Office-Paket löst sich im Internet auf

09.09.1999

MÜNCHEN: Jetzt ist es offiziell: Sun Microsystems hat Star Division gekauft - und damit ein Office-Paket und eine 50köpfige Entwicklermannschaft. In Zukunft soll es "Star Office" über das Internet geben - häppchenweise und kostenlos. Das Geld will Sun mit Zusatzdiensten und Lösungen verdienen."Es gibt Gerüchte, an denen ist nichts dran, andere, an denen ist ein bißchen was dran, und wieder andere, die sind die volle Wahrheit", grinst Helmut Krings, Geschäftsführer der deutschen Niederlassung von Sun Microsystems. "Unser Gerücht war besser. Es war nur die Untermenge der vollen Wahrheit."

Der Kauf der deutschen Softwarefirma Star Division beschert Sun endlich ein komplettes Office-Paket. Mit dem 5. August 1999 haben die Kalifornier formell alle Rechte und Pflichten der Börries-Firma übernommen. Gezahlt wurde bar, und der ehemalige Star-Division-Chef Marco Börries hat neue Visitenkarten mit dem Sun-Logo und dem Titel "Vice President und General Manager für Webtop und Application Services". Auch die Mitarbeiter der ehemaligen Star Division werden von Sun weitgehend übernommen. Besonders wertvoll scheint der Java-Firma die Hamburger Entwick-lungsabteilung der "Star-Office"-

Schmiede zu sein.

Auch die bestehenden Distributionsverträge werden von Sun weitergeführt, wobei dies für Krings nur eine untergeordnete Rolle zu spielen scheint. "Mit der reinen Software kann man heute doch nichts mehr verdienen", winkt er ganz in Mc Nealy-Manier ab. Diese Einstellung ist naheliegend, denn Sun will Star Office als eigenständiges Paket weiterhin kostenlos über das Internet verteilen.

Jetzt kommt die volle Wahrheit

Warum Sun sich Star Division unter den Nagel gerissen hat, wird sehr schnell klar, wenn man sich anschaut, was die Kalifornier mit dem Office-Paket vorhaben.

"Das Geld mit Software verdient man durch Zusatzdienste und Lösungen", erklärt Krings. Und genau das will Sun mit dem sogenannten "Star Portal", so der Name der Internetvariante von Star Office, erreichen. Die Internetsurfer sollen online ihre Briefe schreiben oder ihre Reisekostenabrechnung erstellen. Die Anwendungen werden von einem zentralen Server aus auf Handhelds, Set top-Boxen oder Handys geschickt. McNealy hofft dabei auf große Online-Dienste wie AOL, auf Service-, ERP- (Enterprise Resource Planning) oder CRM-Provider (Customer-Relationship-Management). Sie sollen die Struktur, die Sun anbietet, kaufen und damit ihren Kunden Zusatzdienste bieten. Die Sun-Führung ist zuversichtlich, daß das Konzept aufgeht. Insider sehen den Plan allerdings eher skeptisch. "Mir ist nicht ganz klar, wie das in der Praxis gehen soll", grübelt der Geschäftsführer eines Softwarehauses. "Aber ich lasse mich gerne überraschen."

Außerdem will Sun ein Komponenten-Modell auflegen, mit dem Softwareentwickler einzelne Funktionen des Star Office in ihre eigene Software einbinden können. Ebenso soll der Sourcecode der Software unter Lizenzbedingungen der breiten Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden.

Keine Kriegserklärung an Microsoft

Laut eigenem Bekunden will Sun mit dem Kauf von Star Division Microsoft nicht an den Karren fahren - zumindest nicht mehr als bisher. "Das ist kein Angriff auf Microsoft", erklärt der President von Sun Microsoft, Ed Zanker, voller Inbrunst.

"Wenn wir dies gewollt hätten, hätten wir dies schon vor fünf Jahren gemacht." (gn)

Marco Börries hat jetzt keine Softwarefirma mehr - dafür viel Bargeld in der Tasche und einen neuen Job: als Vice President bei Sun Microsystems.

Helmut Krings, Geschäftsführer von Sun Deutschland: "Sun steigt in alle Verträge von Star Division unmittelbar ein."

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