Gastkommentar

Office 365 - runter mit den Spendierhosen

26.03.2012

Herausforderung für Microsoft

Microsoft befindet sich in einer ungewöhnlichen Situation: Der Softwarehersteller – und reifende Serviceanbieter – konnte jahrzehntelang selbst Software mäßiger Qualität dank seiner erarbeiteten Marktmacht erfolgreich durchsetzen.

Jetzt verfügt Microsoft -–mit Services wie Office 365 – zwar über ein gutes Produkt, aber über keine zwingende Machtposition mehr. Neue Herausforderer wie Google, Dropbox, Zoho oder Salesforce.com greifen im Markt für Office-Produktivitätslösungen massiv an. Angstgegner Nummer 1 in diesem Segment ist aktuell und global betrachtet Google.

Google hat in den letzten zehn Jahren wie kaum ein anderes Unternehmen die IT-Industrie durcheinander gewirbelt. Das Kerngeschäft von Google beruht auf der Vermarktung von Werbeflächen in Online-Medien. Hauptprodukt ist gegenwärtig die für den Nutzer kostenlose Bereitstellung von Suchdiensten im Internet. Innerhalb der letzten Jahre wurden darüber hinaus weitere Geschäftsbereiche, die losgelöst vom Werbemarkt funktionieren, im starken Umfang weiterentwickelt. Erklärtes Ziel ist es, regelmäßige und langfristige Lizenzumsätze zu erzielen. Hierfür sind insbesondere Produkte und Dienstleistungen in den Bereichen Office-Applikationen, Collaboration und Communications, deren Zielgruppe in der Regel Unternehmen sind, erfolgversprechend. Mit dieser Erweiterung des Portfolios zielt Google somit direkt auf die sprudelnden Geldquellen von Microsoft ab.

Kern des Frontalangriffs bilden die "Google Apps". Unter dieser Marke bietet Google seit 2006 die Möglichkeit, über eine Internetverbindung online mit (Office-) Applikationen zu arbeiten. Es ist sowohl eine kostenpflichtige Variante als auch eine werbefinanzierte, aber unentgeltliche Version verfügbar.

Microsoft hat sich in der Vergangenheit dem Angebot von Google und den Herausforderungen der "neuen" Wettbewerber gestellt. Diese Positionierung und Marktansprache kann unter Aspekten wie Qualität oder Funktionen subsumiert werden. Im Sommer des letzten Jahres brachte der Konzern seinen Hoffnungsträger "Office 365" auf den Markt. Office 365 war seinerzeit – und ist es noch immer – eine klare Stellungnahme und Positionsbestimmung von Microsoft gegenüber Herausforderern wie Google und gegenüber den neuen Anforderungen der Anwender.

Bevor Lösungen wie Office 365 auf den Markt gebracht werden, erfolgen oftmals vorab Untersuchungen hinsichtlich des möglichen Markterfolgs, Preisen oder die am Markt vorherrschende Wettbewerbssituation. Hierfür gibt es unterschiedliche wissenschaftliche Methoden, Denkschulen und Angänge, die in einer Adoptionsforschung – also einer Forschung darüber, wie ein Produkt angenommen wird – die entsprechenden Informationen beschaffen. Die tatsächliche Festlegung des Preises erfolgt dann auf Basis unterschiedlicher Parameter. Hierzu zählen exemplarisch Produktionskosten, Preisbereitschaften der Zielgruppe, Wettbewerbssituation etc. Seinerzeit entschied sich Microsoft für folgende Preise (netto – ohne Mehrwertsteuer etc.):

Tabelle: Vergleich ursprünglicher Preise für Office 365. Quelle: Experton Group 2012 auf Basis von Microsoft-Preisinformationen.
Tabelle: Vergleich ursprünglicher Preise für Office 365. Quelle: Experton Group 2012 auf Basis von Microsoft-Preisinformationen.
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In den oben skizzierten Analysen und Studien werden auch Betrachtungen zur Preiselastizität durchgeführt. Die Preiselastizität ist ein Maß dafür, welche relative Änderung sich bei der Angebots- bzw. Nachfragemenge ergibt, wenn eine relative Preisänderung eintritt. Anders – und etwas grober – ausgedrückt: Wie viele Kunden kaufen mein Produkt (mehr), wenn ich den Preis um x Prozent reduziere? Auch Microsoft wird solche Überlegungen durchgeführt haben, diese vor der Wettbewerbssituation bewertet und einen neuen Preis festgelegt haben. Hiernach gelten nun folgende Preise für die einzelnen Servicepläne:

Tabelle: Vergleich neuer Preise für Office 365. Quelle: Experton Group 2012 auf Basis von Microsoft-Preisinformationen.
Tabelle: Vergleich neuer Preise für Office 365. Quelle: Experton Group 2012 auf Basis von Microsoft-Preisinformationen.
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Für die unterschiedlichen Regionen/Länder und Pläne ergeben sich dabei unterschiedliche prozentuale Preissenkungen:

Tabelle: Vergleich von Preissenkungen für Office 365. Quelle: Experton Group 2012 auf Basis von Microsoft-Preisinformationen.
Tabelle: Vergleich von Preissenkungen für Office 365. Quelle: Experton Group 2012 auf Basis von Microsoft-Preisinformationen.
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Die Rabatte für die unterschiedlichen Währungsräume unterscheiden sich deutlich. So ist der Preisnachlass auf einen Serviceplan E3 in der Schweiz (CHF) um 7,6 Prozentpunkte (bzw. ca. 46 Prozent) größer als in der Euro-Zone. Somit könnte die Argumentation, dass die Preisanpassung ausschließlich bzw. überwiegend durch Kostensenkung im Betrieb bedingt ist, angezweifelt werden.

Im Rahmen dieser Betrachtung erfolgt keine Bewertung der Kaufkraft in den Regionen – respektive eine Betrachtung der Währungsentwicklungen über die letzten Jahre. Solche Betrachtungen führen wir in Kundenprojekten durch, wenn es um die Vorteilhaftigkeit der Beschaffung von Microsoft-Produkten in unterschiedlichen Währungsräumen geht. So ist insbesondere die Lizenzierung von Microsoft-Produkten in CHF in den letzten Jahren durch die Stärke des Franken gegenüber Euro und US-Dollar sehr unattraktiv gewesen (bzw. geworden).

Die unterschiedlichen Nachlässe nähren jedoch die Vermutung, dass Microsoft hier einerseits harmonisierend eingreifen wollte und auf der anderen Seite unterschiedliche Preiselastizitäten und Wettbewerbssituationen abgebildet hat.

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