Nokia: kleiner Displayfehler, großer Imageschaden

18.04.2002
Nokia in Erklärungsnot: Im Trendmodell 8210 wurden mangelhafte Komponenten eingebaut. Der Hersteller spricht von Einzelfällen, Kunden und Händler berichten von einem Massenproblem.

Es wurde als Trendhandy gefeiert, aber es bringt Kunden und Vertragshändlern offenbar mehr Verdruss als Freude: Wegen vermehrt gemeldeter Displayschäden hat das ARD-Verbrauchermagazin "Plusminus" ein Gutachten über das Handymodell "8210" von Nokia in Auftrag gegeben. Das Ergebnis, das in der Sendung vom 4. April einem breiten Publikum präsentiert wurde, ist verheerend: Von den zehn überprüften Handys waren nur vier in Ordnung, zwei wiesen einen Displayschaden auf, und drei hatten einen Ausfall nach mehrmaliger Benutzung. Eines war schon nach Entnahme aus dem Karton defekt.

Der beauftragte Gutachter Konrad Weis macht in den meisten Fällen die schlechte Verkapselung des Handys beziehungsweise die zu dünne Oberschale für den offensichtlichen Feuchtigkeitseintritt verantwortlich: "Ich bin erstaunt, dass einer renommierten Firma wie Nokia solche Fehler unterlaufen." Seiner Ansicht nach hätte Nokia das Gerät erst gar nicht auf den Markt bringen dürfen, so das eindeutige Urteil.

Servicecenter sollten Garantie ablehnen

Den betroffenen Kunden hat der Hersteller Garantieansprüche bislang meist verweigert. Die Begründung: Das Gerät habe einen vom Kunden selbst verursachten Feuchtigkeitsschaden. Die Servicecenter wurden laut Plusminus von der Konzernspitze schriftlich angewiesen, die Garantie schon bei kleins-ten Spuren von Feuchtigkeit abzulehnen. Der Ärger bleibt an den Handelspartnern hängen: "Displayausfall beim 8210 ist bei unseren Kunden an der Tagesordnung", so ein Händler. Das Gerät selbst sei zwar schön klein und handlich, aber: "Die Mängel beim Display haben uns dazu gebracht, dieses Gerät nicht mehr zu verkaufen".

Auch der Service seitens des Herstellers sei schlecht: Bei den Reparaturen müsse man mit langen Wartezeiten rechnen. "Wir als Händler hören uns täglich das Geschimpfe unserer Kunden an. Dafür erhalten wir von Nokia aber keine Vergütung", so der Händler. "Wir stehen vor dem unzufriedenen Kunden und müssen schlichten. Nokia muss seinen Service kurzfristig verbessern, ansonsten müssen sie mit einem Verkaufsrückgang rechnen."

Ein anderer Händler schätzt die Ausfallquote beim 8210 gar auf 70 Prozent. Diese Zahl bestätigt auch die Firma Pro Systec, einer von Deutschlands größten Handyversicherern. "Die Kosten belaufen sich derzeit auf einen fast sechsstelligen Bereich, der sich zusammensetzt aus Reparatur, Versand, Por-to oder eventuell Totalersatz des Gerätes", so Vertriebschef Torsten Bressmer gegenüber dem Verbrauchermagazin. "Ich habe Zweifel, ob überhaupt jemand ein unrepariertes fehlerfreies Modell besitzt", meint dazu ein betroffener Kunde.

Auch andere Modelle sind betroffen

Auch Nokia hat sich inzwischen zu Wort gemeldet: "Falsch und irreführend" seien die Berichte über angebliche Displaymängel bei Nokia-Mobiltelefonen der Serie 8210, teilt der Hersteller mit. Doch er gibt im gleichen Atemzug zu, dass das Problem noch weitreichender ist als bislang angenommen. Denn das Displayproblem hat es auch laut Nokia gegeben - und zwar nicht nur beim 8210. Wie der Hersteller einräumt, ist auch das Nokia 8260 betroffen. "In einem geringen Umfang" sei das fehlerhafte Displaybauteil auch in anderen Nokia-Mobiltelefonen verwendet worden. Fehlerhafte Geräte sind laut Hersteller bisher nicht nur in Deutschland, sondern auch in Skandinavien, Aus-tralien und den USA aufgetaucht.

Trotzdem sagt Nokia, das fehlerhafte Bauteil betreffe "eine kleine Anzahl" von Mobiltelefonen, die im Zeitraum von Oktober 2001 bis Januar 2002 produziert wurden: "Im Verhältnis zum jährlichen Verkaufsvolumen von Nokia ist der Anteil an betroffenen Geräten gering", so der lapidare Kommentar. Nokia selbst habe Anfang des Jahres bei einem seiner Displayzulieferer einen Qualitätsmangel bezüglich eines Bauteils erkannt. Die Verwendung der Komponente habe man sofort eingestellt und sie durch ein Bauteil eines anderen Zulieferers ersetzt. Somit sei das Problem seit Februar behoben, man werde die betroffen Geräte selbstverständlich - im Rahmen der normalen Garantiebestimmungen - kostenlos reparieren.

Glauben mag das zumindest der Handyversicherer Pro Systec nicht mehr. Ab 1. Mai will das Unternehmen die Nokia-Modelle 8210, 3310, 3330 und 8850 nicht mehr versichern. Wegen der bisherigen Kosten will Pro Systec Nokia außerdem auf Schadensersatz verklagen.

www.nokia.de; www.hr-online.de

ComputerPartner-Meinung:

Das Statement von Nokia ist nicht besonders glaubwürdig. Denn Kunden und Händler berichten einstimmig, die Displayausfälle auch schon bei den Vorgängermodellen erlebt zu haben (siehe auch www.computerpartner.de). Und wenn ein Hersteller, der jährlich mehr als 400 Millionen Handys verkauft, von einem "am Verkaufsvolumen gemessen geringen Anteil" spricht, handelt es sich sicher nicht nur um Einzelfälle. Wieder mal ein Hersteller, der an der falschen Stelle gespart hat. (mf)

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