Offensive Akquisitions- und Beteiligungspolitik

18.02.1999

MÜNCHEN: Mit dem geplanten Börsengang im Frühjahr 1999 an den Neuen Markt will die Nemetschek AG ihre Marktführerschaft im Bereich Bausoftware weiter ausbauen. Auf der Agenda des Münchner Unternehmens stehen in den nächsten Jahren Akquisitionen und der Ausbau neuer Geschäftsbereiche.Sie gehört zu den renommiertesten Bauprojekten der Gegenwart: die geplante Pinakothek der Moderne in München. Doch die Zeiten, in denen Gebäude auf dem Reißbrett entstanden, gehören längst der Vergangenheit an. Einer der EDV-Pioniere im Bauwesen ist Georg Nemetschek, Vorstandsvorsitzender des gleichnamigen Münchner Unternehmens, das auf CAD-Software für das Bauwesen spezialisiert ist. In dem 1963 von Nemetschek gegründeten Planungsbüro tüftelte der Diplomingenieur und ehemalige Fachhochschulprofessor schon seit 1977 an ersten Softwareprogrammen, die bei den Architekten damals nicht unbedingt auf Gegenliebe stießen.

Heute ist Nemetschek im Bauwesen einer der wichtigsten IT-Akteure im Hintergrund - und das weltweit: Sei es bei der Errichtung des Bundespräsidialamtes in Berlin, bei der Planung der Kö-Galerie oder des Stadttores in Düsseldorf, der Skiflugschanze am Kulm in Österreich oder der Ting-Kau-Brücke in Honkong - das Leistungsspektrum der Münchner reicht von der Software-Entwicklung über die Systemintegration bis hin zu Beratung und Services. Fast schon ein Verkaufsschlager unter den CAD-Systemen ist das Programm "Allplan", das sich in die Gebäudeplanung integrieren läßt und wichtige Anforderungen wie Entwurf, Zeichnung, Konstruktion, Mengenermittlung und Visualisierung eines Bauwerks abdeckt.

Mit ihren Produkten sehen sich die Münchner nicht nur als IT-Pioniere in der Baubranche, sondern auch als Marktführer in Deutschland und Europa. Der deutsche Marktanteil liegt eigenen Angaben zufolge bei über 30 Prozent. Und damit läßt das Unternehmen die - bereits börsennotierten - Wettbewerber MB Software und Graphisoft hinter sich.

Facility-Management und DMS im Focus

1998 erzielten die Softwerker einen Umsatz von 173 Millionen Mark - ein Plus gegenüber dem Vorjahr von 20 Prozent. Noch stärkere Zuwächse gab es beim Gewinn (Ebit), der von 11,5 auf 18,2 Millionen Mark zulegte (plus 59 Prozent).

Doch nicht nur in puncto Umsatzzahlen eilt Nemetschek der Konkurrenz voraus. Als jüngster Coup gelang eine 30prozentige Beteiligung an der auf Dokumentenmanagement-Systeme (DMS) spezialisierten Docunet AG in Germering bei München. Mit diesem strategischen Schachzug will Nemetschek "sowohl an den hohen Wachstumsraten des DMS-Marktes partizipieren als auch Synergien in der Vermarktung und Weiterentwicklung von DMS-Produkten nutzen". Archivierung und DMS spielen dem Vorstandschef zufolge im Bauwesen eine immer wichtigere Rolle.

Seit 1993 haben die Münchner auch einen Fuß in der Tür des Zukunftsmarkts Facility- und Immobilien-Management. Mit Software und Services für das Management von Gebäuden und der Verwaltung will Nemetschek einen lukrativen Markt mit einem Immobilien-Bestand von insgesamt 16 Billionen Mark bedienen. Derzeit sind die Münchner als Facility-Dienstleister am Umzug der Bundesregierung von Bonn nach Berlin beteiligt.

Umsatzverdoppelung bis 2001

Neben dem Aufbau neuer Geschäftsfelder will Nemetschek sein weiteres Wachstum durch Akquisitionen im In- und Ausland weiter vorantreiben. Im Fokus stehen dabei Niederlassungen in Osteuropa und der Markteintritt in Fernost. Bereits heute gibt es in Europa eine Reihe von Tochtergesellschaften, etwa in Österreich, der Schweiz, Frankreich, Italien, Spanien, Polen, der Slowakei und Tschechien. Nach dem verunglückten US-Engagement im letzten Jahr wird der amerikanische Markt jetzt über Partnerfirmen bedient. Nemetscheks Ziel ist es, den Anteil der Auslandseinnahmen in den nächsten Jahren auf 50 Prozent zu steigern. Derzeit sind es knapp 30 Prozent.

Auf sich aufmerksam machte das Software- und Systemhaus in den vergangenen Monaten durch eine Reihe von Beteiligungen. Unter ihre Fittiche nahmen die Münchner neben Docunet die Stuttgarter Friedrich und Lochner GmbH (zu 100 Prozent) und die Glaser ISB CAD Programmsystem GmbH in Wennigsen (zu 70 Prozent).

Das Ergebnis des derzeitigen Expansionskurses soll sich in den nächsten Jahren in den Geschäftszahlen widerspiegeln. "Bis zum Jahr 2001 wird sich unser Umsatz verdoppeln", prognostiziert der Vorstandschef. Ohne Einbeziehung der geplanten Akquisitionen geht der 64jährige von jährlichen Steigerungsraten von durchschnittlich bis zu 25 Prozent aus.

Finanziert werden soll die offensive Beteiligungs- und Akquisitionspolitik über einen Börsengang, der unter Federführung der Dresdner Kleinwort Benson im Frühjahr geplant ist. (god)

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