Packard Bell will den Fachhandelsvertrieb weiter ausbauen

15.03.1996
MÜNCHEN: Die Mitte letzten Jahres gestartete Großoffensive des Hardwareherstellers Packard Bell in Richtung Fachhandel soll dem PC-Anbieter in den nächsten zwei Jahren die Tür zum Geschäftskunden endgültig im großen Stil öffnen.Hans Peter Riechmann, Geschäftsführer von Packard Bell, freut sich über jeden Konkurrenten, der in Zukunft sein Hauptinteresse auf den Homebereich lenkt. Für den Deutschland-Chef liegen die größten Wachstumsraten im PC-Verkauf eindeutig bei den Geschäftskunden.

MÜNCHEN: Die Mitte letzten Jahres gestartete Großoffensive des Hardwareherstellers Packard Bell in Richtung Fachhandel soll dem PC-Anbieter in den nächsten zwei Jahren die Tür zum Geschäftskunden endgültig im großen Stil öffnen.Hans Peter Riechmann, Geschäftsführer von Packard Bell, freut sich über jeden Konkurrenten, der in Zukunft sein Hauptinteresse auf den Homebereich lenkt. Für den Deutschland-Chef liegen die größten Wachstumsraten im PC-Verkauf eindeutig bei den Geschäftskunden.

1995 hat der PC-Hersteller 65.000 Rechner in Deutschland verkauft, wobei zirka 16.000 Stück an den Fachhandel gingen. Das Gros der Computer wurden letztes Geschäftsjahr noch über den klassischen Consumer-Verkaufskanal an den Kunden gebracht. Nach Ansicht von Riechmann wird sich dieses Zahlenverhältnis Fachhandel/Retailer schon in den nächsten zwei Jahren erheblich ändern: "Der Fachhandel verkauft die größten Stückzahlen in Deutschland und wird sein Kundenpotential noch erheblich ausweiten können", so der Packard-Bell-Vordermann.

Raab Karcher nicht mehr im Boot

Um bei dieser Marktentwicklung mit vorne dabeizusein, hat Packard Bell ab Juni 1995 die Distributoren Microteam und Raab Karcher Elektronik angeheuert, mit deren Hilfe der Fachhandel als Partner gewonnen werden sollte. Unglücklich an dieser Aktion war nur, daß beide Distributoren nichts voneinander wußten, und vor allem Microteam hoffte, mit Packard Bell exklusiv den Fachhandel zu beackern (vgl. Computer Business Nr. 31/32, S.12). Mittlerweile sind die Fronten aber wieder gerade gerückt, da die Raab Karcher Elektronik GmbH aus Nettetal seit 1996 die Zusammenarbeit mit Packard Bell beendet hat.

"Wir haben eine interne strategische Entscheidung getroffen und wollen uns in Zukunft fast ausschließlich auf den mobilen PC-Bereich konzentrieren", so Norbert Hobus, Produkt Manager bei Raab Karcher. Für dieses Marktsegment bietet sich Packard Bell als Partner seiner Ansicht nach "nicht so sehr an". Daß die aufgekündigte Kooperation etwas mit der unklaren Distributionsstrategie des weltweiten PC-Marktführeres zu tun hat, will Hobus so nicht als Grund für die Scheidung gelten lassen.

"Wir haben unseren Konkurrenten im Distributionsgeschäft nie so richtig gespürt", behauptet Frank Garrelts, Geschäftsführer der Microteam GmbH in Lilienthal. Der nach eigenen Angaben kooperativ veranlagte Garrelts hat als exklusiver Vermarkter von Packard Bell ein deutschlandweites Fachhändlernetz mit 1.500 Partner etabliert und plant ganz konservativ einen Fachhandelsumsatz von acht bis zehn Millionen Mark für das Geschäftsjahr 1996.

Privatkunden in den ländlichen Gebieten bedienen

Obwohl der Organisator der Fachhandels-Vereinigung "oft mit Herrn Riechmann spricht und die gemeinsamen Strategien abstimmt", sieht der Marketier die mittelfristigen Chancen für den Fachhandel nicht so sehr auf den Businessbereich beschränkt: "Wir haben Studien vorgenommen, die besagen, daß ein typischer Fachhändler, sofern es diesen überhaupt gibt, zirka 80 Prozent für den Business- und 20 Prozent für den privaten Kunden liefert", erläutert Garrelts die momentane Marktsituation für den PC-Fachverkäufer. Um seine Kunden bei der Stange zu halten, hat Microteam ein Vertriebskonzept mit Packard Bell ausgearbeitet. Dieses sieht vorwiegend eine Belieferung des Fachhandels mit Point-of- Sale-Systemen und -Displays sowie Werbematerial vor. Der Microteam-Geschäftsführer will damit ein Ziel verfolgen: "Der Fachhändler muß in den Privatbereich zurückkehren."

Chancen gegenüber den großen Retailern sieht Garrelts in regionalen Bereichen und in Qualitätsdifferenzierungen eines kompletten Multimedia-Rechners, "für den der Kunde höchstens 200 Mark mehr zahlen muß". Der Micoteam-Chef nennt ein Beispiel: "Wir beobachten ganz genau, wie die großen Consumer-Ketten ihre Preise gestalten. Kommen die wieder mit einem Niedrigpreisangebot in den Markt, ermöglichen wir den Fachhändlern einen vergleichbaren Konkurrenzpreis mit Packard- Bell-Produkten. Zusätzlich besitzen die von uns offerierten Rechner spezielle Add-ons, die der Retailer in sein Paket nicht integriert hat. Auf diese Weise kann der Händler eine Produktdifferenzierung in der Branche durchsetzen." Auch im Bereich Service will Garrelts Wettbewerbsvorteile für den Fachhandel sehen, "da nicht jeder Kunde eines Retailers bei Software- und Aufrüstungsfragen den weiten Weg in die Stadt sucht, einen teuren Parkplatz findet und dann vor einem hilflosen Verkäufer stehen will".

Die von Microteam mit ins Leben gerufene Fachhandels-Vereinigung hat einen Servicestundenlohn von 120 Mark pro Stunde als verbindlich festgelegt. Garrelts ist überzeugt, daß immer mehr Privatkunden vor allem in ländlicheren Gegenden sich vertrauensvoll an die Spezialisten wenden, damit diese schnell und unkompliziert PCs nach individuellen Wünschen aufrüsten.

Fachhandel schätzt Vorteile unterschiedlich ein

Etwas uneinig ist der von Microteam belieferte Fachhandel bezüglich der strategischen Vorteile von Packard- Bell-Geräten. Josef Müller, Geschäftsführer von Müller Computer in Bad Neuenahr, sieht auf Grund der guten Multimedia-Eigenschaften der Packard-Bell-PCs relativ gute Chancen für den Homebereich. "Wir machen traditionell zirka 70 Prozent unseres Umsatzes im Business-Geschäft und 30 Prozent mit Privatkunden. Von den Geschäftskunden nutzen knapp 10 Prozent Packard Bell", so Müller. Den Business-Einstieg für Packard Bell stuft der Fachhändler eher als problematisch ein, da die Konkurrenz extrem hoch ist und viele Anbieter sich bereits dort etabliert haben. Auch die extreme Transparenz der Rechnerpreise stärkt die Situation der Kunden bei Verhandlungen, so daß "schnell die ein oder andere Marge zerschossen wird". Beim Privatkunden sieht der Verkaufsspezialist den Multimedia-Rechner mit CD-ROM und Soundkarte als Standard. "Alles andere wie Modem oder Boxen beliefern wir eher als Zusatz", erläutert Müller.

Das standardmäßig große Software-Bundle bei Packard Bell-PCs hilft dem Geschäftsführer nicht unbedingt bei seiner Gewinnerzielung, da "die Kunden viele Fragen und Probleme nachträglich an uns herantragen, die wir wegen des Konkurrenzdrucks unentgeltlich bearbeiten müssen". Die von Garrelts prophezeiten Mehreinnahmen durch Um- und Aufrüstung der Rechner fallen laut Müller für seine Branche nicht an: "Die seit ersten Januar gültige CE-Norm verbietet es uns, Rechner mit CE-Zeichen um- oder aufzurüsten. Wir müssen dem Kunden neue Geräte anbieten und nehmen seine alten Computer nicht mehr an." Probleme hat der Wiederverkäufer damit wohl kaum, da sich sein Hardwareumsatz seit der bürokratischen Verordnung ungefähr verdoppelt hat.

Anders als sein Konkurrent in den alten Bundesländern schätzt Peter Soukop, Geschäftsführer der Videoprofis in Dresden, das große Softwareangebot von Packard Bell. Der Unternehmer glaubt, damit ein Hauptverkaufsargument für den Home-Bereich gefunden zu haben.

Tanz auf zwei Hochzeiten

Auch Soukop gibt dem PC-Hersteller eher wenig Chancen im Businessbereich, da die Multimedia-Funktionen bei Netzwerkkonfigurationen eher störend wirken. "Wichtig für den professionellen Einsatz ist eine große Festplatte und viel Hauptspeicher. Den Rest macht das Netz", ist Soukop überzeugt. Über das Erziehungswesen hoffen die Dresdener bald mit Packard-Bell-PCs einen Fuß in den Verkauf von großen Stückzahlen zu bekommen. "Das Lernverhalten unserer Kinder ändert sich radikal und in naher Zukunft gehört der PC zum Alltag in der Schule", glaubt der Geschäftsführer. Hier setzen die Wiederverkäufer aus den neuen Bundesländern auf die Kooperation mit dem Distributor Microteam. Der Geschäftskunde könnte Packard Bell beim Fachhändler allerdings auf diese Weise etwas aus den Augen verlieren. (gu)

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