E-Commerce

Paketzusteller kommen vor Weihnachten ins Schwitzen

03.12.2014
Zur Vorweihnachtszeit brummt der Onlinehandel. Mit dem Ansturm auf die digitalen Verkaufsportale klingeln auch bei den Paketlogistikern die Kassen. Für die vielen Zusteller dagegen beginnt ein Höllenjob.

Klingeln, Warten, Treppe rauf, Treppe runter und fast immer schwer bepackt. In diesen Wochen beginnt für Zehntausende von Paketzustellern der Wettlauf im Weihnachtsgeschäft. Schnell und pünktlich sollen Päckchen und Pakete beim Empfänger eintreffen. Denn immer mehr Verbraucher ordern Geschenke per Mausklick im Internet.

Ganz oben auf der Welle des anhaltenden Kaufrauschs im Netz segeln die Logistikunternehmen. Jürgen Gerdes gehört zu den Menschen, die fest an die Zukunft des elektronischen Handels glauben und ihm anhaltendes Wachstum prophezeien. Das gilt auch für den Kauf von Lebensmitteln, dem der Chef der Sparte Pakete, eCommerce, Post (PeP) bei der Deutschen Post DHL gute Chancen einräumt. So liefert der gelbe Riese den Kunden selbst den Festtagsschmaus ins Haus.

Eine kurze Versandzeit ist das A und O im onlinegetriebenen Handelsgeschäft. Nichts ist ärgerlicher als eine missglückte Anlieferung, eine verspätete Zustellung oder eine falsche Adresse auf dem Paket. Denn das verursacht Kosten, die an den ohnehin dünnen Margen knabbern. Kein Wunder, dass Paketdienstleister ihre Zustelloptionen systematisch erweitern: Auslieferung am gleichen Tag, in Zeitfenstern, an Alternativadressen oder Packstationen.

Im kommenden Jahr soll ein Paketbutler, entwickelt von der Telekom, seinen Dienst bei der Post aufnehmen. Die Postkonkurrenten kommen mit einer eigenen Paketbox auf dem Markt. Auch mit einer Drohne wird experimentiert. Die ersten Testflüge überstand der Paketkopter der Post vor wenigen Wochen auf der Insel Juist mit Erfolg. Zeitpunkt des Einsatzes im Regelbetrieb: noch unklar. Und die neueste Idee: Zustellung eines Pakets ins Auto des Empfängers.

Für die Paketdienstleister zählen die nächsten Wochen zu den lukrativsten im ganzen Jahr. Bis zu 20 Prozent aller Sendungen im Endkundengeschäft entfielen auf die letzten Wochen des Jahres, sagt Joana Schöttler vom Bundesverband Paket und Expresslogistik (BIEK), dem Sprachrohr der Postkonkurrenten. Teilweise seien mehr als 10.000 Menschen zusätzlich in Auslieferung und Paketzentren im Einsatz. Hinzu kommen weitere 10.000 Aushilfskräfte, die allein bei der Post in diesen Tagen die Spitzen abdecken sollen.

Hetze, Hektik und Überstunden sind an der Tagesordnung, berichten Zusteller. Dabei sind die Zustände zum Teil extrem unterschiedlich, weiß die Gewerkschaft Verdi. Vor allem in den Subunternehmen, die nahezu ausschließlich bei den Postkonkurrenten auf der letzten Meile Pakete zustellen, gelten Arbeitsbedingungen und Bezahlung als schlecht. "Das seit Jahren stark wachsende Paketgeschäft wird buchstäblich auf dem Rücken der Beschäftigten ausgetragen", rügt Verdi-Bundesvorstand Andrea Kocsis.

Seitdem der Enthüllungsjournalist Günter Wallraff vor zwei Jahren Missstände in der Branche anprangerte ("Armee der Unsichtbaren"), habe sich wenig verändert, zitierte die Stiftung Warentest unlängst einen Paketfahrer in ihrem neuesten Heft. Die Prüfer hatten nicht nur Qualität und Zuverlässigkeit getestet, sondern auch die Arbeitsbedingungen unter die Lupe genommen.

Und dennoch: Jan Jurczyk von Verdi registriert ein allmähliches Umdenken. Hermes etwa pocht in seinen Partnerbetrieben bei Löhnen und Arbeitszeiten auf die Einhaltung von Mindeststandards. In diese Ecke will sich Postvorstand Gerdes erst gar nicht nicht drängen lassen: Im Vergleich zum Wettbewerb hebe sich die Post deutlich ab, meint der Manager und spricht von "fairer" Bezahlung. Tatsächlich hat Warentest den Bonnern bei den Arbeitsbedingungen eine gute Note bescheinigt.

"Unter Blinden ist der Einäugige König", meint dagegen Jurczyk und verweist auf eine Entwicklung, die der Gewerkschaft zunehmend ein Dorn im Auge ist: Die steigende Zahl von befristet Beschäftigten beim Marktführer. "Dauerhafte Arbeitsplätze sind möglich und nötig", heißt es bei Verdi. Doch der Kostendruck ist hoch und Post-Vorstandschef Frank Appel plant Einschnitte, vor allem bei den Einstiegslöhnen.

Das birgt Konfliktpotenzial für die Tarifrunde im kommenden Jahr. Weitere Nadelstiche setzen die Beschäftigten an diesem Freitag in den Paketzentren des Unternehmens. Dann sollen die Sortierbänder mehrere Stunden stillstehen. Am Nikolaustag gibt es also weniger auszutragen und viele Paketzusteller dürfen dann einmal kräftig durchpusten. (dpa/tc)

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