Nokia und View-Sonic: mit heißer Nadel gestrickt

27.01.2000

Das hatten die finnischen Bosse von Nokia in ihren kühnsten Träumen wohl nicht zu hoffen gewagt. Dass da jemand herkommt und ihnen ihre Monitorabteilung abkauft. Denn nach dem Verkauf der Produktionsstätten bestand diese Division nur noch aus weichen Faktoren: den Mitarbeitern, den Kunden, den Händlern, der Marke. Das alles kann man - eigentlich - nicht verkaufen: Man kann keine Mitarbeiter verkaufen (Sklavenhandel ist abgeschafft), keine Kunden, keine Händler. Und die Marke Nokia? Die brauchen die Finnen selbst für ihr Handy- und sonstiges Geschäft.

Daher waren die Finnen sicherlich selber überrascht, als sie einen Anruf aus Amerika erhielten, von View-Sonic, und ihnen erklärt wurde, dass man Interesse an ihrer Monitorabteilung habe. Und dann ging es sehr schnell. So schnell, dass die Finnen nicht mal die Zeit fanden, zwischendurch die Geschäftsführer ihrer Auslandstöchter zu informieren. Die fielen dann natürlich aus allen Wolken, als die Transaktion bekannt wurde. Vor allem, weil sie nur ein paar Tage zuvor ihre wichtigsten Geschäftspartner angerufen und ihnen versichert hatten, dass trotz oder gerade wegen des Verkaufs der Fabriken Nokias Monitor-Business ohne Ballast und daher noch stärker am Markt agieren könne. Jetzt standen sie plötzlich entweder als Lügenbold oder als kleines Licht in der Nokia-Hierarchie da. Peinlich das eine wie das andere.

Aus Sicht der Finnen ist der Verkauf an View-Sonic das Beste, was ihnen passieren konnte. Jetzt können die Skandinavier alle Kräfte auf das Thema Telekommunikation konzentrieren. Die Manager von View-Sonic sollten dagegen die Champagner-Flaschen lieber noch eine Weile im Kühlschrank lassen. Ob sich die Akquisition auszahlt, wird sich erst noch erweisen und ist abhängig von den Schritten der Amerikaner in den nächsten Monaten. Schließlich hat View-Sonic keine "Immobilien", sondern mit den Mitarbeitern, Kunden und Händlern im höchsten Grade "Mobilien" übernommen, die alle ganz schnell weglaufen können, wenn ihnen etwas nicht passt.

Dass der Deal quasi über Nacht zu Stande kam, macht die Sache auch nicht einfacher. Denn so blieb keine Zeit zur Vorbereitung. Wer zum Beispiel soll das Geschäft in Deutschland führen? Einen Geschäftsführer für View-Sonic in Deutschland gibt es nicht, und ob die Amerikaner den bisher verantwortlichen Nokia-Geschäftsführer Peter Oberegger auf ihre Seite ziehen können, erscheint momentan eher unwahrscheinlich. Weitere Fragen sind zu klären, zum Beispiel die nach dem Firmensitz: Willich am Niederrhein oder München an der Isar? Will man, wie es heißt, die Nokia-Mitarbeiter haben, wird man sie vom Reiz des Niederrheins überzeugen müssen. Auch keine leichte Aufgabe.

Das alles bedeutet, dass View-Sonic in den kommenden Monaten sehr intensiv mit sich selbst beschäftigt sein wird und dementsprechend geringen Druck auf den Markt ausüben wird. Dadurch verringert sich jeden Tag der Wert der Akquisition. Die Konkurrenz wird’s freuen.

Damian Sicking

dsicking@computerpartner.de

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