Oracles Mittelstandsinitiative oder wie man Suppe mit Gabeln löffeln will

12.04.2001

Großunternehmen verfügen bereits über Software zur Steuerung ihrer internen Abläufe. Deswegen wird der mittelständische Kunde jetzt von den arrivierten ERP-Anbietern umso heftiger umworben. So hat Oracle als Antwort auf SAPs "Ready-to-work"-Programm die "Fast-Forward"-Initiative ins Leben gerufen (siehe Seite 12). Doch im Gegensatz zu den Walldorfern ist beim Datenbankspezialisten die Mitwirkung von Partnern nicht klar geregelt. Hier wird es für Oracle höchste Zeit, seine Hausaufgaben zu machen und dies zu ändern.

Denn wie kann ein bislang im Markt für mittelständische Unternehmenssoftware kaum präsenter Anbieter auf diese Weise dort Fuß fassen? Diese Kundschaft kennt er doch nicht. Wenn ein Oracle-Consultant einem Schraubenhersteller mit Begriffen wie ERP, SCM oder CRM daherkommt, versteht dieser nur Bahnhof und wirft den "Berater" nach einigen Minuten raus. Und wenn dieser Kunde doch die Notwendigkeit für ein neues System in seinem Betrieb einsieht, wendet er sich an seinen Haus- und Hoflieferanten und bekommt dann im Zweifelsfalle eher "Financials" von Navision oder eben doch die ERP-Suite von SAP.

Denn diese Hersteller entwickeln mit ihren Partnern Branchenlösungen, die der Mittelstand nachfragt. Hier klingt Oracles Behauptung "eine Branchenausrichtung ist doch gar nicht nötig" nicht nur unverfroren, das grenzt schon an Dummheit. Hinzu kommt das Bestreben der Ellison-Company, "alles aus einer Hand anzubieten". Das heißt, Oracle liefert die Datenbank, die ERP-Lösung, ein E-Procurement-System und die CRM-Software aus. Anschließend implementiert der Hersteller all dies, schult den Kunden und unterstützt ihn ein Jahr lang. Partner kommen da nur als Subunternehmer ins Spiel, "wenn sie über das notwendige betriebswirtschaftliche Know-how verfügen" — eigentliche eine Selbstverständlichkeit. Die Projektleitung verbleibt stets bei Oracle; somit drohen hier massiv Channel-Konflikte.

Mit derartiger Vorgehensweise im Mittelstand haben sich bereits SAP und Co. die Finger verbrannt. Sie lernten daraus und trauen ihren Partnern nun mehr zu als Oracle. Außerdem beharren sie nicht darauf, nur die eigenen Systeme zu verwenden, sondern sind offen für Kooperationen. J.D. Edwards macht dies mit Ariba, i2 und Siebel vor, SAP und Peoplesoft binden sich an Commerce One. Nur Oracle glaubt, alles selbst machen zu müssen. Das ehrgeizige Ziel, im ERP-Markt nach SAP die Nummer zwei zu werden, wird die Ellison-Company so nicht erreichen. Kein mittelständischer Kunde wirft seine gesamte Software raus und bindet sich anschließend an einen einzigen Anbieter. Und bei der Integration von neuen Applikationen in die bestehende IT-Infrastruktur bedarf es eben doch eines ausgewiesenen Branchen-Know-hows, über das nur die Systemhäuser verfügen. Sie wissen über ihre Kunden und deren Geschäftsabläufe bestens Bescheid. Sie sagen ihnen - eher als ein Software-Hersteller -, welche Systeme sie behalten und welche neu dazu kaufen sollten. Dass Oracle den gesamten deutschen Mittelstand - laut eigener Definition alle Firmen mit weniger als 500 Millionen Mark Umsatz - komplett überblicken kann, ist einfach unmöglich. Ronald Witscheck

rwiltscheck@computerpartner.de

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