Optische Archivierung vor dem Hintergrund eines rechtlich abgesicherten Dokumentenaustausches

11.07.1997

MÜNCHEN: Die optische Archivierung von Dokumenten zum Zwecke des elektronischen Dokumentenmanagements steckt noch

- ausgehend von der juristischen Betrachtung - in den Kinderschuhen. Dagegen ist das Bedürfnis der Unternehmen, die tägliche Papierflut einzudämmen und die eingehenden Dokumente durch schlichtes Scannen in die elektronische Datenerfassung aufzunehmen beziehungsweise elektronisch Daten auszutauschen, offensichtlich und vom Markt bereits technisch umgesetzt. Nicht nur ganze Archivierungslager werden zukünftig überflüssig, sondern auch der Workflow wird vor dem Hintergrund eines schnellen Zugriffs auf das jeweilige Dokument verbessert.

So sehr die technischen Anforderungen von den Softwareherstellern gelöst sein mögen, die rechtlichen Probleme werden auf die deutschen Gerichte erst zukommen. Zwei der sich hier ergebenden Probleme seien in diesem Beitrag in aller Kürze dargestellt. Es sind dies das Schriftformerfordernis nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch sowie das Schriftformerfordernis nach der Zivilprozeßordnung.

Das BGB sieht in ñ 126 BGB für gewisse Rechtsgeschäfte die Schriftform als Wirksamkeitserfordernis vor. Hierzu zählt beispielsweise die Quittung, die Bürgschaftserklärung sowie Schuldversprechen / Schuldanerkenntnisse.

Diese Eigenhändigkeit kann auf digitalen Dokumenten nicht erfolgen, so daß die derzeitige Rechtsprechung das Formerfordernis hier nicht gewahrt sieht. Auch bei einer sogenannten elektronischen Unterschrift - etwa durch die Verwendung eines public key zusammen mit einem private key - wird der Eigenhändigkeit derzeit noch nicht genüge getan. Rechtsgeschäfte, die auf der Grundlage eines elektronischen Dokumentes basieren und die der gesetzlichen Schriftform bedürfen, sind daher - zur Zeit noch - unwirksam.

Etwas anderes muß gelten für die gewillkürte Schriftform, also diejenigen Rechtsgeschäfte, die nur aufgrund des Willens der Parteien schriftlich zu erfolgen haben. Kommt es in diesem Fall beispielsweise zu einem elektronischen Austausch von Dokumenten, ist zwar der ursprüngliche Formzwang nicht eingehalten. Grundsätzlich wird hier allerdings angenommen, daß die Parteien durch den Austausch der elektronischen Dokumente das Formerfordernis abbedingen wollten, so daß das Rechtsgeschäft wirksam bleibt.

Auch im Zivilprozeß begegnet uns das Schriftformerfordernis. Nach den Grundsätzen der ZPO kann eine jeweilige Partei unter anderem Beweis antreten durch Urkunden, Zeugen oder auch die Inaugenscheinnahme durch das Gericht. Urkunden bieten in diesem Zusammenhang die "sicherste" Beweiskraft, denn sie sind unabhängig von einer richterlichen Würdigung beziehungsweise einer nicht immer frei von Wertungen vorgenommenen Zeugenaussage.

Auch die Urkunde im Zivilprozeß setzt - zur Zeit noch - eine Unterschrift des Ausstellers auf dem Original voraus. Fehlt es hieran, kann die die Beweislast treffende Partei auf jeden Fall nicht mittels einer Urkunde Beweis antreten. Zwar bleibt der jeweiligen Partei die Möglichkeit, das elektronisch gespeicherte Dokument auf dem Bildschirm aufzurufen und mittels Inaugenscheinnahme durch das Gericht Beweis anzutreten. Hier obliegt dem Gericht jedoch die freie Beweiswürdigung, so daß eine Wertung des zuständigen Richters in die Beweisaufnahme einfließt.

Ein Computerausdruck des optisch archivierten Dokumentes wird dem Urkundsbegriff der Zivilprozeßordnung derzeit ebenfalls nicht gerecht. Denn der jetzige Wortlaut des ñ 416 ZPO läßt eine Zuordnung des Computerausdruckes zu den Urkunden im Sinne des ZPO nicht zu. Hier besteht allerdings die Möglichkeit, durch privatschriftliche Vereinbarungen der Parteien die Gefahren bei der Beweisaufnahme in einem Zivilprozeß im Vorfelde einzudämmen, so daß das Risiko der Verwendung von digitalen Dokumenten zumindest minimiert werden kann. Diese Praxis wird mit sogenannten EDI-Verträgen von einigen Großunternehmen bereits gepflegt. Von einer Durchsetzung am Markt kann allerdings bisher nicht die Rede sein. Abschließend ist noch darauf hinzuweisen, daß es in der juristischen Literatur bereits einige Vorschläge für die Abänderung der vorbenannten Bestimmungen gibt. Wie schnell der Gesetzgeber auf die Erfordernisse zur Gesetzesänderung beziehungsweise -ergänzung eingeht, ist allerdings noch nicht absehbar.

Dr. Stefanie Müller Die Autorin ist Rechtsanwältin in Hamburg.

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