Parlamentarischer Staatssekretär Siegmar Mosdorf im Interview

27.05.1999

MÜNCHEN/BONN: Der Parlamentarische Staatssekretär im Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie, Siegmar Mosdorf, fällt durch sein starkes Engagement für die IT-Branche auf. Er fordert: "Die Zahl der IT-Unternehmen muß bis zum Jahr 2001 verdoppelt werden." Über die praktische Umsetzung dieses Ziels, dieProblematik der Regfelung zur Scheinselbständigkeit und den Fachkräftemangel in der IT-Branche sprach ComputerPartner-Redakteurin Marzena Fiok mit dem Politiker.

Sie fordern eine Verdoppelung der IT-Unternehmen in den nächsten zwei Jahren. Warum haben sie für die deutsche Wirtschaft eine so

große Bedeutung?

MOSDORF: Im gesamten Bereich der Informationswirtschaft, das heißt in der Informations- und Kommunikationstechnik, bei Dienstleistern und im Bereich Medien, sind heute bereits rund 1,7 Millionen Menschen in der Bundesrepublik beschäftigt. Die Tatsache, daß die Erwerbstätigenzahl in der Informationstechnik in den letzten Jahren jeweils zweistellige Zuwachsraten zu verzeichnen hatte, zeigt, wie wichtig die Informationswirtschaft für die Erhöhung der Beschäftigung in unserem Land ist. Allein auf den Multimedia-Märkten besteht ein Potential von 260.000 bis 280.000 zusätzlichen Arbeitsplätzen bis zum Jahr 2001.

Aber doch nur theoretisch. Der Fachkräftemangel macht wachstumswilligen Unternehmen einen Strich durch die Rechnung.

MOSDORF: Um das Potential zu nutzen, bedarf es eines umfassenden Ansatzes, wie er im Aktionsprogramm der Bundesregierung "Innovation und Arbeitsplätze in der Informationsgesellschaft des 21. Jahrhunderts", das im September fertiggestellt sein wird, zum Ausdruck kommt. Dieser umfassende Ansatz beinhaltet nicht nur die notwendige Weiterentwicklung der rechtlichen Rahmenbedingungen und die Verbesserung der Infrastruktur und technologischen Basis. Zentral ist auch, daß wir Fortschritte bei einer Kultur der Selbständigeit, aber auch bei einer breiten Initiative zur Förderung der Medienkompetenz erzielen. Ziel muß es sein, durch dieses Bündel von Maßnahmen dazu beizutragen, die Zahl der Multimedia-Firmen bis zum Jahr 2001 zu verdoppeln.

Was genau tut denn die Bundesregierung, um Unternehmensgründer und IT-Firmen zu unterstützen? Gibt es entsprechende Förderprogramme?

MOSDORF: Die Förderprogramme der Bundesregierung zur Existenzgründung, Eigenkapitalhilfe und Investitionsförderung stehen auch allen Unternehmen der IT-Branche zur Verfügung (Eine Übersicht hierzu findet sich unter www.bmwi.de, Anmerkung der Redaktion). Über die gängigen Förderprogramme hinaus hat die Bundesregierung Initiativen ergriffen, um KMUs speziell in Fragen des E-Commerce und E-Business zu unterstützen. So wurden in Zusammenarbeit mit regionalen Trägern insgesamt 24 "Kompetenzzentren für den Mittelstand" eingerichtet, das heißt regionale Anlaufstellen für Unternehmen, die Informations-, Beratungs- und Schulungsbedarf bei der Anwendung neuer Informationstechniken haben. Letztlich werden diese Förderprogramme aber nur dann einen nachhaltigen Erfolg erzielen, wenn auch die Rahmenbedingungen weiter verbessert werden. Diesem Ziel dient gerade das Aktionsprogramm der Bundesregierung.

Andererseits wirft die Scheinselbständigen-Regelung doch neue Probleme für Existenzgründer auf, die oft als Ein-Mann-Unternehmen starten.

MOSDORF: Ziel des Gesetzes zur Bekämpfung von Scheinselbständigkeit und zur Einführung einer Rentenversicherungspflicht für arbeitnehmerähnliche Selbständige ist sicher nicht, Hemmnisse für Existenzgründer oder echte Selbständigkeit zu schaffen.

Sind denn eventuelle Ausnahmeregelungen für die IT-Branche angedacht?

MOSDORF: Mit dem neuen Gesetz wurden gleichzeitig Regelungen eingeführt, durch die ungebührliche Härten für junge Existenzgründer, die aufgrund des Gesetzes sozialversicherungspflichtig werden, vermieden werden sollen. So müssen Existenzgründer in den ersten drei Berufsjahren nur Beiträge in Höhe von 50 Prozent des Regelbeitrags, dessen Bezugsgröße das Durchschnittseinkommen aller Rentenversicherten ist, bezahlen. Unter bestimmten Voraussetzungen müssen Existenzgründer nur 123 Mark monatlich bezahlen. Das ist geradezu ein Förderprogramm für Existenzgründungen.

Besteht bei dieser Regelung nicht die Gefahr, daß viele Einsteiger vor der Bürokratie kapitulieren und erst gar nicht versuchen, sich auf eigene Beine zu stellen?

MOSDORF: Wir müssen darauf achten, daß bei der konkreten Umsetzung des Gesetzes nicht doch Existenzgründer vorschnell gegen ihre Interessen ihren Status als Selbständige verlieren. Ich halte es in diesem Zusammenhang für einen wichtigen Schritt, daß die Sozialpartner im Fach- und Themendialog "Mittelstand" im Rahmen des Bündnisses für Arbeit, Ausbildung und Wettbewerbsfähigkeit sich einhellig darauf verständigt haben, daß von der gesetzlichen Regelung keine Behinderungen für Existenzgründer ausgehen dürfen. Eine Arbeitsgruppe des Fach- und Themendialogs hat bereits konkrete Vorschläge für Kriterien erarbeitet, mit denen sichergestellt werden soll, daß die Einstufung der Existenzgründer rasch und unter Berücksichtigung ihrer zukünftigen Planungen erfolgen kann. Das Bundesarbeitsministerium hat jetzt eine Kommission zur Überprüfung der praktischen Wirkung eingesetzt, der ich angehöre. Eine Belastung für die dringend notwendige Gründerkultur in Deutschland werden wir vermeiden.

Auch der Fachkräftemangel ist ein Dauerthema. Viele Unternehmen müssen schon mal Aufträge ablehnen, weil das Personal fehlt. Was kann man hier noch tun?

MOSDORF: Angesichts von mindestens 60.000 zur Zeit nicht besetzbaren Stellen im IT-Bereich ist ein koordiniertes Vorgehen aller Beteiligten notwendig, um möglichst rasch konkrete Fortschritte bei der Bekämpfung des Fachkräftemangels zu erarbeiten. Die Bundesregierung hat daher im Rahmen des Bündnisses für Arbeit, Ausbildung und Wettbewerbsfähigkeit einen eigenen Fach- und Themendialog "Beschäftigungspotentiale im Bereich der IuK-Technologien" eingerichtet. Ziel ist es, bis zum Sommer dieses Jahres konkrete Maßnahmen und Aufgaben für die Beteiligten des Dialogs abzuleiten.

Welche Maßnahmen sind denn bislang angedacht? Ist dabei die Nachwuchsförderung oder die verstärkte Umschulung von Arbeitslosen ein Thema?

MOSDORF: Es ist klar, daß hier nur mit einem Bündel von kurz- und mittelfristigen Maßnahmen gegengesteuert werden kann. Kurzfristig könnte zum Beispiel geprüft werden, ob die Bundesanstalt für Arbeit das bereits hohe Niveau von 30.000 Teilnehmern an Qualifizierungsmaßnahmen im IT-Bereich nicht noch weiter aufstocken kann. Im Bereich Ausbildung könnten durch die Ausweitung praxisnaher Konzepte nach dem Vorbild der Berufsakademien Studienzeiten verkürzt und dem tatsächlichen Qualifikationsbedarf der Unternehmen besser entsprochen werden. Mit dem Aktionsprogramm wollen wir die Grundlage dafür schaffen, daß die Schulen nicht nur besser mit Hardware ausgestattet werden, sondern auch Defizite bei der Medienkompetenz der Lehrenden beseitigt werden können.

Siegmar Mosdorf: "Die Zahl der IT-Unternehmen muß bis 2001

verdoppelt werden".

Zur Startseite