Packard-Bell-NEC-Vertrieb kommt nur langsam in die Gänge

10.04.1996
MÜNCHEN Daß es für Packard Bell in Deutschland nicht einfach sein würde, seine eigenen Vertriebskanäle mit denen von NEC und Zenith unter einen Hut zu bringen, war abzusehen. So warten NECs Musterhändler von einst, die in den Genuß der Direktbelieferung kamen, zum Teil immer noch auf ein Lebenszeichen von Hans-Dieter Riechmann, dem Deutschland-Chef des frischgebackenen Unternehmens Packard Bell-NEC GmbH. Der hat derzeit alle Hände voll damit zu tun, seine theoretischen Zielvorgaben mit der chaotischen Praxis zu vereinbaren.Hans-Dieter Riechmann, Geschäftsführer der neugegründeten Packard Bell-NEC GmbH in München, hat schwer zu kämpfen. Schon bei der Bekanntgabe, daß NEC den Vertrieb seiner Notebooks an Packard Bell weiterreicht, war abzusehen, daß dem Massenanbieter mit dieser Morgengabe seines neuen Besitzers viel Arbeit ins Haus steht. Deshalb verwundert es auch nicht allzusehr, daß das Unternehmen seine Geschäftstätigkeit drei Monate später als ursprünglich geplant, also zum 1. September, aufnahm.

MÜNCHEN Daß es für Packard Bell in Deutschland nicht einfach sein würde, seine eigenen Vertriebskanäle mit denen von NEC und Zenith unter einen Hut zu bringen, war abzusehen. So warten NECs Musterhändler von einst, die in den Genuß der Direktbelieferung kamen, zum Teil immer noch auf ein Lebenszeichen von Hans-Dieter Riechmann, dem Deutschland-Chef des frischgebackenen Unternehmens Packard Bell-NEC GmbH. Der hat derzeit alle Hände voll damit zu tun, seine theoretischen Zielvorgaben mit der chaotischen Praxis zu vereinbaren.Hans-Dieter Riechmann, Geschäftsführer der neugegründeten Packard Bell-NEC GmbH in München, hat schwer zu kämpfen. Schon bei der Bekanntgabe, daß NEC den Vertrieb seiner Notebooks an Packard Bell weiterreicht, war abzusehen, daß dem Massenanbieter mit dieser Morgengabe seines neuen Besitzers viel Arbeit ins Haus steht. Deshalb verwundert es auch nicht allzusehr, daß das Unternehmen seine Geschäftstätigkeit drei Monate später als ursprünglich geplant, also zum 1. September, aufnahm.

Noch viele Frage offen

Zeit genug, eine gewisse Strukturierung der unterschiedlichen Vertriebswege von Packard Bell, NEC und Zenith vorzunehmen, sollte man meinen. Aber weit gefehlt: Noch immer herrscht beispielsweise bei dem Großteil der ehemaligen NEC-Notebook-Partner völlige Ungewißheit über Preise, Produkte und Abwicklung ihres neuen Lieferanten. "Was da jetzt genau passiert und wie die Systeme heißen oder aussehen oder kosten werden - das steht für uns noch in den Sternen", beklagt sich der Einkaufsleiter eines großen DV-Handelsunternehmens aus dem norddeutschen Raum. Er will nicht namentlich genannt werden, weil er Packard Bell nochmal die Chance geben möchte, persönlich mit ihm Kontakt aufzunehmen, schließlich habe man mit den NEC-Systemen einstmals recht gut verdient. "Gut wäre es, wenn die von Packard Bell überhaupt mal vorbeikommen würden. Auf so ein paar Faxe aus München kann man sich ja schlecht einen Reim machen", kommentiert er die Mailing-Aktion des Münchener Herstellers, die den einstmals von NEC direkt belieferten Handelspartnern die Möglichkeit zur Registrierung

als Packard-Bell-NEC-Partner gibt. "Wir lassen uns zwar registrieren, schließlich brauchen wir für die Versas, die wir verkauft haben, auch Ersatzteile. Aber ob wir wirklich mit Packard Bell zusammenarbeiten - schau'n wir mal..."

Ähnliche Erfahrungen machte auch Margot Lehmair von Schulz Bürozentrum GmbH in München. Doch sie ging sofort in die Offensive: "Nachdem sich bei uns von Packard Bell niemand gerührt hat, haben wir einen bitterbösen Brief geschrieben: Ob man dort an Händlern vielleicht gar nicht interessiert sei. Wir haben Herrn Riechmann eine Frist gesetzt - wenn Sie sich bis dann und dann nicht rühren, können Sie uns streichen." Die couragierte Geschäftsbereichsleiterin für Computer und Bürotechnik hatte Erfolg. Riechmann erschien persönlich zu einem "Goodwill-Besuch", wie sie es nannte. "Das Gespräch war relativ ehrlich. Herr Riechmann hat zugegeben, daß es Übergangsschwierigkeiten gibt, hat uns aber das gleiche Handling des Vertriebs zugesagt, wie wir es von NEC gewohnt sind", faßt Margot Lehmair zusammen.

Erwin Nützl, Mitglied der Geschäftsleitung der Seemüller GmbH in München, repräsentiert die geduldige Fraktion unter den ehemaligen NEC-Händlern: "Ich habe versucht, den direkten Draht zu Riechmann zu finden, aber die Jungs da bei Packard Bell sind noch so im Streß, daß sie mich erstmal an einen Distributor verwiesen haben", faßt er die aktuelle Geschäftssituation zusammen. "Ich bin erstmal darauf eingegangen, aber ich versuche auf jeden Fall, den direkten Kontakt herzustellen. Wir sind ja willig..." Aber auch Nützl weiß noch nicht genau, was er von Packard Bell halten soll, vorher habe es für ihn und den Massenanbieter ja keinerlei Berührungspunkte gegeben. "Die haben ja immer die großen Märkte gesucht, um möglichst viele Stückzahlen abzusetzen, egal wie", erinnert er sich. Doch Riechmann hat bei ihm jederzeit eine Chance: "Vielleicht wird sich Packard Bell ja ganz anders darstellen, als erwartet. Vor allem, weil ja NEC seine Leute aus dem Vertrieb da rüberschiebt. Deshalb erwarte ich keine negative Entwicklung."

Geringes Interesse der Distributoren

Insgesamt konnte Riechmann bisher fünf Mitarbeiter aus der ehemaligen NEC-Vertriebsmannschaft übernehmen. "Die anderen überlegen noch, ob sie von der großen NEC-Organisation in das kleine Packard-Bell-Team wechseln sollen", bekennt der Geschäftsführer der Packard Bell-NEC offen. Von Unruhe im Kanal oder Chaos will er allerdings nichts gemerkt haben. Die Vereinheitlichung der Vertriebskanäle habe ihm keinerlei Schwierigkeiten bereitet. "Die unterschiedlichen Strukturen: Das war sehr einfach. Packard Bell ist Consumer-orientiert. Wir machen da ja 20 bis 25 Prozent des Umsatzes mit dem klassischen Dealer-Bereich, das ist für uns also nichts Neues. Da kommt jetzt einfach was hinzu. Das gehen wir an, wie man es von Packard Bell gewohnt ist", versichert er.

Das Unternehmen übernimmt laut Riechmann den Service und Support - auch für die von NEC installierte Basis. Die Service-Zentrale befindet sich derzeit noch in Holland. "Da sind 450 Leute, die machen von morgens bis abends nichts anderes, als sich um Kunden und Händler zu kümmern", schildert er gegenüber ComputerPartner. Zudem habe er bereits in Langen bei Frankfurt Räume angemietet, um dort einen Teil der deutschen Hotline unterzubringen. "Nummern haben wir, nur noch nicht geschaltet. Derzeit rekrutieren wir das Personal dazu, da sollen 30 bis 35 Leute sitzen."

Obwohl die Geschäftstätigkeit des Unternehmens erst seit kurzem laufe, sei er positiv überrascht. "Die wichtigsten Partner von NEC haben sich bei uns gemeldet, wir führen immer noch Gespräche", vermeldet er. "Der Großteil wird sicher die Geschäfte mit uns weitermachen, bisher hat keiner gesagt, er will nicht." Riechmann plant, noch in diesem Jahr 30 bis 50 Partner direkt aufzunehmen, "als Versa-Center-Händler mit allen Möglichkeiten, Rechten und Pflichten", wie er betont. "Sie sollen nicht einfach nur verkaufen, sondern - wenn sie es wollen - auch Service und Support anbieten Dafür bekommen sie eine entsprechende Vergütung."

Außer der Lilienthaler Microteam GmbH hat sich bislang allerdings noch kein Distributor für die Belieferung der anderen Händler gefunden. "Der Distributionskanal hinkt im Augenblick", gibt Riechmann folglich zu. Da der Notebook-Anteil unter den NEC-Produkten für Distributoren wie Merisel, Computer 2000 oder Ingram am Gesamtumsatz eher bescheiden gewesen sei, stelle sich dort sicher die Sinnfrage: "Legen die extra nochmal ein zweite Kundennummer an und nehmen die Notebooks von uns auf? Für Computer 2000 war das bislang doch immer eher eine Abholung der Pakete und nie ein Schwerpunktverkauf", zeigt Riechmann sich einsichtig über die zögerliche Resonanz der Distributoren.

Während die Praxis für Packard Bell-NEC also noch einige Stolpersteine bereithält, steht für Riechmann die Theorie, also die strategische Zielsetzung, bereits fest. Neben den NEC Notebooks nimmt er auch mittelfristig noch NEC Workstations und Server mit in seinen Vertrieb. "Wir wollen in den restlichen vier Monaten des Jahres 1996 rund 20 Millionen Mark Umsatz machen. Insgesamt planen wir, das Geschäftsjahr 1997 mit rund 300 Millionen Mark abzuschließen - eher mehr." (du)

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