Oracle World: "Erste Neuerung nach 40 Jahren"

18.09.2003
Etwa 20.000 Teilnehmer, und damit geringfügig mehr als 2002, kamen vorige Woche nach San Francisco, um Oracles alljährlicher Kunden- und PartnerVeranstaltung beizuwohnen. Im Mittelpunkt des Interesses stand die neue Datenbank 10g.

"Grid Computing" war das Motto, unter dem die diesjährige Oracle World stand. Eigentlich von IBM "erfunden" - da ging es darum, mehrere einzelne Computer dafür zu nutzen, um die Last einer Applikation zu tragen -, versteht Oracle unter "Grid" eher die Zusammenarbeit von mehreren Servern in einem Rechenzentrum. Und dort soll selbstredend die neue Datenbank der Kalifornier, "Oracle 10g", die erste Geige spielen.

Intelligentes Load-Balancing im Server-Verbund

Als Nachfolgerin der fürs Internet geeigneten 9i-Version soll 10g nun das Grid ("Gitter") der unternehmenseigenen Rechner weitaus effizienter als bisher nutzen. Wenn beispielsweise zum Ende eines Monats die Geschäftsabschlüsse und Gehälter auf einer bestimmten Maschine abgerechnet werden, könnte dieser der Webserver zu Hilfe eilen, der vielleicht zu jenem Zeitpunkt nicht ganz so ausgelastet ist. Umgekehrt wäre es laut Oracle sinnvoll, wenn der Online-Shop im Weihnachtsgeschäft von anderen Rechnern unterstützt werden könnte. Der Webserver würde sich dann bei der Data-Warehouse/Business-Intelligence-Anwendung revanchieren, die zu Jahresanfang die getätigten Verkäufe analysieren soll. Die mit der Erstellung von Quartalsberichten betrauten Rechner könnten wiederum alle drei Monate jede Hilfe gebrauchen, und das oft eine Woche lang.

Derartige von Oracle angeführte Beispiele gelten natürlich nur für Konzerne und größere börsennotierte Unternehmen. So ist auch der US-amerikanische Markt der erste Adressat für Oracle 10g - und hier vornehmlich Kunden mit gültigem Maintenance-Vertrag, für die sich ein Upgrade auf die neue Version der Datenbank tatsächlich lohnen mag. In Europa und insbesondere in Deutschland mit seinem stark ausgeprägten Mittelstand werden sich wohl vorerst nur wenige zu diesem Schritt entscheiden. Daher will Oracle im kommenden Monat eine entsprechende 10g-Initiative in Paris ankündigen und auch größere mittelständische Anwender für die neue Technologie begeistern.

Zumindest in den USA erhält die Software-Company für ihre Grid-Computing-Kampagne prominente Unterstützung. Sowohl Dell, Sun und Intel als auch Hewlett-Packard waren in San Francisco mit ihren CEOs vertreten. Sie alle erhoffen sich natürlich steigende Umsätze, falls sich die Idee der auf mehrere Rechner verteilten Anwendungen durchsetzen sollte. Dabei muss aber laut Charles Phillips, Vice Executive President bei Oracle, nicht notwendigerweise neue Hardware für 10g angeschafft werden: "Der Kunde kann seine bestehende IT-Infrastruktur weiterhin nutzen."

In diesem Punkt behauptet Oracle, sich grundlegend von IBMs "Computing-on-Demand"-Initiative zu unterscheiden. "Ehrlicherweise müsste Big Blues Geschäftsmodell eigentlich ‘buy on demand’ heißen", so Phillips. Er glaubt nämlich, dass IBM lediglich seine Hardware verkaufen möchte, sollte der Bedarf an Rechenpower beim Kunden ansteigen.

Noch pointierter dazu äußerte sich der Oracle-Chef Larry Ellison: "Seit 40 Jahren baut nun IBM Mainframes, macht sie größer und schneller. Da ist die Idee, einzelne Prozessoren nur bei Bedarf dazuzuschalten und sie dann nur für diese Nutzungszeit beim Kunden abzurechnen, nicht weltbewegend neu." Ellisons Berechnungen zufolge, sind IBMs Power-PC-basierende Server bis zu 30-mal teurer als eine vergleichbare Lintel-Maschine (Linux auf einer Intel-Plattform). Außerdem ist seiner Ansicht nach ein einziger großer Server unzuverlässig und seine Kapazität zu begrenzt. Zwar könnten im IBM-Modell einzelne Server auf einen gemeinsamen Storage-Pool zugreifen. Doch das reicht laut Ellison nicht aus: "Im Grid stehen viel mehr Ressourcen der angeschlossenen Rechner den Anwendungen zur Verfügung. Alle Arbeits- und Festspeicher, aber auch die gesamte Prozessorleistung des Grids können von 10g genutzt werden." Es wäre auch keine Katastrophe, falls mal ein Rechner in diesem Verbund ausfällen sollte, die übrigen Maschinen übernähmen automatisch seine Last, so der Oracle-CEO.

Preise noch nicht bekannt

Neben der 10g-Version der eigenen Datenbank haben die Kalifornier auch gleich den dazu passenden Applikationsserver vorgestellt. Zusammen mit dem "Enterprise Manager 10g" soll dieser al-le möglichen Anwendungen prob-lemlos auf die Grid-Infrastruktur portieren. "Keine einzige Zeile an Code von bestehenden Applikationen muss hierfür neu geschrieben werden", verspricht Ellison. Dem Systemadministrator obliegt lediglich die Aufgabe, Anwendungen auf die bestehenden Ressourcen zu verteilen. Dass dies auch tatsächlich funktioniert, konnte Oracle in einer Demonstration belegen. Außerdem waren 10g-Beta-Kunden wie das Kernforschungszentrum CERN oder Colgate Pal-molive vor Ort und berichteten über ihre Erfahrungen.

Ende des Jahres rechnet man mit der endgültigen Fertigstellung der Software. Was sie dann kosten wird, das haben die Verantwortlichen in San Francisco noch nicht verraten: "Das hätte zu sehr von der neuen Funktionsvielfalt abgelenkt". Die konkreten Preise für die 10g-Produktpalette sollen aber dieser Tage bekannt gegeben werden. Man erwartet, dass die Lizenzkosten deutlich über denen für den Real Application Cluster (RAC) liegen werden.

Lesen Sie dazu auch den Kommentar auf Seite 10. (rw)

www.oracle.com

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