Palm Deutschland setzt auf Carrier

24.07.2006
Palm Deutschland, fünf Mitarbeiter zählend, hat Probleme. Es wird keine neuen PDAs geben; der Treo 650 läuft aus, und auf neue Smartphones müssen Kunden bis Herbst warten.

Von Wolfgang Leierseder

Wird eine Landesniederlassung mit fünf Mitarbeitern wahrgenommen? Diese Frage kann man von den USA oder von Deutschland aus beantworten. Dass die Antworten unterschiedlich ausfallen, überrascht wenig. Doch die Konsequenzen sind erheblich, wie der Fall Palm Deutschland zeigt.

"Der klassische PDA ist ein Auslaufmodell", erklärt Martin Sing, verantwortlich für das Deutschland-Geschäft von Palm, gegenüber ComputerPartner. Die Konsequenz: Palm wird in diesem Jahr kein neues Modell auf den Markt bringen - und Sings Fünf-Mann-Abteilung der Sorge und Anstrengung entheben, für die noch lieferbaren Zires, TTX und andere Modelle auf die Straße gehen zu müssen.

Konzentration auf Smartphones

Sing und seine Mannen könnten sich also ganz auf das Geschäft mit dem Smartphone Treo konzentrieren. Das ist, wie die amerikanische Mutter im letzten Quartalsbericht (Ende: 2. Juni 2006) erklärte, sowieso weitaus profitabler: 2,3 Millionen weltweit ausgelieferte Treos sorgten für fast zwei Drittel (62,5 Prozent) des Umsatzes. Für den Rest musste Palm 2,5 Millionen "Auslaufmodelle" ausliefern. Wie viele davon in Deutschland verkauft wurden, wollte Sing nicht sagen; laut Marktforschern war Palm hier zu Lande Marktführer - mit deutlich rückläufigen Zahlen.

Doch Sings Konzentration auf das in den USA erfolgreiche Smartphone "Treo" ist im Moment nicht möglich: Der "Treo 650" wird nicht mehr nach Europa geliefert, weil er nicht den neuen RoHS-Vorschriften (Restriction of Hazardous Substances; Beschränkung gefährlicher Substanzen) entspricht, die verschiedene giftige Substanzen in elektronischen Geräten verbieten und hier zu Lande seit 1. Juli 2006 in Kraft getreten sind.

Ein anderes Modell kann Palm Europe nicht anbieten. Allerdings können die vorhandenen Treos weiter verkauft werden, und Palm hat zum Beispiel in Großbritannien Promotion-Aktionen bei Orange und O2 gestartet - doch was nützt das Palm Deutschland?

So bleibt Sing im Moment nichts anderes übrig, als auf neue, selbstredend RoHS-konforme Smartphones zu verweisen: Diese sollen "im Herbst 2006" auf den Markt kommen, verspricht Sing. In den USA sind sie unter der Bezeichnung "700w" (steht für das Betriebssystem "Windows Mobile") und "700p" (steht für das Betriebssystem "Palm OS") längst in den Läden.

In Deutschland sollen die kommenden Geräte vorerst über Carrier verkauft werden - ein diesbezügliches Abkommen mit Vodafone hat Palm gerade bekannt gegeben. Das ist der einzige europaweit agierende Carrier, den Palm nach drei Jahren intensiver Bemühungen gewinnen konnte, und dieser setzt vorerst auf das Windows-Smartphone.

Im Übrigen ist Palms "Treo 650" in Deutschland bei dem lokalen Carrier E-Plus vertreten.

Konsequenzen für den Fachhandel

Man sieht: Mit dieser Gesamtstrategie setzt Palm gewiss nicht auf den Fachhandel. Diesen Eindruck hat ein anonym bleiben wollender Systemhaus-Partner von Palm drastisch formuliert: "Wenn sich Palm verstärkt (oder nur noch) auf Smartphones konzentriert, wird der bisherige Palm-Handel sterben. Denn diese Geräte werden von den Providern vermarktet." Und er fragt sich, wofür man dann noch einen TK-Handel braucht?

Jan Herud, Geschäftsführer des Palm-Systemhaus-Partners Alatis GmbH & Co. KG, erklärt dagegen salomonisch: "Der Handel auf unserem Online-Shop Palm & More ist nicht so sehr von den Veränderungen bei Palm betroffen. Stärker beeinflusst es unsere Software-Entwicklung, die wir bisher auf Palm OS fokussiert hatten."

Herud, der unter anderem im Projektgeschäft tätig ist, verweist darauf, dass der bisherige Palm-Erfolg stark von der Entwicklergemeinde angetrieben wurde. Doch seit dem Verkauf von Betriebssystem-Hersteller Palmsource an das japanische Unternehmen Access im September 2005 und der Ankündigung der Japaner im Februar 2006, Palm als Betriebssystem verschwinden zu lassen, dafür an seiner statt ein Linux-basierendes OS namens "Access Linux Platform" (ALP) zu entwickeln, hat Herud die Software-Entwicklung umgestellt - auf Windows-Mobile. Im Gegensatz zu Sing kann er reagieren.

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