen wurde Netscape von AOL übernommen. Die jüngste Internet-Aktiengeneration kommt leicht auf Kurssteigerungen von mehreren hundert oder sogar tausend Prozent. Nach den gigantischen Gewinnen flaut die Begeisterung für die große Internet-Story aber seit April 1999 etwas ab. (kk)

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