Oracle-Tochter NCI: "Network Computing gibt es jetzt wirklich"

10.10.1997

LOS ANGELES: Da es an Java- und NC-Anwendungen fehlt, ist in der IT-Branche bekanntlich umstritten, ob in Unternehmen mehr als eine NC-Test-Umgebung gefunden werden könne. Das soll sich jetzt ändern: Denn die NC-Brüder Oracle und Sun stellen NC-Produkte vor und Oracle geht mit der Neugründung NCI an die Vermarktung der NCs. Von der Marketingoffensive zu profitieren, ist das Anliegen verschiedener NC-Hersteller: Sie liefern NCs aus.

Geht es nach den Java- und NC-Streitern Scott McNealy und Larry Ellison, hat das Zeitalter von Networking Computing jetzt wirklich und definitv begonnen. "Networking Computing gibt es ab sofort", lies Ellison seinen Adlatus und Produktverantwortlichen Ray Lane auf der von über 20.000 Teilnehmern besuchten hauseigenen Oracle-Open-World-Konferenz in Los Angeles beschwören. Und da auch Sun-Präsident McNealy dortselbst persönlich versicherte, Java-Applikationen seien nunmehr für Windows-Umgebungen und damit in dem für NCs im Moment entscheidenden Marktsegment verfügbar, fanden zumindest die beiden: Jetzt sei wohl hinreichend klar, daß die Kombination Java und NCs die papierene Existenz ihrer nimmermüden Ankündigungen überwunden habe.

Doch da die Portabilität von Java, das Management der Server und die Datenhaltung mittels einer Oracle-Datenbank allein noch nicht den vielbeschworenen NC-Frühling ausmachen, müssen den Ankündigungen Taten folgen. Das tun beide, womit sie zumindest vor Dauerfeind Micorosoft und Windows NT 5.0 liegen bei dem bekannten Dreischritt Ankündigung, Produktlaunch und Abverkauf. Außerdem können sie mit den Produkten Unternehmen zumindest signalisieren, der Tag sei nicht fern, an dem es eine reale Alternative zu den ungezählten Wintel-Client-Server-Umgebungen gibt.

"Alternative zur Kombination Exchange und NT-Servern"

Mag sein, daß UNIX-Server in Unternehmensnetzen jedem NT-Server an Robustheit, Skalierbarkeit und Applikationsvielfalt überlegen sind. Doch sobald auch nur ein PC-Client ins Spiel kommt, bestimmt PC-Software die Kaufentscheidungen der Unternehmen. Und um wenigstens einigermaßen homogene PC-Netze zu bilden, spielt dann eben NT als Applikationsserver die erste Geige.

Es geht deshalb für Unix-Anbieter nicht zuletzt darum, in diesem Markt mit Software gegenzuhalten, um der Erosion von UNIX in Unternehmensnetzen Paroli zu bieten. Was nun Javaverfechter Sun, wenn auch sehr spät, veranlaßt, mit der E-Mail-Software SIMS 3.1 (Sun Internet Messaging Server) ein aus dem Solstice Internet Mail Server abgeleitetes Tool auf den Markt zu bringen, das endlich gegen Microsofts Exchange plaziert werden kann. Da der mit IMAP4 und POP3, SMTP und MIME-Support laufende SIMS 3.1-Client laut Unternehmensangaben Windows- und Mac-Rechner unterstützt, mit Lotus Notes, Exchange und Suns eigener E-Mail-Lösung Eudora zusammenarbeitet und außerdem Java-basierende Clients, sprich Web

browser, unterstützt, ist die eindeutige Absicht von Sun, die eigene Rechnerumgebung stark zu machen. Zwar stellt die Messagingsoftware, die Standards wie Kalender und Zeitplanung enthält, nur einen Baustein im NC-Komplex dar, doch liefert sie, weil er elementar für Unternehmenskommunikation ist, Sun-Händlern ein wertvolles Argument für den Einsatz von Unix-Servern bei unternehmenskritischen Anwendungen. Denn wenn ohne Betriebssystemwechsel Internet, Unix-Server und Messaging ausgeführt werden können , können auch die Stärken von Unix gegenüber NT ausgespielt werden. Zumal Sun mit den Enterprise 450 Workgroup-Servern, die es seit August gibt, deutlich signalisiert hat, mit UNIX den Kampf mit NT aufzunehmen.

NC in der Box und NC-Anbieter

Ebenso macht Oracle deutlich, welchen Wert es auf seinen Beitrag zum NC legt. Der Datenbankanbieter stärkt nicht nur die neue Software-Abteilung NIC (Network Computer Incorporation), die Software für Server, Desktops und Smart Cards vermarkten soll, durch Gründungen in Europa (mit Hauptsitz in Mailand) und Asien, sondern ist dabei, NC-Lösungen in den Markt zu bringen. So liefert seit kurzem der amerikanische Oracle-Händler DLT Solutions ein NC-Paket für knapp 4.300 Dollar aus. Es enthält einen NEC-Pentium Server, zwei NCs von Anbieter Funai, zwei NC-Karten und andere Hardware wie einen 5-Port-Hub inklusive Kabel. Damit sollen vor allem Behörden und Banken angesprochen werden.

Das Paket wird es laut Klaus Eiteljörge, seit zwei Wochen General Manager Zentraleuropa bei NCI in München und vormals Leiter indirekter Vertrieb Geschäftspartner bei Oracle, ,,sehr schnell" auch in Deutschland geben. "Peacock wird als erster Distributor unseren NC anbieten", erklärt der Manager gegenüber ComputerPartner. Seiner Planung zufolge wird das NC-Paket in drei Versionen mit zwei, zehn und 25 NCs sowie dem hauseigenen, aus UNIX abgeleiteten Betriebssystem NC OS angeboten.

Dabei zielt er, der sich eigenen Angaben zufolge vor Testbestellungen kaum retten kann, neben Großkunden aus dem Banken- und Versicherungsbereich auf Oracle-Partner. Diese sollen die Pakete, versehen mit eigenen Applikationen, kleineren und mittleren Unternehmen schmackhaft machen. "Wie viele Unternehmen wollen Terminals ablösen, aber sich keinen PCs dafür einhandeln? Wieviele haben teure PCs installiert, auf denen nur eine Anwendung läuft? Und wie viele können mit NCs billiger und besser diese Applikationen laufen lassen?" wirbt er suggestiv für sein NC-Bundle.

Mit diesem Kostenargument befindet er sich in schönster Übereinstimmung mit Oracle-Open-World-Redner Lane. "Unser Ziel, 50 Prozent weniger Kosten in Client-Server-Umgebungen mittels Java-Anwendungen zu erreichen, ist realistisch", lautete dessen eindeutige Grußadresse an die vermutete Klientel Groß- und mittelständische Unternehmen, die in den Abteilungen NCs installieren wollen, wo monolithische Anwendungen vorherrschen.

Und da diese Klientel laut NC-Marketiers als groß veranschlagt wird, gibt es eine Reihe von NC-Herstellern, die mit Oracle und Sun im Bunde sind beziehungsweise von den neuen Marketinganstrengungen der beiden profitieren wollen. So werden beispielsweise der ehemalige Mac-Clone-Bauer Umax und der taiwanische Netzwerker Accton NCs auf der Basis von Intel-Chips anbieten, die, mit NCIs Software ausgerüstet, in UNIX- und Windows-Umgebungen arbeiten sollen. Die Der Anschaffungspreis für diese NCs soll bei zirka 1.100 Mark liegen. Ebenso hat NC-Hersteller Wyse Technology angekündigt, es werde NCIs NC Desktopsoftware in seine Winterm- 4000-Produkte integrieren. Und auch NCD (Network Computer Devices) will mit den Modellen Explora 400 und 700 NC-Devices auf den Markt bringen, die für NC-Umgebungen ebenso tauglich sind wie für den Windows- oder UNIX-Einsatz. (wl)

Der " NC in the box" besteht aus Server, Datenbank, NCs samt NC OS und Anschlußkabeln. Der schlanke Client macht seinem Namen alle Ehre.

"Die Vorbestellungen für Tests wachsen uns über den Kopf", freut sich Manager Eiteljörge von Oracles neuer Tochtergesellschaft NCI.

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