Novell schreibt tiefrote Zahlen: Soll IBM die Schätze der Netzwerktechnik retten?

09.05.1997
SAN JOSE: Nach einem erneut katastrophalen Quartalsergebnis sind die nun schon seit Jahren anhaltenden Übernahmegerüchte um Novell wieder neu entflammt. Der Aktienkurs nahe dem Jahrestief, solide Produkte in der Pipeline der nächsten Monate und ein bereits reduzierter Mitarbeiterstab - das ist eigentlich der Stoff, aus dem gelungene Übernahmen geschneidert werden können.Novell schwimmt in tiefem Rot. Für den neuen Chef Eric Schmidt geht es um Sein oder Nichtsein des Unternehmens, für das er nun die Verantwortung trägt. Mit Microsoft als Wettbewerbsgegner bleibt nur wenig Zeit für eine Neuausrichtung. Die noch als Marktführer geltende Softwareschmiede von Netzwerksoftware mußte im dritten Quartal ihres Geschäftsjahres (zum 31.7) einen drastischen Einbruch beim Umsatz und Gewinn hinnehmen. Der Quartalsumsatz brach auf 90,1 Millionen Dollar auf ein Viertel des Umsatzes im Vergleichszeitraum des Vorjahres ein (365,1 Mill.$). Dies führte zu einem Quartalsverlust von 121,6 Millionen Dollar, während im dritten Quartal des Vorjahres noch ein Gewinn von 58,8 Millionen Dollar erwirtschaftet werden konnte.

SAN JOSE: Nach einem erneut katastrophalen Quartalsergebnis sind die nun schon seit Jahren anhaltenden Übernahmegerüchte um Novell wieder neu entflammt. Der Aktienkurs nahe dem Jahrestief, solide Produkte in der Pipeline der nächsten Monate und ein bereits reduzierter Mitarbeiterstab - das ist eigentlich der Stoff, aus dem gelungene Übernahmen geschneidert werden können.Novell schwimmt in tiefem Rot. Für den neuen Chef Eric Schmidt geht es um Sein oder Nichtsein des Unternehmens, für das er nun die Verantwortung trägt. Mit Microsoft als Wettbewerbsgegner bleibt nur wenig Zeit für eine Neuausrichtung. Die noch als Marktführer geltende Softwareschmiede von Netzwerksoftware mußte im dritten Quartal ihres Geschäftsjahres (zum 31.7) einen drastischen Einbruch beim Umsatz und Gewinn hinnehmen. Der Quartalsumsatz brach auf 90,1 Millionen Dollar auf ein Viertel des Umsatzes im Vergleichszeitraum des Vorjahres ein (365,1 Mill.$). Dies führte zu einem Quartalsverlust von 121,6 Millionen Dollar, während im dritten Quartal des Vorjahres noch ein Gewinn von 58,8 Millionen Dollar erwirtschaftet werden konnte.

Der starke Einbruch ist in erster Linie auf eine massive Bereinigung des Lagerbestandes von Novellprodukten im Computerfachhandel und bei den Distributoren sowie auf einmalige Abschreibungen von 55 Millionen Dollar für die Entlassung von 1.000 Mitarbeitern, etwa 18 Prozent des gesamten Personalstandes, zurückzuführen. In den Regalen der Wiederverkäufer hatten sich bereits im letzten Quartal die rot verpackten Kartons der Novell-Software als Ladenhüter gestapelt, während der Direktvertrieb an Unternehmen nach eigenem Bekunden gut läuft. Durch eine Drosselung der Auslieferung waren daher für das laufende Quartal negative Zahlen erwartet worden, jedoch nicht in dieser Höhe.

Dramatische Einbrüche bei Marktanteilen

Als Schmidt vor Monaten an Bord kam, war Novells Marktanteil von 70 Prozent im Jahre 1993 auf 57 Prozent zurückgegangen. Die Gründe der Misere liegt nach Ansicht von Industriebeobachtern in einem langsam sauer werdenden Gemisch veralteter Software (Netware), schlechter Akquisitionspolitik der vergangenen Jahre sowie massiven Management-problemen. Novell hat sich von der ehrgeizigen Übernahmepolitik seines Gründers Raymond Noorda, der unbedingt Microsoft herausfordern wollte, noch nicht erholt. Auch Noordas Nachfolger Bob Frankenberg konnte nur aufräumen, nicht aber aufbauen. Er wollte Akquisitionslast abschütteln und die Kosten reduzieren. In diesem Zeitraum begann jedoch das Internet seinen Siegeszug. Während Novell damit beschäftigt war, Ballast abzuschütteln, besetzten Unternehmen wie Netscape, Sun Microsystem und Microsoft ihre Positionen als führende Softwareanbieter für das neue Medium. Novell war plötzlich auch beim Thema Computernetze in den Hintergrund gedrängt. So mußte auch Frankenberg nach 30 Monaten im Amt seinen Chefsessel räumen.

Mit Eric Schmidt hat Novell nach Ansicht vieler Experten den Mann bekommen, "den der Doktor verschrieben hat". Schmidt war lange Zeit Cheftechniker bei Sun und hat die Entwicklung des Internetsystems Java maßgeblich mitgeprägt. Er gilt unter Fachleuten als inhaltlicher Garant dafür, daß Novell die dringend notwendige Überarbeitung seiner Produktpalette für die neue Internet-Ära rasch über die Bühne bringt.

Neue Produkte sollen Novell retten

Schmidt ist überzeugt, daß nach dem Debakel dieses "Spülstein"-Quartals (kitchen sink quarter) für Novell wieder bessere Zeiten anbrechen. In den nächsten sechs Monaten sollen eine Reihe neuer, auf das Internet ausgerichteter Produkte auf den Markt kommen, die wieder Umsatz und damit Gewinn in Novells Kasse bringen. Sie werden alle um Novells größtes Faustpfand im Softwaremarkt gruppiert sein, um seine "Directory-Technik" (NDS). Doch auch Microsoft arbeitet mit Active Directory an diesem Thema und versucht mit dem Hebel seiner Markt-macht Novell auch dieses Feld streitig zu machen.

Doch die Frage lautet: Kann Novell alleine überleben? Die Tendenz in der US-Presse ist eindeutig: Wohl kaum. Mit einer großen installierten Kundenbasis, langjährigem Expertenwissen zum Thema Computernetze und einer Milliarde Dollar in bar sollte Novell für IBM schmackhaft sein, erklärte John Oltsik von der Marktforscherfirma Forrester Research aus Cambridge, Massachusetts. Für Novell würde das, so Oltsik weiter die Chance bieten, mit seinen Produkten wieder beachtet zu werden.

Diese Beachtung ist bereits stark gefährdet. Viele Nutzer sind verunsichert. "Unsere Kunden sprechen nur noch über Unix und Windows NT", klagt ein Fachhändler aus St.Louis. Auch die deutschen Wiederverkäufer wissen ein Lied davon zu singen. Dabei sind sich alle Fachleute einig, daß Novells Netware-Technik ausgereift und stabil sei. Microsofts Windows NT könne derzeit in Netzwerkfragen den Novellprodukten noch nicht das Wasser reichen, hieß es.

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