E-Commerce boomt

Ohne Online geht im ITK-Handel nichts mehr



Matthias Hell ist Experte in Sachen E-Commerce und Retail sowie  Buchautor. Er veröffentlicht regelmäßig Beiträge in renommierten Handelsmagazinen und E-Commerce-Blogs. Zuletzt erschien seine Buchveröffentlichung "Local Heroes 2.0 – Neues von den digitalen Vorreitern im Einzelhandel".
Die Anzahl der stationären Läden geht immer weiter zurück – besonders im ITK-Segment. Doch der isolierte Webshop kann den Fachhändler auch nicht mehr retten. Was also tun?

Die Anzahl der stationären Läden geht immer weiter zurück - insbesonder im ITK-Segment. Doch der isolierte Webshop kann den Fachhändler auch nicht mehr retten. Mit welchen Multi-Channel-Konzepten On- und Offline-Händler heute schon punkten.

von Matthias Hell, ChannelPartner

Multi-Channel ist kein Allheilmittel

"Nicht jede Verbundgruppe muss sich selbst ein Online-Portal für Dienstleistungen basteln." Jörg Ehmer, Geschäftsführer der ElectronicPartner GmbH
"Nicht jede Verbundgruppe muss sich selbst ein Online-Portal für Dienstleistungen basteln." Jörg Ehmer, Geschäftsführer der ElectronicPartner GmbH

Um von der Wachstumsdynamik im E-Commerce nicht gänzlich abgekoppelt zu bleiben, setzen immer mehr Handelsunternehmen auf die Strategieoption Multi-Channel als Heilsweg. So hat Euronics bereits vor einigen Jahren den Startschuss zum Aufbau einer kanalübergreifenden Handelsplattform gegeben, die Online-Bestellungen, Reservierungsmöglichkeiten und stationäre Abholung miteinander verbindet.

Selbst die ausgesprochen bodenständige Verbundgruppe Expert ist vor Jahresfrist in den Multi-Channel-Handel eingestiegen - allerdings mit einer homöopathischen Dosierung. So ist das Sortiment weiterhin auf lediglich zwei Dutzend Artikel beschränkt. Die Folge: Weder Euronics noch Expert erzielen online bislang nennenswerte Umsätze.

Das sei aber auch gar nicht das Ziel, werden die Verbundgruppen nicht müde zu betonen. Vielmehr gehe es darum, mit der Online-Präsenz die Kundenfrequenz in den stationären Geschäften zu steigern.

Eine dezidiert forschere Multi-Channel-Gangart haben dagegen Media Markt und Saturn eingeschlagen: Kanalübergreifende Funktionen wie die Abfrage stationärer Verfügbarkeiten und die Bestellung von Artikeln in die nächstgelegene Filiale, aber auch die Offline-Rückgabe von Online-Bestellungen werden explizit beworben - mit einigem Erfolg: Die Abholrate bei Mediamarkt.de und Saturn.de lag im vergangenen Jahr kontinuierlich bei rund 40 Prozent.

Dass solche Multi-Channel-Funktionen nur wenig über den tatsächlichen Geschäftserfolg aussagen, zeigt allerdings der Niedergang der zum Handelskonzern Rewe gehörenden Elektromarktkette ProMarkt. ProMarkt habe die Konkurrenz aus dem Internet unterschätzt, gab vor einigen Tagen Rewe-Chef Alain Caparros bekannt - und demonstrierte damit bloß, wie wenig er sich offensichtlich mit dem Tochterunternehmen auseinandergesetzt hat.

Denn eines kann man nicht über ProMarkt sagen: dass sich das Unternehmen nicht ausreichend mit dem Online-Trend beschäftigt habe. ProMarkt übernahm Ende 2009 den Online-Händler Myby.de für einen Schnäppchenpreis von 2,4 Millionen Euro (Media-Saturn bezahlte für Redcoon ganze 125 Millionen Euro).

"Wir realisieren durch unsere stationären Standorte Umsatzeffekte, die über die in den Läden realisierten Umsätze hinausgehen." Olaf Siegel, Geschäftsführer der Cyberport GmbH
"Wir realisieren durch unsere stationären Standorte Umsatzeffekte, die über die in den Läden realisierten Umsätze hinausgehen." Olaf Siegel, Geschäftsführer der Cyberport GmbH
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In der Folge wurde Myby.de komplett in ProMarkt integriert, und die Elektromarktkette stellte sich konsequent als Multi-Channel-Händler neu auf: Das Vollsortiment wird seitdem on- und offline zu gleichen Preisen angeboten, Online-Retouren und -Reparaturen können in den Märkten abgewickelt werden, und Filialen und Märkte greifen in Echtzeit auf dasselbe Warenwirtschaftssystem zu.

Doch ein positiver Effekt der aufwendigen Maßnahmen für die Geschäftsentwicklung von ProMarkt blieb aus. Der Umsatz brach 2011 um 3,8 Prozent und schließlich 2012 um 15,5 Prozent ein; in dieser Zeit wurden ein Dutzend Standorte geschlossen, und es soll ein zweistelliger Millionenverlust angehäuft worden sein. Nun will sich Rewe von den verbliebenen Filialen trennen und hat dazu angeblich bereits einen Verkaufsprospekt verschickt. Das Beispiel zeigt: Eine Multi-Channel-Strategie allein ist noch keine Zukunftsversicherung.

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