Oracle spuckt Microsoft in die Suppe

27.02.2003
Mit einer datenbankbasierten "Collaboration Suite" sagt Oracle Microsoft und IBM nun auch in Deutschland den Kampf an. Ohne eigenen Client hat die Ellison-Company außerhalb ihrer Datenbankgemeinde jedoch einen schweren Stand gegen die weitverbreiteten Frontends "Outlook" und "Notes" der Wettbewerber.

Geiz ist geil! Zu Schleuderpreisen will der Softwarehersteller Oracle seine Collaboration Suite (OCS) jetzt auch in Deutschland vermarkten, um den nahezu gleich aufliegenden Marktführern Microsoft und IBM in diesem Geschäft das Wasser abzugraben. Wie zu erwarten war, gab Rolf Schwirz, Geschäftsführer bei Oracle Deutschland, dasselbe Preismodell für das neueste Produkt der Ellison Company zum Deutschland-Start bekannt, das zum Launch in den USA vor knapp einem Jahr veröffentlicht wurde: 60 Euro kostet die OCS per eingetragenem Anwender (named User) für den zeitlich unbegrenzten Einsatz (perpetual Licence), oder wahlweise eine Gebühr von 15 Euro (Subscripton Fee) für ein Jahr.

Wer die OCS einsetzen möchte, benötigt dazu eine Oracle-Datenbank "9i" und einen Application- Server "9i". Beide sind als "Message Store" beziehungsweise als Infrastrukturbasis für den Betrieb der Collaboration Suite notwendig und für die ausschließliche Nutzung des Groupware-Systems im Preis enthalten.

Plattformvielfalt bringt Wettbewerbsvorteil

Das gelte im Fall der Datenbank für die Enterprise Edition inklusive aller Optionen wie Real Application Cluster oder Data Guard. Das OCS unterstützt momentan die Plattformen HP-UX, PA-Risc, HP Tru64, IBM AIX, Linux IA32 (Intel/AMD), Microsoft Windows NT auf Intel sowie Sun Solaris.

Im Visier hat Oracle mit der Collaboration Suite neben seiner installierten Datenbankbasis vor allem den Erzrivalen Microsoft mit seinem Client/Server-basierten Groupware-System "Ex-change/Outlook". Dabei hat der Datenbankspezialist aus den fehlgeschlagenen Versuchen der Vergangenheit gelernt und bietet als Frontend für das OCS auch den weit verbreiteten Outlook-Client der Redmonder an.

Um dies zu ermöglichen, ging der Softwarehersteller aus Redwood nicht in sein Entwicklungslabor, sondern auf Einkaufstour. Der Outlook-Connector kam wie andere Groupware-Funktionen, etwa die Kalender-Komponente, durch die Übernahme des kanadischen Unternehmens Steltor zu Oracle. "Viele Nutzer haben sich an Frontends wie Outlook so gewöhnt, dass ein Produkt wie die Collaboration Suite diesen Quasi-Client-Standard einfach unterstützen muss", begründet Ingo Laue, verantwortlicher Produktmarketing-Manager bei Oracle, die Konzession an den Erzrivalen.

Outlook-Integration lässt noch Wünsche offen

Doch Microsoft gesteht dem Konkurrenzprodukt der Kalifornier in einem Whitepaper nur zu, Basisfunktionalitäten ihres Groupware-Clients zu unterstützen. Dazu gehören grundlegende E-Mail-Funktionen über die Protokolle SMTP, POP3 und Imap. Eine ganze Reihe anderer Features stellen die Redmonder der Oracle-Lösung dagegen in Abrede.

"Ein Microsoft-Produkt wie Outlook ist natürlich am besten verzahnt mit dem Exchange-Server", räumt Laue ein. Den meisten in dem Whitepaper in Abrede gestellten Punkten widerspricht der Oracle-Produktmanager jedoch: Die OCS unterstütze beispiels-weise grundsätzlich serverseitige E-Mail-Verarbeitungsregeln von Outlook. Allerdings könne auf einige Regeln wie ein "Out-of-Office-Reply" in der Version 1 nur über den Web-Client zugegriffen werden.

"In der im Frühjahr verfügbaren Version 2 wird die Outlook-Integration jedoch verbessert", betont Laue. Funktionen, die bislang nur über den Web-Client angeboten würden, sollten dann auch über den Outlook-Connector verfügbar sein. Eine Integration in die Windows-Sicherheitsverwaltung könne dagegen bereits durchgeführt werden. "Über den Steltor-Connector ist es möglich, mit einer Windows-ID auf E-Mails zuzugreifen", berichtet Laue. Auch eine Verbindung mit dem Active-Directory des Exchange-Servers sei mit dem LDAP-Verzeichnisdienst "Oracle Internet Directory" realisierbar.

Ein Outlook-Connector wird nie die Funktionen anbieten können wie das originäre Frontend. Um Outlook-Exchange-Installationen abzulösen, benötigt Oracle andere Verkaufsargumente. Die sehen die Redwooder vor allem in ihrem datenbankorientierten Ansatz. "Datenbanken sind ausgelegt für eine skalierbare, performante Datenhaltung für viele Anwender", betont Laue. Durch das Speichern in einem einzigen Datastore müssten beispielsweise nur einmal Security- sowie Back-up- und Recovery-Regeln festgelegt werden. "Oracle-Datenbank-Funktionen wie Real-Application-Clustering und Data Guard können sofort auch auf das E-Mail-System angewandt werden", berichtet der Oracle-Manager.

Neben vereinfachten Suchfunktionen sowie erhöhter Sicherheit und Skalierbarkeit verspreche diese zentralisierte Vorgehensweise auch Einsparungen beispielsweise bei verteilten Mail-Servern. Um die Funktionalitäten der OCS mit Microsoft-Produkten abbilden zu können, benötigen Anwender zudem mehrere Server. "Diese müssen auch einzeln lizenziert werden", kritisiert Laue. So seien für eine vergleichbare Microsoft-Installation ein Exchange-, Portal-, Conferencing- und Mobile-Information-Server sowie für die Workfolder "Share Point Teamservices" notwendig. "Der Integrations-Aufwand dafür fällt bei unserem Suite-Ansatz weg", hebt der Oracle-Produktmanager hervor.

Vielfältige Zugriffswege verschaffen Mobilität

Einen weiteren Pluspunkt neben der Serverkonsolidierung sehen die Redwooder in der Vielzahl ihrer integrierten Zugriffs- und Empfangsmöglichkeiten des Collaboration Server. "E-Mail-, Sprachnachrichten und Faxe können in einer Inbox empfangen werden", berichtet Laue. Zugreifen könnten Anwender auf ihre Inbox per Telefon, PDAs wie "Palm" oder "Blackberry" und Pocket-PC-Geräte wie dem "I-Paq". Benutzer haben laut dem Produktmanager auch die Möglichkeit, sich über ein Festnetz- oder Mobil-Telefon ihre E-Mail vorlesen zu lassen.

Des Weiteren könnten Anwender über ein Telefon verbal die Dateistruktur des Filesystems durchgehen. Dort als Word-Dokument abgelegte Angebote ließen sich beispielsweise so auf ein beliebiges Faxgerät abrufen. Den Telefon-Zugriff unterstützt die OCS derzeit allerdings nur englischsprachig. Wann diese Funktion auch in Deutsch angeboten wird, konnte Laue nicht sagen: "Eine Möglichkeit wäre, mit Partnern eine solche Lösung zu entwickeln."

Wie viele Anwender Oracle beispielsweise in den USA bislang von seiner Collaboration Suite überzeugt hat, wollte der Produktmanager nicht bekannt geben. Zu den wichtigsten Kunden gehören den Angaben zufolge Gerling Versicherungen, Siemens Business Systems und Fujitsu Siemens Computers. In Deutschland sei zudem jüngst ein Projekt mit der Sparkassen-Versicherung abgeschlossen worden.

IBM konkurriert im eigenen Haus

Während also Oracle Microsoft ins Visier nimmt, sieht Larry Ellison IBM nicht als Konkurrenten im Groupware-Geschäft: "Lotus gehört zu den aussterbenden Arten." Doch noch zählt die "Domino/Notes"-Herde zur stärksten Groupware-Spezies. Die größte Gefahr droht den Lotus-Anwendern daher nicht von Oracle, sondern von Big Blue selbst. Wolfgang Sommergut, Groupware-Spezialist unserer Schwesterzeitschrift "Computerwoche", vermutet, dass die Kombination Notes-Client/Domino-Server und die auf Java und "DB2" basierende Groupware-Lösung mit den Codenamen "Nextgen" nicht als gleichwertige Produktlinien nebeneinander existieren werden. Die Armonker präsentierten für ihre neue Groupware-Suite auf der Lotusphere in Orlando Ende Januar 2003 erstmals Anwendungen. Dazu gehören beispielsweise das E-Learning-System "IBM Learning Management System" und der unter den Codenamen "Nextgen Mail" entstehende Mail-Server, der Notes/Domino im unteren Marktsegment ersetzen soll und für das zweite Quartal 2003 geplant ist.

www.oracle.de

ComputerPartner-Meinung

Erstinstallationen bei Neukunden sind im Groupware-Geschäft kaum noch zu gewinnen. Exchange/Outlook von Microsoft und Domino/Notes von IBM sind eingespielte Partner mit einer hohen installierten Basis. Wer die Vorteile des Datenbank-orientierten Ansatzes der Oracle Collaboration Suite nutzen, aber nicht auf den gewohnten Outlook-Client verzichten möchte, muss über einen Connector auf das Frontend des Oracle-Erzfeindes zugreifen. Das ist ungefähr so, als wenn man sich nächtens mit der bösen Schwiegermutter bettet anstatt der Herzallerliebsten. (hei)

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