Oracle stärkt das Partnergeschäft

11.07.2002
Microsoft und IBM attackieren hartnäckig den zweitgrößten Softwarehersteller Oracle in dessen ureigenster Domäne, dem Datenbankgeschäft. ComputerPartner-Redakteur Eberhard Heins sprach mit dem Vorsitzenden der Geschäftsführung der Oracle Deutschland GmbH, Rolf Schwirz, über seine Unternehmensstrategien.

Sergio Giacoletto, Executive Vice President EMEA bei Oracle, hat prognostiziert, dass die IT-Branche keine zweistelligen Wachstumsraten mehr sehen wird. Stimmen Sie dem zu?

Schwirz: Was ich mit Sicherheit sagen kann, ist, dass sich aufgrund der wirtschaftlichen Entwicklung der Markt verändert hat.

Wie hoch war der Umsatz von Oracle Deutschland im abgelaufenen Geschäftsjahr, und welches Umsatzwachstum peilen Sie hier zu Lande an?

Schwirz: Der Umsatz im Geschäftsjahr 2001 beträgt 435 Millionen Euro. Wir peilen ein zweistelliges Wachstum an.

In welchen Geschäftsbereichen soll dieses Wachstum erreicht werden? Wo sehen Sie Umsatzchancen für Oracle?

Schwirz: Kunden wollen sehen, dass ihnen ein IT-Projekt konkreten Nutzen bringt. Ein Beispiel dafür ist E-Mail-Konsolidierung. Wäre ich vor zwei Jahren mit diesem Thema an den Markt gegangen, hätte ich damit keinen alten Hund hinter dem Ofen hervorgelockt. Heute bieten wir dem Kunden an, ihre bestehende Front-End-Infrastruktur zu belassen, aber die Server-Landschaft zu konsolidieren. Beispielsweise sind die stark verbreiteten Outlook-Clients zu unserer Datenbank und unseren E-Mail-Servern kompatibel. Diese Projekte realisieren wir heute, und da verzeichnen wir weiterhin zweistellige Wachstumszahlen, auch in Deutschland.

Herr Giacoletto hat das Mittelstandssegment für Oracle mit 250 Millionen bis eine Milliarde Euro Umsatz definiert. Übertragen auf Deutschland heißt das, dass eine ganze Reihe mittelständischer Unternehmen nicht in diesen Zielmarkt fallen. Gilt diese Defi-nition auch hier zu Lande?

Schwirz: Wir haben in Europa ein Going-to-Market-Modell, das überall gleich ist. Aber natürlich sind das Rahmenbedingungen, an die wir uns nicht sklavisch halten müssen.

Wie verhält es sich in Deutschland?

Schwirz: Für Deutschland trifft die Regel von Herrn Giacoletto zu. Das ist der Mittelstand, wie wir ihn definieren. Aber wichtig ist in diesem Zusammenhang weniger die Größe eines Marktsegments. Wichtig ist, dass wir in Deutschland wieder einen Schritt gemacht haben, um das Geschäft unserer Partner noch besser zu unterstützen.

Um welche konkreten Maßnahmen handelt es sich dabei?

Schwirz: In unserem bisherigen Sales-Modell konnten unsere Partner nur im Mittelstandssegment akquirieren. Betreut wurde unser Channel von unserer Mittelstandsorganisation. Das haben wir geändert. Jetzt hat Oracle einen Partnervertrieb Deutschland. Das wich- tigste dazu ist, dass es ab sofort überhaupt keinen Unterschied mehr macht, wohin der Partner verkauft. Der Partner kann also sowohl bei einem industriellen Großkunden verkaufen als auch bei einem kleinen Mittelständler, der auch unter 250 Millionen Euro Umsatz machen kann.

Damit stünde der Partner in direktem Wettbewerb mit der Vertriebsmannschaft von Oracle.

Schwirz: Nein. Wir haben das Steuerungssystem so gestaltet, dass es für den Endkunden-Verkäufer, der eine Deutsche Bank oder eine Siemens AG betreut, ab sofort vollkommen gleich ist, ob ein Partner oder er das Geschäft macht, weil er dafür gleichermaßen Provision erhält.

Der Oracle-Verkäufer bekommt die gleiche Provision?

Schwirz: Ja, exakt die gleiche.

Das heißt natürlich auch, dass die Direct-Sales-Force von Oracle auch in dem unteren Mittelstandssegment akquiriert, also auch bei Unternehmen mit unter 250 Millionen Euro Umsatz. Dort besteht dann auch Wettbewerb mit den Oracle-Partnern.

Schwirz: Wenn es überhaupt noch Wettbewerb zwischen unseren Partnern und unserem Direktvertrieb geben kann, dann nur, weil bei einem von beiden ein Ego im Spiel ist. Rational ist das System so gestaltet, dass es keinen Grund mehr gibt, in einen Wettbewerb mit einem Partner zu treten, solange sich dieser loyal gegenüber Oracle verhält. Einen Wettbewerb mit ihm, und zwar einen hammerharten, gibt es dann, wenn der Partner in einem Projekt ein Produkt von einem Wettbewerber favorisiert.

Gibt es weitere Maßnahmen, um das Partnergeschäft zu stärken?

Schwirz: Obendrein planen wir die Einführung eines Systems, das in Amerika schon erprobt wurde. Dieses mit Open-Market bezeichnete Modell garantiert unserem Partner, ein Lead, das er bei uns als solches gekennzeichnet hat, von Anfang bis Ende mit Oracle-Produkten selbst durchzuführen.

Wie stellt sich ihre Professional-Services-Abteilung dazu?

Schwirz: Wir verhalten uns da diametral entgegengesetzt zu unseren Wettbewerbern. Wir wollen in diesem Markt im Gegensatz zu unseren Konkurrenten nicht wachsen.

Welches Umsatzverhältnis zwischen Lizenzverkauf und Dienstleistungen streben Sie in Deutschland an?

Schwirz: Der Services-Umsatz ist deutlich geringer als der Lizenzumsatz. Und das war früher anders.

Viele Hunde sind des Hasen tot. Oracle hat in seinen zwei Geschäftsbereichen Datenbanken und Applications starke Wettbewerber.

Schwirz: Ich habe eher das Gefühl, dass die Zahl der Wettbewerber weniger wird. Vor zwei Jahren haben wir über Ariba und Commerce One und unzählige Dotcoms gesprochen. Heute gestaltet sich die Situation eher wie das Halbfinale bei der Fußballweltmeisterschaft.

Aber die Mannschaften bei der Weltmeisterschaft hat man dort nicht unbedingt erwartet.

Schwirz: Das stimmt, aber die in der IT-Branche hat man erwartet. Unsere Hauptwettbewerber sind Microsoft und IBM sowie SAP und Siebel, das sind ganz klar die vier.

Im Application-Server-Geschäft kommen noch ein paar hinzu wie BEA oder Borland.

Schwirz: Im Middleware-Geschäft haben wir uns in Deutschland eine gute Marktposition erarbeitet, auch gegenüber BEA.

Immer mehr Wettbewerber aus dem Bereich Unternehmenssoftware wie SAP bringen einen Application-Server auf den Markt. Fürchten sie die Konkurrenz?

Schwirz: SAP hat einen App-Server angekündigt. Bislang haben sie keinen. Die Frage ist, inwieweit das, was heute von SAP angekündigt ist, schon mit Produkten wie dem neuen Internet-Application-Server "IAS" vergleichbar ist.

Haben Sie Ihre Planabsatzzahlen mit IAS im abgelaufenen Geschäftsjahr in Deutschland erreicht?

Schwirz: Wir haben mehr geschafft. Wir haben uns jetzt in eine Position gebracht, von der wir glauben, dass wir hier zu Lande eine Chance haben, innerhalb der nächsten 12 bis 18 Monate in Deutschland die Marktführerschaft im Application-Server-Markt zu überneh- men.

Soll der Applikations-Server das Datenbankgeschäft als Cash-Cow von Oracle ablösen?

Schwirz: Was wir aus Studien von IDC und anderen Marktforschern entnehmen, ist, dass der App-Server-Markt in ein paar Jahren eine Größe haben wird, die der heutigen Größe des Datenbank-Marktes entspricht. Ich will nicht sagen, dass das Middleware-Geschäft dann größer sein wird als unser Datenbank-Umsatz. Speziell für Deutschland gilt aber, dass der Application-Server unser erstes echtes zweites Standbein werden wird.

Einige Middleware-Anbieter verschenken ihren App-Server wie Sun seine Basis-Version. Setzen Sie da nicht auf das falsche Pferd?

Schwirz: Kunden sehen in unserer Produktstrategie einen großen Vorteil, weil sie sehen, dass wir die Middleware-Schicht oberhalb der Datenbank sehr gut integriert haben. Bei den anderen Anbietern finden sie mehr ein Sammelsurium von Produkten. Wir haben diese Technologien in eine Suite integriert. Zum anderen erzielen wir durch die enge Verbindung mit unserer Datenbank eine hohe Performance im täglichen Betrieb.

Warum setzen sie nicht auf die klassischen ERP-Anwendungen? Ist die Konkurrenz von SAP in Deutschland zu stark?

Schwirz: SAP ist in Deutschland im klassischen ERP-Bereich sehr stark. Das müssen wir objektiverweise zugeben.

Die von Ihnen genannten Wettbewerber, vor allem IBM und Microsoft, nutzen ihr breites Produkt-Portfolio, um mit günstigen Lösungs-Bundles Marktanteile zu gewinnen. Welche Möglichkeiten hat Oracle?

Wenn Sie mich nach sinnvollen Bundles fragen, dann gibt es für mich eine unschlagbare Kombination, die in naher Zukunft auch im Bewusstsein der IT-Entscheider in den Mittelpunkt rücken wird: Das ist Linux und die Oracle-Datenbank 9i RAC. Dazu kommen Hardwareanbieter wie Compaq.

Die Microsoft-Kombination hat zumindest einen Vorteil: Sie ist preisgünstiger. Und Linux ist bei Ihrem Paket die billigste Komponente.

Schwirz: Das sieht nur vordergründig so aus. Großvolumige Windows-Server-Landschaften verursachen hohe Kosten. Daher ist unsere Kombination in Bezug auf die Total Costs of Ownership unschlagbar.

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