Oracle stärkt das Partnergeschäft

31.01.2002
Die Oracle-Manager Rolf Schwirz, Regional Vice President Germany, und Jürgen Kunz, Vice President Enter-prise Sales, sprachen mit ComputerPartner-Redakteur Eberhard Heins über eine neue Channel-Ausrichtung und Überlebensstrategien in schwierigen Zeiten sowie über die Besonderheiten des deutschen Marktes.

Herr Schwirz, Sie sind seit einem halben Jahr im Amt, und das in einer Zeit, die zur schwärzesten in der IT-Branche überhaupt gehört. Auch Oracle traf es hart: Im ersten und zweiten Quartal des laufenden Fiskaljahres, Juni bis November 2002, brach der Lizenzumsatz mit Datenbanken um rund 20 Prozent und der mit Anwendungen sogar um gut 40 Prozent ein. Lief das Geschäft in diesen beiden Produktgruppen in Deutschland genauso schlecht?

Schwirz: Oracle veröffentlicht keine Zahlen für Landesgesellschaften. Wir haben uns von der Kostenseite aber so aufgestellt, dass wir Ruhe bewahren und solche Krisen bewältigen können.

Wenn sie keine konkreten Zahlen nennen möchten, beschreiben sie doch bitte einen Trend für das Deutschlandgeschäft.

Schwirz: Es war schwierig für uns, daran gibt es keinen Zweifel. Das Geschäft lief nicht so gut wie im Jahr davor.

Verlieren die Geschäftsfelder Datenbanken und Anwendungen in Deutschland im selben Verhältnis wie weltweit?

Schwirz: In Deutschland ist das Datenbankgeschäft traditionell stärker als in den anderen Ländern. Und umgekehrt gilt das für Applikationen, die hier zu Lande nicht die Bedeutung haben wie anderswo.

Hängt das mit der Marktmacht des deutschen ERP-Herstellers SAP zusammen?

Schwirz: Das liegt unter anderem auch daran.

Führte diese auch dazu, dass Oracle mit seiner deutschen Vertriebsmannschaft nicht mehr aktiv ERP-Anwendungen wie "Financials" vertreibt, sondern sich auf CRM- und E-Procurement-Applikationen konzentriert, wie der Referenzkunde Wincor-Nixdorf zeigt. Und trifft es zu, dass das Geschäft mit betriebswirtschaftlicher Standardsoftware von Ihren Vertriebspartnern betrieben werden soll?

Schwirz: Wir haben ganz klar den Fokus auf die beiden genannten Applikationen. Mit dem Projekt bei Wincor-Nixdorf beweisen wir, dass sich unsere CRM-Anwendungen nahtlos in die Back-Office-Systeme von SAP integrieren lassen.

Kapituliert Oracle in Deutschland vor SAP?

Schwirz: Nein, nein, nein, keineswegs.

Kunz: Sie haben ja angesprochen, dass wir die klassischen Back-Office-Komponenten wie "Financials" sehr viel stärker über Partner positionieren wollen. Das hat folgende Gründe: Wenn Sie den gehobenen Mittelstand adressieren möchten, stellt sich die Frage, ob dieser eine komplexe Suite, sei es von uns SAP oder Peoplesoft, benötigt. Die Antwort lautet: Eher nein. Deshalb haben wir über Jahre Independent Software Vendors (ISV) aufgebaut, die Speziallösungen für bestimmte Branchen um das Modul "Financials" herum gebaut haben.

Schwirz: Lassen Sie mich noch einmal die Frage nach der Kapitulation vor SAP aufgreifen. Wir akzeptieren die Marktverhältnisse, sehen in dem Produktportfolio unserer Wettbewerber aber gewisse Lücken, dahinein verkaufen wir. Im zweiten Schritt diskutieren wir natürlich mit dem Kunden, ob es sich aus Kostensicht und Gründen des Informationsgehalts nicht lohnt, auch über unsere ERP-Lösung nachzudenken.

Hat man ein Bein im Haus, lässt sich das zweite leichter nachziehen.

Schwirz: Das ist die Strategie, die dahinter steckt.

Wie verträgt sich diese mit dem verfolgten Ansatz, alles aus einer Hand anzubieten, und nicht, wie ihr CEO Larry Ellison es nennt, auf "best-of-breed"-Spaghetti zu setzen?

Schwirz: Zum einem verfügen wir über Werkzeuge als Bestandteil unseres Application-Servers, mit denen wir sehr gut nach SAP-R/3 integrieren können. Zum anderen folgen wir natürlich der Vision unseres CEOs, passen uns aber den besonderen Marktverhältnissen in Deutschland an.

Die von ihnen angesprochenen Lücken im Portfolio hat SAP mittlerweile durch "CRM 3.0" und "Mysap E-Procurement" geschlossen. Verspricht ihre Strategie weiterhin Erfolg?

Schwirz: Ein SAP-Kunde wird sehr genau das CRM-Angebot vergleichen, und natürlich hat er eine Präferenz. Wir müssen davor aber keine Angst haben. Das bestätigen auch unsere Partner.

Gerade diese beklagen sich aber, dass nur vier von fünf ihrer Datenbankkunden und neun von zehn an ERP-Lösungen interessierten Unternehmen den Umfang der "E-Business-Suite 11i" kennen. Ihre Application-Partner fordern ganz konkret ein größeres Marketing-Engagement für das Anwendungsgeschäft.

Schwirz: Nach einer Umfrage von uns verbinden 70 Prozent aller Executives in Deutschland Oracle mit dem Thema E-Business.

Planen sie trotzdem konkrete Maßnahmen und Konzepte, um ihre Partner im ERP-Geschäft und dort speziell im Mittelstand stärker zu unterstützen?

Kunz: Was der Mittelstand fordert, und unsere Partner bestätigen auch das, ist nicht der Komplexitätsgrad einer kompletten Suite. Wir überlegen derzeit, was kann ein Partner als reiner Implementierer oder, wenn er über die entsprechende Expertise verfügt, an Value Add in diesem Segment positionieren, und wie können wir ihm dabei helfen.

Im Mittelstand fällt die Entscheidung für eine Lösung nicht zuletzt über den Preis. Larry Ellison hat auf der Appsworld in Amsterdam überraschend ein neues Preismodell für die E-Business-Suite bekannt gegeben. 4000 Dollar für den Power- und 400 Dollar für den Casual-User. Was versteht Oracle unter den beiden Begriffen?

Schwirz: Das war nicht überraschend, sondern wurde von Kunden und Partnern immer wieder an Larry Ellison herangetragen - und er hat darauf reagiert.

Dennoch konnte mir bislang niemand die beiden Begriffe Power- und Casual-Anwender erklären.

Schwirz: Ersterer ist ein User, der das Programm dauerhaft nutzt wie jemand aus der Buchhaltung, Letzterer ist ein Anwender, der beispielsweise in einem unserer Self-Service-Programme seinen Urlaubswunsch einträgt.

Wann und wie kommt das Modell in Deutschland zum Einsatz?

Schwirz: Die alten Modelle, CPU-basiert und Named-User, existieren weiter. Niemand wird 4.000 Dollar für ein einzelnes Modul bezahlen wollen. Wir haben jetzt aber die Möglichkeit, einem Kunden die für ihn jeweils günstigste Variante anzubieten.

Neben dem neuen Preismodell verkündete Ellison ein Kampfangebot. "Best-of-breed"-Anwender erhalten von Oracle ein "Rundum-Sorglos-Paket" für ihr jährliches IT-Budget plus fünf Prozent Preisnachlass pro Jahr. Wann starten sie damit in Deutschland?

Schwirz: Innerhalb der nächsten Wochen. Das Angebot bedarf einer gewissen Infrastruktur, die wir aufbauen müssen, aber wir werden es anbieten.

In den USA hat Oracle seine Channel Rules geändert. Beispielsweise sollen Partner künftig auch Unternehmen adressieren dürfen, die bis zu 250.000 Dollar umsetzen. Wird das in Deutschland übernommen?

Kunz: Wir sind schon einen Schritt voraus. Seit Anfang des Fiskaljahres bewegen wir uns nicht mehr innerhalb der starren Grenze von 250.000 Dollar, sondern adressieren 450 Unternehmen, die wir namentlich benennen, direkt. Bei allen verbleibenden Kunden stellt Oracle seine Partner in den Mittelpunkt. Wir starten mit ihnen eine Mittelstands-Offensive, geben ihnen aber trotzdem noch den Zugang zu unseren Key Accounts.

Schwirz: Ein Key-Account-Manager hat heute keinen Grund mehr, ein Partnergeschäft zu verhindern, weil er daran partizipiert. Unsere Gehaltsmodelle wurden dahingehend angepasst.

Welchen Anteil hat das Partnergeschäft derzeit am Gesamtumsatz?

Schwirz: Fast 40 Prozent unseres Lizenzgeschäfts. Wir haben den Anteil in relativ kurzer Zeit fast verdoppelt.

Auf der Appsworld kursierten Gerüchte, Oracle nehme seinen indirekten Kanal genauer unter die Lupe und konzentriere sich auf wenige große Partner. Welche strategische Rolle spielt künftig der indirekte Vertriebskanal in Deutschland?

Kunz: Wenn unser Endkunde den Partner akzeptieren soll, müssen wir eine Value-Strategie fahren. Dann kommt es zwangsläufig zu einer Konsolidierung in der Partnerlandschaft. Wie offerieren sicher nicht unseren 1.600 Member-Händlern den beschriebenen Markt.

Wird die Anzahl der zertifizierten Partner steigen oder sinken?

Kunz: Mit Sicherheit nicht steigen.

Sinken?

Schwirz: Die Anzahl spielt überhaupt keine Rolle. Wir haben einen Qualitätsstandard, den wir unabhängig vom Vertriebskanal sicherstellen müssen. Oracle macht den Zugang deshalb zuerst einmal leicht, die Messlatte für die nächst- höhere Qualitätsstufe liegt dann aber sehr hoch. Dass wir ordentlich arbeiten, zeigt, dass von rund 6.000 Partnern in Europa nur 900 zertifiziert sind. Die Gewichtung liegt ganz klar auf der Qualität und nicht auf der Quantität.

Die Cashcow von Oracle, vor allem in Deutschland, ist das Datenbankgeschäft. Bei Großkunden, wo Unix als Operating System dominiert, führt Oracle noch immer unangefochten vor IBM. Bei Datenbanken unter Windows NT/ 2000 dagegen überholte Sie laut Dataquest Microsoft. Wie wollen Sie diesem Trend entgegenwirken?

Schwirz: Wir sehen uns nach wie vor auch bei NT vorne. Außerdem glauben wir, dass unser neues Datenbank-Release "9i" mit der Option Rac (Real Application Clus-tering) vieles, was heute auf Betriebssystem- und Hardware-Ebene für Hochverfügbarkeit- und Skalierbarkeit notwendig ist, obsolet macht. Das könnte dazu führen, dass für Kunden, für die bisher ein Unix-Server unabdingbar war, plötzlich Intel und Linux interessant wird.

Überlassen Sie dann Microsoft den NT-Markt?

Schwirz: Wenn die Kunden erkennen, dass sich mit relativ preisgünstiger Hardware und Linux die gleiche Qualität herstellen lässt, dann wird das den Markt verändern. Bis dahin konkurrieren wir weiter auch im NT-Markt.

Neben Datenbanken und der E-Business-Suite bietet Oracle auch einen Application-Server an. Diesen Markt dominieren derzeit Bea mit "Weblogic" und IBM mit "Websphere". Wie läuft das Geschäft, und mit welchen Argumenten wollen Sie Marktanteile gewinnen?

Schwirz: Wir erzielen ein sehr erfreuliches Wachstum. In Europa sind wir im Oracle-Vergleich das stärkste Land.

Und im Vergleich zu IBM und Bea?

Schwirz: Wir arbeiten hart daran. Welche Position wir am Ende des Geschäftsjahres einnehmen wollen, werde ich nicht öffentlich bekannt geben, aber es ist ein ganz anderer Platz als der heutige. Im Middleware-Geschäft haben wir in Deutschland keine so manifestierte Situation wie bei ERP-Anwendungen. Wer hier Nummer eins wird, steht noch nicht fest.

Oracle hat sich erneut gegen einen Cebit-Auftritt entschieden, viele Vertriebspartner nicht. Die deutsche Oracle-Anwendergemeinschaft DOAG organisiert jetzt für diese einen Stand. Wie unterstützen Sie Ihren Channel?

Schwirz: Mit Marketingmaßnahmen. Unserer offiziellen Erklärung zur Cebit ist nichts hinzuzufügen. Seitdem ging einige Zeit ins Land, und alles was geschah, bestätigte unsere Entscheidung. Auf unseren Hausmesssen können wir gezielter Kunden ansprechen.

Zur Startseite