Novell-Chef Zeitler: "Wir haben die Voraussetzungen für einen Neuauftritt geschaffen"

10.10.1997

MÜNCHEN: Nicht nur der Dauersturm NT bläst Netzwerker Novell frontal entgegen und sorgt für neative Bilanzen bei dem einstigen Netzwerkprimus. Es häuften sich auch Management- und Marketingfehler. Für Novell-Geschäftsführer Andreas Zeitler ist das kein Grund, den Düsseldorfern Adieu zu sagen. Im Gegenteil: Er sieht die Company neu ausgerichtet, mit neuen Zielen, einer klaren Option NDS und einem umfassenden Angebot an Produkten und Dienstleistungen für und durch den Handel.

Andreas Zeitler gibt nicht auf. Der Novell-Geschäftsführer ist seit vier Jahren in der Düsseldorfer Deutschlandfiliale und damit unmittelbar Zeuge des langsamen Niedergangs des einstigen Vernetzungsprimus. Trotzdem sieht er sein Unternehmen noch immer in einer Position der Stärke.

Das mag überraschen, und ein Blick in die Negativbilanzen der Netzwerker legt eher das Gegenteil nahe: Nur ein Griff in die Reserven erlaubt der Company, den 120 Millionen Verlust bei einem Umsatz von 90 Millionen Dollar im dritten Quartal 1997 (31. August 1997) zu kompensieren.

Doch der Manager, der gerade anstelle des demissionierten Willy Söhngen Vice-President Central & Eastern Europe Novell geworden ist, zeigt sich betont kämpferisch. "NDS ist das Wichtigste für uns", unterstreicht er die Ambitionen seines Unternehmens, mit den Network Directory Services einen Verzeichnisstandard für alle Unternehmensnetze und Komponenten zu etablieren und damit "einen guten Teil der Umsätze" zu generieren. In Deutschland beispielsweise durch die Telekom, die bis Ende dieses Jahres auf der Grundlage von NDS zirka 70.000 "Intralink"-Knoten installiert haben will und damit kooperierenden Firmen den Zugang zu definierten firmeninternen Ressourcen anbieten kann.

"Je ein Drittel Umsatz mit NDS, plattformunab-hängigen Internet-Services und Netware"

Doch bei NDS allein, das Anbieter wie HP, IBM oder Sun zwar lizenzieren, aber laut Marktforschern wie Jon Oltsik von Forrester Research bisher kaum verkauft haben, soll es nicht bleiben.

Als zweiten Eckpfeiler des anvisierten unternehmerischen Erfolges von Novell propagiert der Manager "plattformunabhängige Internet-Services" unter Zuhilfenahme von Java.

Die zukünftigen Aussichten für das bisher zentrale Novell-Produkt Netware in seinen Varianten 3x, 4x und Intranetware dagegen setzt Zeitler demonstrativ niedrig an: Nur 30 Prozent des Umsatzes soll das Betriebssystem in drei Jahren erwirtschaften. Das erscheint angesichts der Novell-Basis von derzeit rund fünf Millionen Netware-Servern oder einem Marktanteil von zirka 55 Prozent bei Netzwerkbetriebssystemen, so Marktforscher IDC, ausgesprochen bescheiden.

Daß diese 30 Prozent allerdings eine größere Rolle spielen können als die bloße Umsatzvorgabe selbst signalisiert, zeigt die "Revitaliserung des Entwicklerprogramms" für Netware. Nach Angaben Zeitlers arbeiten rund 1.000 Entwickler an Netware-Applikationen mit Schwerpunkt Warenwirtschaftssysteme und Java.

Doch darüber hinaus möchte der Manager - nach der langen Durststrecke, die etwa bei vielen der Novellhändler zu den für eine Geschäftsbeziehung tödlichen Faktoren Frust, Desinteresse und NT führte - endlich wieder eine bestimmende Rolle im Netzwerkmarkt einnehmen.

Wenn es sein muß, durch Kampf. Weshalb er die Debatte, in der seit zwei Jahren jeder Novellauftritt mündete, nämlich "Welches Betriebssystem ist das richtige?" mit einem Satz erledigt haben möchte: "Der Streit um das Betriebbssystem ist müßig. Es gibt drei: UNIX, NT und Netware. Alle drei haben ihre Existenzberechtigung. Hier entscheidet der Markt." Was der Markt auf seine Weise bereits getan hat: Außer bei Großunternehmen war die Vermarktung von (Intra)-Netware wenig erfolgreich; NT dagegen sammelte unermüdlich Punkte.

10 Punkte-Roadmap

Viel wichtiger ist ihm, daß der Markt jetzt erfährt, in welchen Geschäftsfeldern die Netzwerker aus Provo im amerikanischen Staat Utah glauben, erfolgreich agieren zu können. Die gerade aufgelegte 10-Punkte-Liste liest sich so:

"Die Infrastruktur für Internets zu bilden", was NDS für alle Plattformen bedeutet; Internet- und Intranet-Tools auch für kleine Netze wie die NDS-basierende Neuvorstellung "BorderManager" oder ab November der Proxyserver "FastCache", "Management von File und Printservices inklusive dynamische Replikation", "NT-Management", also etwa "Workstation-Administration und Softwarewartung über NDS. "Das Thema müssen wir angreifen", gibt Zeitler vor.

Als weitere Punkte der angestrebten Novell-Renaissance nennt er Netzwerkmanagement "mit deutlichem Fokus auf heterogene Netze und Internet"; Softwaremanagement; "Collaboration", also das hauseigene Groupwise und erst noch zu schreibende Java-Applikationen sowie "Clustering". Damit ist die Novell-Initiative "Wolf Mountain" gemeint, die mit Partnern wie Cheyenne, Compaq, Intel, Oracle, Tandem und Unisys entwickelt wurde. Sie soll, so Zeitler, in Frontalstellung zur diesbezüglichen, bislang wenig erfolgreichen Microsoft-Anstrengung "Wolfpack" ab Sommer nächsten Jahres "klar machen, was Clustering bedeutet". Und schließlich stehen "Java-fähige Applikationsserver" auf der Liste.

Neues Management, Aufräumarbeiten und Kanalpolitik

Auch in Sachen Management, Marketing und Kanalpolitik macht Zeitler, der mit Ray Noorda, Bob Frankenberg und Joseph Marengi drei Novell-CEOs kommen und gehen sah, wieder deutlich positive Zeichen der Novell-Renaissance aus. "Die zentralen Stellen des Mangements sind mit Topleuten besetzt", ist er sich sicher. Neben dem seit April 1997 amtierenden "Mister Java" CEO Eric Schmidt sind das die Neuzugänge Senior Vice-President Christopher Stone, der OMG-Gründer, verantwortlich für die Netzstrategie von Novell, und Marketingchef John Slitz. Er kommt direkt von IBM, wo er für die Vermarktung von Mainframes zuständig war.

Außerdem habe CEO Schmidt nach monatelangen Vorarbeiten eine eindeutige Politik in Sachen Marketing und Kanalpolitik entwickelt. "Wir haben einen klar definierten Kriterienkatalog anzubieten. Der beinhaltet für unsere Produkte Standards, Plattformunabhängigkeit und NDS-Konformität", erklärt Zeitler. Auf der Seite der Produkte habe CEO Schmidt vorgegeben, es müsse jeden Monat eine neues Produkt in die Waagschale des Internet-Marktes geworfen werden.

Für Novell-Händler und damit den indirekten Kanal heißt das: Nach der gezielt aufräumenden Kanalbereinigung mit "aktuell Lagerbeständen von 40 Tagen" werden sie jetzt auf die neue Novell-Linie eingeschworen.

Dazu sollen Glaubwürdigkeit der Düsseldorfer Deutschlandfiliale ebenso zählen wie ein "Überdenken der Händlerstruktur", so Zeitler. Dabei will er die seiner Meinung nach nur mehr wenig überschaubare Zertifizierungspolitik vereinfachen. "Sie muß so einfach und klar werden, daß jeder Händler nach einer Zertifizierung weiß, woran er ist."

Damit und mit einer deutlichen Fokussierung auf Produktorientierung und der Initiative, demnächst umfassende Dienstleistungen durch Händler anbieten zu können, beispielsweise beim Thema Outsourcing von Netzadministration, glaubt der Manager, Novell werde wieder attraktiv: "Wenn wir schaffen, was wir uns vorgenommen haben, und der Handel erkennt, daß wir es ernst meinen, können wir es schaffen."

(wl)

Novell-Geschäftsführer Zeitler in Kampflaune: "Der Streit um das richtige Betriebssystem ist müßig."

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