Packard Bell steht vor dem Scheideweg

02.04.1999

Wenn ein PC-Hersteller erklärt, sich keine Marktanteile kaufen zu wollen, dann ist das für die Wettbewerber eine gute Nachricht. Denn das bedeutet, daß von diesem Hersteller keine große Bedrohung ausgeht. Das ist die Situation, vor der Packard Bell steht. "Wir werden uns keine Marktanteile kaufen", verspricht Marketingmanager Michael Pöllmann der Konkurrenz. Nach wie vor kämpft die deutsche Tochter des amerikanischen PC-Bauers mit dem Problem, auf der einen Seite Gewinne erzielen zu müssen, auf der anderen Seite bei den verkauften Stückzahlen nicht den Anschluß an die Konkurrenz verpassen zu dürfen.Keine leichte Aufgabe für Deutschland-Chef Hans-Dieter Riechmann und seine Mitstreiter. Dieser Spagat, im Consumergeschäft Absatzzuwächse zu erzielen und gleichzeitig Gewinne zu erwirtschaften, ist derzeit kaum zu schaffen. Zu viel Druck geht von den Wettbewerbern aus. Jüngstes Beispiel: die Offensive von Compaq und 1&1, einen Rechner inklusive Monitor für 799 Mark anzubieten. Dafür muß der Käufer zwar einen Internet-Nutzungsvertrag für zwei Jahre unterschreiben, doch selbst dann ist der Gesamtpreis von rund 1.500 Mark sehr aggressiv.

Um die Talfahrt bei den PC-Verkäufen zu bremsen und besser noch umzukehren, bringt Packard Bell jetzt in Deutschland - und vorerst nur in Deutschland - die neue Einstiegsserie "Legend" auf den Markt. Eine "Kampfansage" an die Konkurrenz, wie die Presseverlautbarung suggeriert, ist diese Initiative aber sicher nicht. Dazu ist das Angebot einfach zu harmlos. Einen Rechner für 1.499 beziehungsweise 1.799 Mark - noch dazu ohne Monitor und das bei den anderen Packard-Bell-Familien übliche umfangreiche Softwarepaket - bekommt man heute überall.

Eines der wesentlichen Probleme von Packard Bell besteht darin, daß sich der US-Hersteller mit Haut und Haaren dem preissensitiven Consumer- und Soho-Markt verschrieben hat. Zwar definierten die Amerikaner im Herbst 1998 den gewerblichen Anwendermarkt als strategischen Zielkorridor und gründeten eine entsprechende Abteilung. Folgen dieser Entscheidung sind aber bisher nicht sichtbar. Im Segment der gewerblichen Anwender, zwar auch unter Druck stehend, aber noch immer bessere Margen bietend, ist Packard Bell so gut wie nicht vertreten. Wegen der unbefriedigenden Absatzsituation mußte Stefan Lodes, bei den Münchenern für die NEC-Notebooks verantwortlich, Ende vergangenen Jahres seinen Hut nehmen.

Ist Packard Bell damit chancenlos auf dem deutschen Markt? Nicht zwangsläufig. Aber wenn die Amerikaner hier in Deutschland wieder auf einen grünen Zweig kommen und im beinharten PC-Markt bestehen wollen, dann sind sie gezwungen, mit den Wölfen zu heulen. Das heißt: Die Amerikaner stehen vor der Wahl. Entweder sie wollen im deutschen Markt wirklich eine Rolle spielen - dann müssen sie zumindest für eine gewisse Zeit die Preiskämpfe ohne Rücksicht auf Verluste mitmachen. Oder sie setzen die bisherige, ertragsorientierte Strategie fort - und laufen Gefahr, noch weiter an Marktbedeutung zu verlieren. Die derzeitige Strategie nach der Devise "Wasch mir den Pelz, aber mach mich nicht naß" kann jedenfalls nicht dauerhaft funktionieren.

Damian Sicking

dsicking@computerpartner.de

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