Oracle kämpft um den Mittelstand

24.01.2002
Der Cebit-Ersatz kam bei den Oracle-Business-Partnern gut an, die mangelhafte Marketingunterstützung nicht. Ein neues Preismodell und vorkonfigurierte Lösungen sollen jetzt den Mittelstand ansprechen und das eingebrochene Anwendungsgeschäft des Datenbankspezialisten wiederbeleben.

Nur fünf Datenbankkunden von Oracle und neun von zehn an ERP-Lösungen interessierte Unternehmen wissen um den Umfang der "E-Business-Suite 11i", berichtet die Partnergemeinde der Nummer zwei im Softwaregeschäft. "Der Markt ist offen für ein hervorragendes Produkt, aber keiner kennt es", kritisiert Horst Huber, Vertriebsleiter beim deutschen Oracle-Advanced-Partner Primus Solutions.

Vor allem im Heimatland des ERP-Marktführers SAP hat der Datenbankspezialist anscheinend bei betriebswirtschaftlichen Anwendungen kapituliert. "Der Fokus von Oracle liegt auf CRM- und B2B-Software", klagt Huber. Das bestätigt auch Stephan Seltmann, Senior Application Consultant bei der Landis ICT-Group: "Der Oracle-Vertrieb konzentriert sich auf Anwendungen für das Customer-Relationship-Management."

Kapitulation im deutschen ERP-Markt

Ob diese Strategie der Weisheit letzter Schluss ist, bleibt zumindest fraglich. Mit Wincor-Nixdorf konnte die von Larry Ellison gegründete Company zwar einen deutschen CRM-Referenzkunden gewinnen, der SAP im Back-Office einsetzt, doch ansonsten halten sich die Verantwortlichen mit Auskünften über das CRM-Geschäft in Deutschland zurück: "Über den deutschen Markt machen wir keine Aussagen. In Europa haben wir 700 CRM-Kunden", teilte Eva Maria Sjoholm, Senior Director EMEA CRM Solutions bei Oracle, auf wiederholte Anfrage mit. Auch die Zahlen von John Page, Vice President Business Intelligence and Warehousing Solutions bei Oracle, bringen nicht mehr Licht in das Dunkel: "Von 237,5 Millionen Dollar Lizenzumsatz mit Anwendungen in EMEA entfallen 50 Millionen Dollar auf CRM."

Doch das sind die Zahlen für das Fiskaljahr 2001, und das endete bei Oracle im Mai. Danach brach das Application-Business um rund die Hälfte dramatisch ein. Jetzt sollen ein vereinfachtes Preismodell und ein "Rundum-Sorglos-Paket" dem daniederliegenden Absatz neues Leben einhauchen: 4.000 Dollar pro Power-User und 400 Dollar pro Casual-User verlangt der Datenbankspezialist ab sofort für seine E-Business-Suite.

Was genau unter den beiden Bezeichnungen zu verstehen ist, konnte nach der überraschenden Bekanntgabe von Larry Ellison allerdings keiner der Verantwortlichen aufklären. Unklar blieb auch, was Anwender bezahlen sollen, die nur einzelne Module benötigen. Auch das neue Komplettpaket bedarf noch weiterer Aufklärung. Kunden, die ihr jährliches IT-Budget inklusive der bislang eingesetzten "best-of-breed"-Lösungen an den Datenbankspezialisten übergeben, will Ellison mit neuer Hard- und Software ausstatten und für fünf Jahre einen Discount von fünf Prozent pro Jahr gewähren. Mit den neuen Konditionen will Oracle vor allem mittelständische Kunden gewinnen.

Cebit ist für Appsworld-Aussteller kein Thema

Horst Huber von Primus begrüßt die neue Preispolitik: "Bisher mussten für die einzelnen Module der E-Business-Suite Mindestmengen lizenziert werden. Aber gerade der Mittelstand benötigt nicht jede Applikation des Softwarepakets." Weit mehr freute sich der Primus-Vertriebsleiter deshalb über das neue Business Intelligence Tool "Daily Business Close".

Das Werkzeug ermöglicht es Anwendern der E-Business-Suite, einen "Tagesabschluss" über alle Geschäftsbereiche anhand von Kennzahlen durchzuführen. Auch die vorkonfigurierten und zu einem Festpreis angebotenen "Business-Flows" für Industrie-Segmente fanden bei dem Oracle-Partner Anklang. "Sie erleichtern die Arbeit der Verkaufsmannschaft vor allem im Mittelstand und im Pre-Sales", erklärt Huber.

Weniger glücklich zeigte er sich mit dem Zeitpunkt der Hausmesse kurz nach der Euroumstellung: "Die meisten Kunden hatten keine Zeit für einen Besuch." Dennoch ist die Cebit weder für Primus noch für Landis ein Thema. "In Hannover sind wir einer von vielen. Die Appsworld war günstiger, fachspezifischer und brachte mehr Leads als unser Cebit-Auftritt vor zwei Jahren", berichtet Landis-Consultant Stephan Seltmann.

Vertriebs-Channel von Oracle konsolidiert sich

Zu den auf der Appsworld kursierenden Gerüchten, Oracle nehme seinen indirekten Vertriebskanal genauer unter die Lupe und konzentriere sich auf wenige große Partner, nahm Jürgen Kunz, Vice President Enterprise Sales Division der Oracle Deutschland GmbH, Stellung: "Mit der in diesem Geschäftsjahr in Deutschland neu eingeführten Vertriebsstrategie verfolgt Oracle zwei Ziele: Auf der einen Seite soll jedem interessierten Unternehmen der Zugang zur Oracle Community einfach gemacht werden. Auf der anderen Seite will Oracle mit den bestehenden Partnern zusammen noch fokussierter in den jeweiligen Zielmärkten seine Endkunden ansprechen. Das ist im Rahmen der verfolgten Multi-Channel-Strategie unumgänglich und führt zwangsläufig zu einer Konsolidierung im Partnerbereich.

www.oracle.com/de/partner

ComputerPartner-Meinung:

"Im Jahr 2005 übersteigt der Umsatz mit Applikationen den mit Datenbanken", prognostiziert Larry Ellison. Angesichts der Verkaufszahlen für seine E-Business-Anwendungen eine sehr optimistische Einschätzung. Vor allem die in Deutschland praktizierte CRM-Strategie konterkariert die immer wieder von Ellison herausgehobenen Vorteile einer integrierten Softwarelandschaft gegenüber einem "best-of-breed"-Ansatz. Das vereinfachte Preismodell hilft den Vertriebspartnern beim Verkauf, doch ohne massive Marketingunterstützung für das Application-Business wird das Datenbankgeschäft die Cashcow von Oracle bleiben - über 2005 hinaus und vor allem in Deutschland. (hei)

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