Oracle attackiert Microsoft im Collaborative-Business

15.08.2002
Dem selbstbewussten Oracle-Gründer Larry Ellison schmerzt die Wunde, die ihm Microsoft im Geschäft mit unter Windows laufenden Datenbanken schlug. Jetzt greift der Kalifornier die Stellung der Redmonder im E-Mail-Server-Geschäft an. Mit den Waffen der Gates-Company im Anschlag und der schleppenden Upgrade-Rate von Exchange 5.5 auf die Version 2000 räumt IDC der Attacke durchaus Chancen ein.

Dem Marktforschungsunternehmen Gartner zufolge hat Microsoft Oracle vom Thron im Datenbankmarkt für Windows-Betriebssysteme gestoßen: Mit 39,9 Prozent verwies Bill Gates, Gründer und Chairman von Microsoft, seinen Kontrahenten Larry Ellison, Gründer und CEO von Oracle, mit 34 Prozent auf die Plätze.

Die Wunde schmerzt Ellison, denn Datenbanken waren lange Zeit die ureigene Domäne der Kalifornier. Oracle attackiert nun mit einer "Collaboration-Suite" den E-Mail-Server "Exchange" der Gates-Company. Ganz aussichtslos scheint das Vorhaben nicht: "Oracle hat eine gute Chance, die Aufmerksamkeit von Exchange-Kunden auf sich zu ziehen, die vom Microsoft-Produkt frustriert sind und noch kein Exchange-2000-Upgrade haben", konstatieren die IDC-Analysten Mark Levitt und Robert P. Mahowald in einem Situationsbericht des Marktforschungsunternehmens.

Der Wechsel von "Exchange 5.5" zur Version 2000 des Messaging-Servers ist laut IDC nicht so glatt und schnell verlaufen, wie Microsoft das erhofft hatte. Wegen den Verzögerungen bei den Upgrades zu Windows 2000 und Active Directory, als Voraussetzung für ein Upgrade auf Exchange 2000, und der relativen Stabilität der Version 5.5 schätzen die Experten, dass viele Kunden noch nicht die neue Version installiert haben.

Doch allein darauf will sich Oracle nicht verlassen. Als Waffe für den Kampf um Marktanteile nutzen die Kalifornier das, was gewöhnlich die Redmonder einsetzen, um als Novize in einem bestehenden Markt zu punkten: den Preis. Damit hat Microsoft Novell und Netscape in die Knie gezwungen und konnte eben auch im Datenbankmarkt Erfolge erzielen.

Jetzt will Larry Ellison mit dieser Taktik die Nummer eins im Softwaregeschäft toppen: Oracle kündigte an, die komplette Colloboration-Lösung zu einem Bruchteil dessen anzubieten, was Microsoft für seine Software verlangt. Der Standardpreis der Microsoft-Lösung beträgt nach Einschätzung der Kalifornier für 5.000 Mitarbeiter rund 1.280.000 Dollar. Oracle verlangt dagegen nach eigenen Angaben für ein vergleichbares System rund 450.000 US-Dollar.

Der Einstiegspreis für eine Dauerlizenz der Oracle-Collaboration-Suite beträgt nach Angaben des Datenbankspezialisten 60 Dollar pro Named User, einschließlich Spracheingabe und unabhängig davon, mit wie vielen Kommunikationsgeräten der Anwender auf die Daten zugreift. Dagegen verlange die Lizenzpolitik von Microsoft, dass alle verwendeten PCs und Kommunikationsgeräte über die "Enterprise Agreement Core Client Access Licence" registriert werden. Dafür sei eine jährliche Gebühr von 85 Dollar zu entrichten, und zwar für drei Jahre. Oracle dagegen biete die Collaboration Suite für einen jährlichen Subskriptionspreis von 15 Dollar pro Named User an. Der Outsourcing-Service kostet weitere zehn Dollar pro Monat und Named User.

Ob die von der Ellison-Company genannte Preisangaben der Wahrheit entsprechen, wollte Stefan Lindemann, Produktmanager Exchange bei Microsoft, nicht bestätigen: "Zu Konditionen geben wir keine Statements ab."

Fujitsu Siemens steht Oracle zur Seite

Doch auch der kampffliegererprobte Ellison wagt sich nicht ohne Begleitformation aus der Deckung. Neben dem Preis als Waffe im Kampf gegen seine Erzfeind fanden die Kalifornier in Fujitsu Siemens einen starken Verbündeten: "Collaboration-Software ist ein neues Geschäftsfeld für Oracle, und die Partnerschaft mit Fujitsu Siemens Computers wird dazu beitragen, uns in diesem Bereich aufzustellen", erklärt John McLevy, Vice President Technology Solutions Oracle Emea.

Und auch der Waffenbruder sieht sich als optimale Hardwareplattform für den Kampf gegen Microsoft: "Unsere Primergy- und Primepower-Server-Serien für den Bereich Business Critical Computing sind die ideale Hardware für den Einsatz der Oracle-Collaboration-Suite," betont Joseph Reger, Chief Technology Officer von Fujitsu Siemens Computers.

Aber selbst Ellison weiß, dass gegen das weitverbreitete E-Mail-Frontend "Outlook" des Exchange-Servers wenig Aussicht auf Erfolg besteht. Mit Hilfe der Software des kürzlich übernommenen kanadischen Unternehmens Steltor will die Ellison-Company deshalb Outlook-Anwendern ermöglichen, die gewohnte Oberfläche auch mit der Collaboration-Suite zu nutzen.

Leider ergreifen die Kalifornier nicht nur dieselben Waffen im Kampf um Marktanteile wie Microsoft, sondern folgen auch dessen schlechtem Beispiel, was Produktankündigung und Verfügbarkeit anbelangt: Im Herbst soll die Collaboration-Suite auf dem Markt sein - eine Terminangabe, die eine Spanne von immerhin drei Monaten zulässt. Wann das Softwarepaket in Deutschland verfügbar sein soll, steht gänzlich in den Sternen. Microsoft sieht deshalb der Attacke von Oracle aus einer gesicherten Stellung gelassen entgegen:"Wir haben 100 Millionen Outlook/Exchange-Seats im Markt", kommentiert Microsoft-Manager Lindemann die Oracle-Ankündigung.

Sun und Samsung sind auf dem Sprung

Auch wenn Microsoft und IBM den Messaging-Markt dominieren, schreckt das neue Spieler nicht ab. Neben Oracle wollen auch Sun Microsystems und Samsung ein Stück vom Kuchen. Der taiwanesische IT-Konzern kaufte kürzlich das von Hewlett-Packard ausge-musterte Produkt "Openmail", eine Lösung, die auf einer Unix-Plattform für Outlook-Anwender von HP als besser skalierbar und zuverlässiger positioniert wurde.

Sun Microsystems erwägt ebenfalls den Einstieg in den Messaging-Markt. Die Kalifornier überlegen, einenE-Mail-Client als Konkurrenz zu Microsofts Outlook und eine korrespondierende Datenbank anzubieten. Sun verfügt zwar über eigene Serverprodukte, kann aber Desktop-seitig derzeit keinen passenden Client vorweisen. In einem Interview mit dem News-Dienst Computerwire erklärt Suns Chefmarketier für Desktop-Produkte Tony Siress, dass man mit Star Office und dem eigenen E-Mail-Client eine Alternative zu MicrosoftsExchange- und Office-Produkten schaffen wolle. Noch ist allerdings nicht ganz klar, auf welcher Software Suns Messaging-Lösung aufbauen wird. Hier werden gleich zwei potenzielle Kooperationspartner beziehungsweise Übernahmekandidaten gehandelt: die schwedische MySQL AG und die in Boston ansässige Ximian Inc.

ComputerPartner-Meinung:

Microsoft darf sich geehrt fühlen. Larry Ellison nimmt die Redmonder ernst: "Wir haben Microsoft im Visier. Lotus ist ein verendetes Tier", tönte der Oracle-Gründer auf einer hauseigenenAnalysten-Konferenz. Wie so häufig nimmt der Gründer des Datenbankspezialisten mit der Aussage den Mund ein wenig voll. Immerhin hält IBM/Lotus mit Abstand die Spitzenposition im Collaboration-Markt: 49 Prozent Umsatzanteil erzielten Lotus-Client und Domino-Server nach einer im Juli veröffentlichten IDC-Studie. Microsoft erreicht mit Outlook/Exchange nur 39 Prozent - und Oracle ist nicht aufgeführt. (hei)

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